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MietbetrugVertrauen für den Wucherer

Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) sieht wenig Handhabe, gegen überhöhte Mietforderungen an Hartz-IV-Empfänger vorzugehen. Die SPD wirft ihm Tatenlosigkeit vor.

Theoretisch ein Gegner falscher Forderungen: Sozailsenator Dietrich Wersich (CDU). Bild: dpa

Nachdem Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) jüngst Ambitionen auf das Bürgermeisteramt zumindest nicht ausgeschlossen hat, werden ihn die hartnäckigen Nachfragen der SPD zu dem mutmaßlichen Mietwucherer Thorsten Kuhlmann noch weniger froh stimmen. Diesem war im Oktober 2009 in einem Bericht des Obdachlosenmagazins Hinz & Kunzt vorgeworfen worden, Hartz-IV-Empfängern Wohnungen in desolatem Zustand und unter falschen Größenangaben zu vermieten.

In einer großen Anfrage wollte der SPD-Abgeordnete Dirk Kienscherf nun wissen, seit wann die Behörde Kenntnis davon hatte und wie sie künftig gegen solchen Mietbetrug vorgehen will. Pikant wird der Fall dadurch, dass Kuhlmann, gegen den die Staatsanwaltschaft inzwischen ermittelt, CDU-Mitglied und zum Zeitpunkt, als die Vorwürfe erstmals erhoben wurden, Mitglied der Deputation der Sozialbehörde war - ein Gremium, das den Sozialsenator berät.

Man habe den Bericht über die von Kuhlmann vermietete Wohnung für einen Einzelfall gehalten, heißt es aus der Sozialbehörde. Und der Sprecher von Team Arbeit Hamburg, Horst Weise, verweist darauf, dass "Kuhlmann sofort Zugeständnisse gemacht" habe. Einen Anlass für weitere Nachforschungen sah man nicht. "Es gab keine Verdachtsmomente", sagt die Sprecherin des Sozialsenators, Julia Seifert.

Aktiv wird man bei Team Arbeit Hamburg erst nach weiteren Medienberichten im Februar dieses Jahres. Daraufhin forderte Team Arbeit Hamburg möglicherweise betroffene Mieter auf, sich zu melden.

Bei den Verdachtsfällen, so Sprecher Weise, hätten aber rund 60 Prozent keinen Zugang zu ihrer Wohnung gewährt - und damit eine Strafanzeige verhindert. Festgestellt wurden laut Senatsantwort 107 Fälle von Mietbetrug, inzwischen hat Team Arbeit Hamburg Strafanzeige gegen drei Vermieter gestellt, gegen drei wurde Zivilklage eingereicht. Außerdem übernimmt die Sozialbehörde nun die Beiträge für die Mitgliedschaft in Mietervereinen.

Wie viele Wohnungen der inzwischen von allen Ämtern zurückgetretene Kuhlmann an Hartz-IV-Empfänger vermietet hat, ist der Behörde nach wie vor unbekannt. Unklar ist bislang auch der Umfang der finanziellen Forderungen - unangenehm für den Sozialsenator, der Ende 2009 gefordert hatte, den Anstieg der Sozialleistungen "so gering wie möglich" zu halten.

Sowohl Behörde als auch Team Arbeit Hamburg betonen, dass sie nur begrenzte Handhabe bei Mietwucher hätten, da der Gesetzgeber ausdrücklich ein eigenständiges Mietverhältnis zwischen dem Leistungsbezieher und dem Vermieter wünsche. Horst Weise, der Sprecher von Team Arbeit Hamburg lässt zudem anklingen, dass die Auswahl an potenziellen Vermietern für die Hartz-IV-Empfänger begrenzt sei. Die Stadt wiederum habe sich seinerzeit bewusst dafür entschieden, selbst für ihre Unterbringung zu sorgen.

Derweil pocht SPD-Mann Kienscherf weiter darauf, dass der Senator wenn nicht die formale, so die politische und moralische Verantwortung für das Deputationsmitglied Kuhlmann gehabt habe. Das weist die Behörde zurück. Unterdessen hat der NDR einen weiteren Fall von Mietwucher bei Hartz-IV-Empfängern aufgedeckt.

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1 Kommentar

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  • RB
    Rainer Brase

    Dass Herr Wersich nun auch noch Ambitionen auf das Bürgermeisteramt in Hamburg anmeldet, nachdem er ja schon als "Sozial"-Senator eine äußerst dubiose Rolle gespielt hat, ist schon ein starkes Stück. Bleibt nur zu hoffen, dass die CDU-Basis mal aus Ihrem Tiefschlaf erwacht und diesem Schwindel ein Ende macht. "Christlich" und "sozial" muss ja kein Gegensatz sein und macht sich letztlich nur am Handeln fest. Es geht hier auch nicht um Almosen, sondern es geht um das Recht der Menschen (und nicht nur der reichen Menschen in Hamburg) auf eine angemessene Wohnung zu einem bezahlbaren Preis.

    Jetzt will man für die Betroffenen die Beiträge zum Mieterverein übernehmen. Na, wenn da man nicht schon der nächste Beschiss lauert. Die Rechtsschutzversicherung des Deutschen Mieterbundes(DMB), dem der Mieterverein zu Hamburg angeschlossen ist, hat nämlich keinerlei Verpflichtung, die Prozesskosten für die Betroffenen zu tragen. Ohnehin muss man erst eine mindestens 3-monatige Mitgleidschaft nachweisen können, bevor der Rechtsschutz greift. Aber auch danach liegt es im Ermessen der Rechtsschutzversicherung, ob sie eintritt, oder nicht. Die Entscheidung darüber kann auch erst nach Prozessende gefällt werden. Das geht dann so: Wurde der Prozess gewonnen, tritt die Rechtschutzversicherung ein, weil dann zahlt ohnehin der Unterlegene. Wurde der Prozess verloren, oder nur zum Teil gewonnen, kann die Rechtschutzversicherung die Kostenübernahme davon abhängig machen, dass der Betroffene ein Mandat für die nächste Instanz erteilt usw. Mit etwas Glück kriegt der Betroffene das abschließende Urteil noch zu Lebzeiten in der Nervenheilanstalt zugestellt. Gewinner sind auf jeden Fall die Gerichte und die Rechtsanwälte in diesem Spiel. Herr Kuhlmann kann also beruhigt in den Urlaub fahren. Das System-CDU sorgt schon dafür, dass er nichts zu befürchten hat.