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Urteil zu Demonstranten-DurchsuchungFilzen nur bei Gefahr im Verzug

Nur bei Annahme konkreter Gefahr kann die Polizei künftig Teilnehmer einer Demo durchsuchen. Das Karlsruhe entschieden und gab damit einer Klage rechter Demoveranstalter statt.

Nur eine dramatische Gefahrenprognose erlaubt den Körperkontakt zwischen Polizei und Demonstrant. Bild: dpa

KARLSRUHE dpa | Die Polizei darf Teilnehmer einer Demonstration nur dann durchsuchen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr bestehen. Bloße Verdachtsmomente reichten nicht aus, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag bekanntgegebenen Beschluss. Es gab damit der Verfassungsbeschwerde von Veranstaltern einer Demonstration in Bielefeld statt, die sich im Jahr 2002 gegen eine Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht richtete (Az.: 1 BvR 2636/04).

Die Polizei hatte angeordnet, dass alle Teilnehmer der rechtsgerichteten Demonstration vor Beginn der Veranstaltung durchsucht werden sollten. Grund waren Erfahrungen aus früheren Demonstrationen, bei denen es zu Zusammenstößen zwischen rechten 0und linken Demonstranten gekommen war.

Diese Einschätzung reiche jedoch nicht aus, um eine Durchsuchung aller Teilnehmer zu rechtfertigen, so das Bundesverfassungsgericht. Eine Durchsuchung sei "geeignet, einschüchternde, diskriminierende Wirkung zu entfalten", so das Gericht. Deshalb sie eine Gefahrenprognose aufgrund konkreter Anhaltspunkte erforderlich.

Soweit Störungen durch gewaltbereite Gegendemonstranten zu befürchten seien, hätten sich die Maßnahmen der Polizei zunächst gegen die Gegendemonstranten richten müssen. Das durch gewaltbereite Gegendemonstranten drohende Gefahrenpotenzial sei den Veranstaltern nicht zurechenbar, urteilten die Verfassungsrichter.

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14 Kommentare

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  • R
    Rosa

    Reden wir hier von Vorkontrollen wenn wir vom "Filzen" sprechen?

     

    Soweit mit bekannt ist, hing das bisher immer mit den Auflagen der Demonstration zusammen, heißt: Glasfalschenverbot auf der Demo führt zur Durchsuchung der Rucksäcke.

     

    Ich finde es allerdings eine Farce wenn bei Vorkontrollen Menschen in die Gefangenensammelstellen gebracht werden, weil sie ein Halstuch dabei haben (sie könnten sich ja vermummen..) oder Aufkleber in der Tasche einzeln durchgeschaut werden auf deren Inhalte.

     

    Und natürlich Vorkontrollen nur bei entsprechenden äußrlichen Merkmalen: dunkel gekleidet, Mütze oder Sonnenbrille auf, eindeutige Logos auf den Klamotten oder gar wegen tragen einer Fahne.

     

    Ich fände es gut, wenn diese dumme Vorgehensweise wirklich nur noch begründet durchgeführt werden könnte (und die Begründung auch genannt werden würde) aber ich glaube nicht daran.

     

    Und so wird es weitergehen.

     

    Und dann werden wieder mitgeführte BHs beschlagnahmt, weil mensch sich mit denen auch vermummen könnte.

     

    Sind Fahrradhelme auf Fahrraddemos eigentlich auch passive Bewaffnung? Ha!

  • G
    groooveman

    @Kathrin:

    Ein gerauchter Joint wird von der Polizei auf jeden Fall weiterhin als "Gefahr im Verzug" gewertet werden.

     

    Mit Gefahr ist in diesem Fall die Gefahr der Vernichtung von Beweismitteln gemeint...

     

    Dieses Urteil wird definitiv GAR NICHTS an der Durchsuchungspraxis auf Demonstrationen ändern, weil die Polizei sich nicht an solche Urteile gebunden fühlt. Erst im Nachhinein können polizeiliche Maßnahmen juristisch untersucht werden..

  • V
    vic

    Womit wir dann beim Ermessensspielraum der Beamten wären.

    Nichts wird anders.

    Trotzdem typisch, dass erst wieder Rechte klagen müssen um ein solches Urteil zu erwirken.

  • G
    Grundrechtler

    Es streuben sich die Nackenhaare, dass ausgerechnet der braune Pöbel diese Gerechtigkeit errungen hat, aber naja...fein ist das trotzdem. Hin und wieder mag ich die Karlsruher Oppas!

  • S
    Seher

    Mal sehen, ich sehe die Kontrollen am Samstag am Alex schon vor Augen. Wette das das Urteil die Polizei 0 interessiert.

  • K
    Kathrin

    Neulich auf dem Flashsmoke vor der kanadischen Botschaft wurde ich wegen eines gerauchten Joints durchsucht und verhaftet. Jetzt frage ich mich, nach diesem Urteil, wie sich zukünftig die rauchende Teilnahme auf der Hanfparade gestaltet?

