Kommentar Bhopal-Urteile: Lehren aus der Katastrophe

Die Katastrophe von Bhopal würde heute so nicht mehr passieren. Gleichwohl ist es noch ein langer Weg, bis sich die indische Justiz wirklich von den Mächtigen befreit hat.

Auf seine unabhängige Justiz ist Indien stolz. Tatsächlich gibt es immer wieder Streitfälle, die indische Richter zu Gunsten von Unberührbaren entscheiden oder in denen sie fragwürdigen Traditionen Einhalt gebieten. Das ist gut so. Doch wenn es um die hohe Politik geht, fügt sich Indiens Justiz zu häufig den Mächtigen. Davon zeugt auch das Urteil, mit dem die Verantwortlichen für die tödlichste Chemiekatastrophe aller Zeiten 25 Jahre nach dem Vorfall davon kommen.

Jeder wusste nach der Katastrophe von Bhopal im Dezember 1984, dass beim US-Konzern Union Carbide in den Jahren zuvor unglaublich geschlampt worden war. Niemand in der Firma scherte sich um die Gefährdung von hunderttausenden Slumbewohnern in der Nähe der Giftfabrik. Doch die Regierung in Delhi wollte kein Exempel statuieren, das ausländischen Firmen mit strengen Entschädigungsvorschriften die Lust an Investitionen in Indien verdarb. Im Gegenteil: Sie wollte den Firmen zeigen, was man in Indien alles ungestraft tun kann.

Diese Problematik reicht bis in die Gegenwart: Gerade debattiert das indische Parlament ein neues Gesetz, in dem es um die Unfallhaftung von Atomkraftwerksbetreibern geht. Die Regierung will eine relativ geringe Haftung, um die ausländischen Betreiber ins Land zu holen. Die Kritker sehen darin eine Anstiftung zu mangelnden Sicherheitsstandards.

Trotz des Versagens von Union Carbide und der indischen Justiz hat die Welt aber viel aus der Katastrophe von Bhopal gelernt. Das schiere Leugnen von Union Carbide, die völlig Ignoranz und andauernden Rücksichtslosigkeit der Firma gegenüber ihren Opfern sind eine Geschichte aus der Vergangenheit - kein global tätiges Unternehmen könnte sich ein solches Vergalten heute noch so leisten.

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Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

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