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Mine ignoriert Arbeiter- und AnwohnerrechteStrom aus schmutziger Kohle

Sind deutsche Energiekonzerne schuld an den miesen Arbeitsbedingungen einer kolumbianischen Mine? Ja, sagt die Organisation DanWatch: Denn sie verfeuern Steinkohle von dort.

Braunkohlekraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen: Wird hier vom Energiekonzern RWE Kohle aus der kolumbianischen Mine El Cerrejon verheizt? Bild: dpa

BERLIN taz | Für Peter Bengtsen ist es mehr als ein Verdacht: "Deutsche Energiekonzerne verwenden in ihren Kraftwerken Steinkohle aus der kolumbianischen Mine El Cerrejon." Bengtsen arbeitet bei DanWatch, einer unabhängigen Organisation, die beobachtet, wie und wo multinationale Unternehmen investieren und produzieren. Nach deren Informationen werden die Rechte der Anwohner und Arbeiter in El Cerrejon seit Jahrzehnten missachtet.

Dokumentiert hat DanWatch die Vorwürfe in der Broschüre "Der Fluch der Kohle" (zum Download als englischsprachige PDF-Datei verfügbar). "Unseren Recherchen zufolge hat Cerrejon dazu beigetragen, dass Anwohner der Mine gewaltsam und ohne Entschädigung ihr Eigentum und ihren Lebensunterhalt verloren", sagt Bengtsen. Belegt wird das durch Zeugenaussagen von Betroffenen, beispielsweise von Emilio Ramón Peréz Díaz, der bis 2001 in dem Dorf Tabaco nahe der Mine wohnte. Er schildert, wie "Polizei, Militär und bewaffnete Zivilisten" kamen und ihn aus dem Haus vertrieben, um es abzureißen.

El Cerrejon im Norden Kolumbiens ist der größte Steinkohle-Tagebau der Welt. Er gehört den Konzernen Anglo American, BHP Billiton und Xstrata. Dort abgebaute Kohle wird auch in Deutschland verwendet. So erklärt Eon-Sprecherin Julia Harms, das Unternehmen kaufe "jährlich durchschnittlich rund vier Millionen Tonnen aus Kolumbien, wovon ein großer Teil aus Cerrejon stammt".

Sebastian Rötters von der Menschenrechtsorganisation Fian hält es für "sehr wahrscheinlich, dass RWE und Vattenvall ebenfalls Steinkohle von dort beziehen". RWE-Sprecher Jürgen Frech will sich dazu nicht konkret äußern. Er betont, dass die "Geschäftsbeziehungen zu einzelnen Bergwerken vertraulich" seien. Und Vattenfall-Sprecher Steffen Herrmann erklärt, dass sein Unternehmen "zurzeit keine Kohle aus Cerrejon" kaufe.

Unabhängig von den konkreten Lieferbeziehungen ist das Thema "El Correjon" in der deutschen Energiewirtschaft aber bestens bekannt. So sagt Eon-Sprecherin Harms: "Im Mai 2010 haben wir ein Audit in den kolumbianischen Abbaugebieten einschließlich des Cerrejon-Bergwerks durchgeführt." Danach hätten die Betreiber der Mine einiges verbessert, einiges bleibe aber noch zu tun.

Diese Einschätzung teilt John Harker, Präsident der kanadischen Cape Breton Universität und Experte für Konfliktfälle in der Wirtschaft. Er handelte ein Abkommen zwischen den Anwohnern und dem Minenunternehmen aus. Inzwischen habe das Unternehmen alle zugesagten Entschädigungen ausgezahlt, sagt Harker. Allerdings habe es Tabaco noch nicht an anderer Stelle wiederaufgebaut, was auch Teil des Abkommens ist.

Laut Cerrejon-Vorstand Leon Teicher wartet das Unternehmen nur noch auf die Zustimmung des Gemeinderats: "Cerrejon hat die benötigten Grundstücke dieses Jahr gekauft." Bei anderen Dörfern gibt es allerdings bisher keine Umsiedlungsverfahren - die betroffenen Bauern müssen weiter warten.

Umstritten ist, ob das Unternehmen genug Anstrengungen unternimmt, die Umweltbelastung zu verringern. Aus der offenen Mine sowie von den riesigen Baggern und Lkws treibt ständig Staub über das Land. Dem Bericht von DanWatch zufolge berichten Arbeiter, Anwohner und Ärzte über häufige Fälle von Asthma und Lungeninfektionen. Atembeschwerden bei Kindern träten in der Nähe der Mine viermal häufiger auf als an anderen Orten der Region.

Cerrejon-Vorstand Teicher dagegen sagt, dass die Feinstaubkonzentration in der Luft den nationalen Grenzwert von 60 Millionstel Gramm pro Kubikmeter Luft im Tagesdurchschnitt nicht übersteige. DanWatch zitiert dagegen Zeugen, die die niedrigen Messwerte darauf zurückführen, dass die Regierung das Unternehmen warne, bevor Messungen stattfänden. Dann habe Cerrejon Zeit, die Gebiete rund um die Messstationen mit großen Mengen Wasser zu besprühen, um die Staubbelastung kurzfristig zu drücken.