    Droht dort auch "Gefahr in Verzug" wenn ich dort einen Joint rauche? Ist es gesetzlich ligitim Teilnehmer darauf hin zu durchsuchen?

  • M
    MyCell_Proust

    Den kausalen Zusammenhang sehe ich nicht. Wieso sollen die Gegendemonstranten gefilzt werde und die Demonstranten nicht?!

    Und praktisch ist das bei Nazi-Aufmärschen ja kaum möglich, da den Nazis (zum Glück) oftmals die vielfache Gruppenstärke entgegentritt.

    Außerdem: Pflastersteine und Stöcke gibt es überall. Vielleicht sollte man gewaltbereite Linke und Rechte einfach in eine Turnhalle sperren und gucken, wer stärker ist, ohne dass die restliche Bevölkerung um ihr eigentum fürchten muss...

     

    In jedem Falle ein irres Urteil!!!

  • K
    Kommentator

    @Unnamed:

     

    Ich muss Sie korrigieren.

    Sie meinen den *Anfangsverdacht*, der total subjektiv willkürlich ist.

     

    Der *konkrete Verdacht* muss auf objektiven Kriterien beruhen!

    Also z.B. wie "das sind aus wie ein Messer, was da aus der Hosentasche rausguckt".

     

    Das Urteil ist gar nicht so ohne. Sehr zu begrüßen!

     

    Nächste Demo lass ich mich NICHT mehr kontrollieren.

    NEVER!!

  • D
    Dennis

    @Hans Albers:

     

    "Wie gehabt, bei den Braunen gelten die Regeln der Freiheit besonders stark."

     

    Kann ich nicht sehen. Ich würde so eine Maßnahme bei Teilnahme an einer Demo ebenfalls diskriminierend empfinden.

     

    Ziel des Urteils ist die Willkür der Polizei. Und "linke" Demonstranten können sich nun ebenfalls auf das Urteil berufen.

     

    Allerdings kenne ich den Vorgang der verhandelt wurde nicht. Die Bezugnahme des Gerichts darauf, das das "durch gewaltbereite Gegendemonstranten drohende Gefahrenpotenzial den Veranstaltern nicht zurechenbar" sei, kann ich inhaltlich nicht verstehen.

     

    Da fehlt mir gerade der Kontext.

     

    Waren die Rechten denn selber bewaffnet oder führten sie sonstige Gegenstände mit, die verboten sind?

     

    Wesshalb sollte das "Gefahrenpotential das von möglichen Gegendemonstranten ausgeht" überhaupt eine Rolle für die Durchsuchung der Demonstranten selbst spielen?

     

    Dennis

  • K
    Kommentator

    Komisch, dass ich auf Demos gegen Nazis bisher fast immer durchsucht wurde. Und ich sah noch nicht mal aus wie ein Militanter (was ich auch nicht bin).

     

    Aber Polizisten mach eh was SIE wollen.

    Reaktionen dagegen sind auch nahezu zwecklos. Gibt halt ne Ermahnung wenn man Glück hat. Und das war`s dann!

     

    Rechtstaatsgläubige sollten regelmäßig auf Demos!

    Sonst bleiben sie ewig Naivlinge.

  • M
    Matthes

    Also wenn das Urteil die Polizei demnaechst daran hindert Demonstranten zu filzen, dann finde ich das auf jeden Fall gut. Auch wenn das aus einer rechten Demonstration gewachsen ist, wird das sich auch positiv auf "linke" Demonstrationen auswirken. [Der "Staat" unterscheidet da ja bekanntlich nicht :-) ]Dieses standart, alle "links-alternativ bzw. autonom" aussehenden etc. werden durchsucht, wie ich es auf mehreren Demo's erlebt habe ist ja wirklich nicht mehr lustig und vor allem nervig.

  • U
    unnamed

    Und wer entscheidet wer verdächtig ist, und wer nicht?

  • GM
    Gosig Mus

    Und? Hat das sonst irgendwelche Konsequenzen für die Beamten die diese offenbar illegale Maßnahme durchgeführt, bzw die Vorgesetzten die sie angeordnet haben? Wenigstens für die berufliche Laufbahn?

     

    Was hält die Polizei davon ab, in Zukunft Gefahr im Verzug herbeizuorakeln um dann doch wieder nach eigenem Gutdünken zu filzen? Wehren darf man sich sowieso nicht. Im Nachhinein kann man dann natürlich wieder feststellen, dass GiV nicht vorlag, aber sofern das auch keine Folgen hat, bringt das auch nix.

     

    Die Polizei soll auch nur unter bestimmten Bedingungen Demos filmen dürfen, sie machens aber trotzdem frei nach Schnauze und viel zu häufig, weil der Spielraum riesig und der nachträgliche Widerspruch praktisch sinnlos ist.

     

    Nicht, dass ich persönlich was dagegen hätte, wenn Nazidemos streng behandelt werden, aber die Problematik findet sich ja bei anderen Demos wieder.

  • HA
    Hans Albers

    Wie gehabt, bei den Braunen gelten die Regeln der Freiheit besonders stark. Die alten Herren schlagender Verbindungen wissen, wo der Feid steht - links!