SASCHA ZASTIRAL ÜBER DIE VERHEERENDEN ANSCHLÄGE IN PAKISTAN: Irrwitzige Strategie der Generäle
Zum zweiten Mal binnen wenigen Wochen haben Attentäter in der westpakistanischen Stadt Quetta Dutzende Menschen getötet. Im Januar starben bei Explosionen in einer Billardhalle mehr als 90 Menschen. Am Samstag tötete ein gewaltiger Sprengsatz in einem Geschäftsviertel mindestens 84 Menschen. Beide Male waren die Opfer Mitglieder der überwiegend schiitischen Hazara-Ethnie. Seit einigen Jahren gibt es in Pakistan immer öfter schwere Anschläge auf Schiiten. Dass es so weit kommen konnte, ist die Schuld des pakistanischen Sicherheitsapparats.
Bereits in den 1980er Jahren haben Pakistans Armee und der Geheimdienst ISI begonnen, militante Gruppen zu unterstützten: Der ISI unterstützte (mit Schützenhilfe aus Washington) die Mudschaheddin bei ihrem Kampf gegen die Sowjets in Afghanistan. In den 1990ern finanzierte der ISI militante Gruppen, die in den indischen Teil Kaschmirs eindrangen und sich dort einen blutigen Krieg mit indischen Sicherheitskräften lieferten. Bereits in den 1980ern hatte Pakistans Sicherheitsapparat begonnen, radikale antischiitische Gruppen zu unterstützten. Die islamische Revolution im Iran 1979 hatte bei Pakistans Machthabern die Sorge vor einem ähnlichen Aufstand der Schiiten in Pakistan geschürt. Mitte der 90er Jahre ging aus einer früheren, vom Staat unterstützten antischiitischen Gruppe die Terrorgruppe Lashkar-e-Jhagvi hervor, die sich zu dem Anschlag am Wochenende bekannt hat.
Pakistans Sicherheitsapparat hat offensichtlich die Kontrolle über viele der militanten Gruppen verloren, die er zu kontrollieren und als Schachfiguren einsetzen zu können geglaubt hat. Die Leidtragenden sind die vielen Terroropfer. Sie zahlen den Preis für die irrwitzige Strategie von Pakistans Generälen, militante Gruppen als Stellvertreter einzusetzen.
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