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8 Kommentare

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  • WH
    Werner Huffer-Kilian

    Wer genau den Importanteil der Steinkohle nach Deutschland wissen will, kann dies in den Jahresberichten des Gesamtverbandes Steinkohle nachlesen: www.gvst.de Der Importanteil liegt für 2007 bei 67%, für 2008 liegt der deutsche Steinkohleanteil nur noch bei 30%. Importiert wird aus Russland, Polen, Südafrika, Australien, Kolumbien, USA/Kanada und Sonstige, ohne dass der Transport in die CO2 Bilanzen einberechnet wird.Im Jahre 2007 wurden 68 Mio t SKE (Steinkohleeinheit) verbraucht.

    Importiert wird, weil die Steinkohle, die dort im Tagebau abgebaut wird, viel billiger ist. Was der Abbau hinterlässt sind Mondlandschaften, die wir hier bei uns kennen, allerdings durch den Braunkohletagebau bei Garzweiler und in der Lausitz.

    Auch in El Cerrejón,Kolumbien wurden u.a. Dörfer zerstört:Media Luna musste 1980 dem Hafen weichen, Tabacco 2001 kämpft heute noch um den Wiederaufbau, die Wayuu-Indigenas protestierten heftig bis sie endlich gemäß des Gesetzes Gehör fanden, nach einer Europareise wurde ein Campesino bedroht, der auf die Situation aufmerksam machte.

    Kohle ist nicht nur Klimakiller (1 Tonne Braunkohle erzeugt auch 1 t CO2, 1 Tonne Steinkohle erzeugt 750 kg CO2, jeweils zur Erzeugung von 1 Kilowattstunde Energie), sondern der Abbau der Steinkohle bedroht auch die Menschen und ihre Rechte in den Abbaugebieten.

  • A
    Anton

    Der TAZ gehts nur um Stimmungsmache.

    Neurath wird mit Braunkohle befeuert.

    Wie wärs mit der Überschrift.

    "Papier für die TAZ kommt aus dem Regenwald."

  • A
    Alexander

    Eines ist aber sicher: In Neurath wird keine kolumbianische Kohle verfeuert. Das ist ein Braunkohlenkraftwerk und Braunkohle wird bekanntlich von RWE selbst zur genüge in Garzweiler, Hambach & Co. abgebaut. Steinkohlekraftwerke gibt es bei RWE bei Hamm, in Ibbenbüren und in Ensdorf im Saarland, außerdem in Großbritannien und den Niederlanden, ein großer Teil des Steinkohlestroms, den RWE verkauft, wird aber von Evonik Steag produziert.

  • KK
    Kai Kühnel

    Meines Wissens, und das bitte überprüfen, hat der Stadtwerkeverbund Trianel einen langfristigen Liefervertrag mit dieser Mine für die Kohlekraftwerke in Lünen und Krefeld.

     

    Das heißt nichts anderes als das mit Rückendeckung des Steuerzahlers (WestLB) diese Dinge geschehen.

     

     

    Sie können mich dazu anrufen. Mail -> Tel .

  • BH
    Björn Hens

    @Hamburgerx: Verhält es sich nicht ständig so? Seien es Palmölplantagen, Coltan-Abbau, Edelmetalle, Diamanten, Staudammprojekte... Und es ist naiv zu glauben, dass die Bunderegierung Interesse daran hätte dies zu ändern. Die Mehrkosten müsste man schließlich dem Volk erklären und dieses ist nicht bereit, mehr zu bezahlen. Ich empfehle als EInstieg das Schwarzbuch Markenfirmen. www.markenfirmen.com

  • S
    Sebastian

    Kohle ist Mist, Windkraft auch, Atomkraft ist nicht gut, Wasserkraft geht auch nicht, Solar ist zu teuer, Gas ist auch dreckig, wie wollte ich dann aber euren Strom haben?

  • H
    HamburgerX

    "Unseren Recherchen zufolge hat Cerrejon dazu beigetragen, dass Anwohner der Mine gewaltsam und ohne Entschädigung ihr Eigentum und ihren Lebensunterhalt verloren"

     

    Wenn es sich tatsächlich so verhalten sollte, sollte sich der Energiekonzern erklären und auch die Bundesregierung sollte diplomatischen Druck ausüben. Solche entschädigungslosen Enteignungen passieren sonst nur in Unrechtsregimen.

  • U
    Ulrich

    Im Braunkohlekraftwerk Neurath wird - wie der Name schon sagt - BRAUNkohle aus den angrenzenden Tagebauen verfeuert. Dass dort auch kolumbianische STEINkohle verfeuert wird halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Vielleicht sollten Sie die Bildunterschrift ändern oder gleich ein anderes Bild wählen.