: Erneut mehr HIV-Neuinfizierte in Deutschland
Seit vier Jahren steigt ihre Zahl wieder. Besonders betroffen: Schwule und Migranten aus Ländern mit hoher Aidsrate
BERLIN taz ■ Auch in diesem Jahr wird die Zahl der Neuinfizierungen mit HIV in Deutschland steigen. Im ersten Halbjahr 2005 haben sich nach Angaben des Robert-Koch-Instituts 1.164 Menschen neu mit HIV infiziert – im gesamten Vorjahr waren es 2.058 Personen. Damit setzt sich im vierten Jahr ein Trend zu steigenden Neuinfektionen fort. Mit 48,8 Prozent bilden Männer, die Sex mit Männern haben, nach wie vor die größte Gruppe unter den Neuinfizierten, gefolgt von MigrantInnen aus den so genannten Hochprävalenzländern, also Ländern, in denen der Anteil infizierter Menschen an der Bevölkerung besonders hoch ist. Unter dieser Gruppe ist der Anteil von Frauen mehr als doppelt so hoch wie der der Männer.
Besonders betroffen sind die Metropolen, allen voran Berlin, Hamburg und München.
Über die genauen Ursachen des etwa 20-prozentigen Anstiegs der Neuinfektionen können auch die Forscher nur spekulieren. Wirklich gesicherte Angaben gibt es nicht, doch gehen sowohl das Robert-Koch-Institut als auch die Aids-Hilfen davon aus, dass nach Jahren der sorgsamen Prävention gerade junge Leute wieder mehr ungeschützten Geschlechtsverkehr haben als noch vor einigen Jahren.
Jens Ahrens von der Berliner Aids-Hilfe beobachtet auch, dass die Erfolge der antiretroviralen Therapie immer mehr jungen Leuten die Angst vor Aids nehmen: „Manche begreifen dann erst, wenn sie bei uns in der Aids-Hilfe auftauchen, was da jetzt auf sie zukommt, nämlich ein tiefer Einschnitt in ihrem gesamten Leben.“ Bei älteren homosexuellen Männern, die ihr ganzes Leben lang Safer Sex betrieben hätten, sei eine „Präventionsmüdigkeit“ zu beobachten. Tatsächlich sind die 25- bis 29-Jährigen und die 40-bis 49-Jährigen die am stärksten von Neuinfektionen betroffenen Gruppen.
Die Aids-Hilfen setzen daher auf eine Wiederbelebung der Aufklärungskampagnen, die unter dem Slogan „Gib Aids keine Chance“ seit den 80er-Jahren ganze Generationen Heranwachsender zu einem Bewusstsein für Safer Sex gebracht hatten.
Die MigrantInnen aus Hochprävalenzländern stellen auch für die Aids-Hilfen die größte Herausforderung dar – denn der Zugang zu diesen Personen ist oftmals schwierig, ihre medizinische Versorgung generell problematisch, ihr Aufenthaltsstatus meist ungeklärt, und Sexualität ist bei ihnen häufig tabuisiert, Die Aids-Hilfen fordern daher einen gesicherten Aufenthaltsstatus für HIV-Infizierte MigrantInnen in Deutschland.
BERND PICKERT
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