Neues Volksbegehren: Eltern wollen Kinder horten
Neues Volksbegehren fordert mehr Erzieher und Ganztagshorte für alle Grundschüler. Die Kosten belaufen sich laut Initiatoren auf 100 Millionen Euro pro Jahr.
Die Landeselternausschüsse für Kitas und Schulen starten ein neues Volksbegehren. Sie fordern gemeinsam mit den Gewerkschaften 1.200 zusätzliche Vollzeit-Stellen für Erzieher, damit es eine ausgeweitete Ganztagsbetreuung an Horten geben kann. "Mehr als Aufpassen ist dort oft nicht drin, die Förderung verkommt zur Aufbewahrung", sagte Burkhard Entrup vom Landeselternausschuss Kita am Montag.
Die Initiatoren gehen davon aus, dass ihre Forderungen den Landeshaushalt mit rund 100 Millionen Euro pro Jahr belasten. Etwa die Hälfte davon soll für eine Veränderung des Personalschlüssels ausgegeben werden, damit die einzelnen Erzieher im Schnitt weniger Kinder betreuuen müssen. Derzeit kommt rechnerisch ein Erzieher auf 22 Kinder, in Zukunft sollen es nur noch 16 Kinder sein.
Der zweitteuerste Posten ist die Ausdehnung der Betreuung von 6 bis 18 Uhr von der ersten bis zur sechsten Klasse. Die bisherige Bedarfsprüfung soll wegfallen: Eltern sollen frei entscheiden können, wie lange ihr Kind betreut werden soll. Der dritte große Posten: Nicht nur bedürftige Kinder sollen in Zukunft einen Zuschuss zum Mittagessen erhalten, sondern auch die Kinder besser verdienender Eltern. Die Kosten dafür: 13 Millionen Euro pro Jahr.
Entrup sagte, damit das Ganztagsangebot an der Schule zum Erfolg führt, "bedarf es einer funktionierenden ergänzenden Förderung und Betreuung". Andernfalls bleibe es eine "Mogelpackung". Die zusätzlichen Kosten dafür seien zu stemmen: "Dieses Land ist nicht arm, das Geld wird nur an der falschen Stelle ausgegeben." Ein durchgerechnetes Konzept, an welcher Stelle das Land die zusätzlichen Kosten einsparen sollte, legten die Initiatoren nicht vor. Unklar ist auch, woher die zusätzlichen Erzieher herkommen sollen, die bereits jetzt sehr stark nachgefragt sind. "Wir sehen es nicht als unsere Aufgabe an, eine verfehlte Arbeitsmarktpolitik hinzunehmen", sagte Entrups Kollege Christian Johne.
Ein Sprecher von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) sagte der taz, die Forderungen nach besserer Betreuung seien aus Sicht der Eltern verständlich. "Man muss aber auch sehen, dass der Senat trotz der schwierigen Haushaltslage bereits einen Schwerpunkt bei der Ganztagsbetreuung setzt", so Martin Sand. So wird zum Beispiel der Kita-Besuch schrittweise kostenfrei, es gibt eine Ganztagsbetreuung bis zur vierten Klasse und an immer mehr weiterführenden Schulen. Es gebe "sicher noch eine Lücke in der fünften und sechsten Klasse", sagte Sand. Für den Haushalt ab 2012 würde sich tatsächlich die Frage stellen, ob man diese Lücke schließen kann, aber derzeit stehe das nicht zur Debatte.
Damit das Volksbegehren ein Erfolg wird, müssen die Initiatoren innerhalb von sechs Monaten 20.000 Unterschriften von wahlberechtigten Berlinern sammeln. Falls das Abgeordnetenhaus die Forderungen nicht annimmt, müssen in der nächsten Stufe weitere 170.000 Unterschriften gesammelt werden. Danach würde es zum landesweiten Volksentscheid kommen, voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2011.
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