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Armutsfalle MikrokrediteSelbstmord wegen 25 Rupien

Das Geschäft mit Mikrokrediten boomt. Sie sollen aus der Armut helfen. Doch für viele Frauen in Indien sind sie zur Armutsfalle geworden.

Mikrokredite für kleine Unternehmen sind begehrt, aber die Zinsen liegen teilweise bei 25 Prozent. Bild: dpa

DELHI taz | Erramma ist weggelaufen. Die Weberin konnte ihren Mikrokredit nicht zurückzahlen. Sie lebt jetzt nicht mehr im alten Weberviertel von Uravakonda, einer ländlichen Kleinstadt im südindischen Bundesstaat Andhra Pradesh, und webt keine bunten Baumwolltücher mehr. "Gestern war sie noch einmal hier", erzählt ihre bisherige Nachbarin Rashida Begum, die wie alle hier in einem kleinen einstöckigen Betonhaus mit Webschaukel wohnt.

Erramma war am Vortag zurückgekommen, um sich ihre Witwenpension auszahlen zu lassen. Doch sie kam nicht weit. Die Mitglieder ihrer Selbsthilfegruppe, mit denen sie vor ein paar Monaten einen Mikrokredit aufgenommen hatte, kamen zu ihrem Haus gelaufen, schrien und schlugen auf Erramma ein. "Da ist sie schnell wieder weggerannt", sagt Begum.

Errammas Fall ist typisch für die heraufziehende Krise im Mikrokreditwesen. Die Branche ist eine der wenigen Finanzindustrien, die noch nicht von der globalen Finanzkrise in Mitleidenschaft gezogen wurde. In Indien wächst die Industrie derzeit nach Branchenschätzungen um 80 bis 100 Prozent pro Jahr. Mikrokredite gelten hier als sattelfest, weil die armen Leute bisher immer brav zurückzahlten. Das Land ist der größte Markt für Mikrokredite der Welt. Nach Angaben der US-Bank Citigroup nutzen inzwischen 70 bis 80 Millionen Inder Kleinstkredite. Doch das schnelle Wachstum droht nun zum Keim der Krise zu werden. Branchenexperten warnen, dass Indiens viele neue Mikrofinanzinstitute ihre Kredite zu leichtfertig vergeben und Millionen Arme in die Schuldenfalle stürzen könnten. Wie schnell das geht, hat Erramma gerade erlebt.

Mikrokredite

Die Nobelpreisidee: Mikrokredite sind ein populäres Instrument der Armutsbekämpfung - spätestens seit 2006 der Ökonom Muhammad Yunus und die von ihm gegründete Grameen Bank aus Bangladesch den Friedensnobelpreis bekamen. Im Unterschied zu klassischen Bankkrediten basieren Kleinkredite auf der Annahme, dass auch arme Menschen unternehmerisch handeln können und grundsätzlich kreditwürdig sind. Der Mikrofinanzsektor, der die Armen, aber nicht die Allerärmsten erreicht, ist in den vergangenen Jahren rapide gewachsen. Heute haben weltweit etwa 100 Millionen einen Mikrokredit, doch wird das Potenzial auf eine Milliarde Kreditnehmer geschätzt. Mikrokredite werden meist an Frauen vergeben, weil diese zuverlässiger und vorsichtiger als Männer sind.

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Die Kommerzialisierung: Inzwischen haben auch traditionelle Banken Mikrokredite entdeckt und lösen zunehmend Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und Entwicklungshilfegeber als Finanziers ab. Denn die Kleinkredite haben nicht nur ein positives Image, sondern auch eine sehr geringe Ausfallrate und eine größere Unabhängigkeit von Wirtschaftskrisen.

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Der Börsengang: Der größte indische Mikrokreditfinanzierer, SKS Microfinance, geht jetzt sogar an die Börse. Bis zu 271 Millionen Euro soll der Börsengang bringen, erklärte die im südindischen Hyderabad angesiedelte Bank, die 2003 gegründet wurde und in 19 indischen Bundesstaaten mehr als 2.000 Filialen betreibt. Die Zeichnungsfrist für 22 Prozent der Anteile von SKS Microfinance lief gestern Abend aus.

25 Prozent Zinsen

Erramma ist Witwe. Seit ihr Mann vor einem Jahr starb, bekommt sie eine Pension von 200 Rupien im Monat, 3,40 Euro. Davon kann sie nicht leben. Von der Webarbeit auch nicht. Die Textilindustrie steckt in Andhra Pradesh in der Krise. Erramma lebte zusammen mit ihrem Bruder und ihrer Schwägerin. Mit der und acht anderen Weberinnen tat sie sich zu einer Selbsthilfegruppen zusammen. 600.000 solcher Gruppen für die Mikrokreditaufnahme, die meist nur aus Frauen bestehen, gibt es allein in Andhra Pradesh.

Errammas Gruppe nahm einen Kredit über 10.000 Rupien auf, 170 Euro. Der Kredit war rückzahlbar über ein Jahr. Die Zinsen betrugen 25 Prozent: Viel im Vergleich zu den Sätzen regulärer Bankkredite, aber viel weniger als bei den Geldverleihern, bei denen die Weber von Uravakonda, denen keine Bank etwas gab, früher in der Not Kredit aufnahmen.

Jede Woche musste Errammas Gruppe 250 Rupien zurückzahlen, Erramma davon ein Zehntel: 25 Rupien, 42 Cent. Sie fand keine Arbeit und hatte im Monat nur ihre 200 Rupien Pension. Mit jeder Woche wurden die 25 Rupien Rückzahlung eine größere Belastung. Erramma fand keinen Ausweg. Ihre Nachbarin Begum macht sich Sorgen: "Viele Frauen in der Gegend nehmen diese Kredite. Dann können sie nicht zurückzahlen, laufen weg und begehen Selbstmord."

Der Ökonom Sanjay Sinha leitet MCRIC, die führende Ratingagentur für Mikrokredite in Neu-Delhi. Er schlägt Alarm: "In Indien und weltweit trägt das Mikrofinanzwesen heute die Charakterzüge der westlichen Finanzmärkte vor ihrem Zusammenbruch." Sinha rechnet vor, dass den später bankrotten Hausbesitzern in den USA Hypotheken im Wert von 120 Prozent ihres Eigentums eingeräumt wurden. "Auf dem Land in Indien aber bekommen die Bauern heute Kredite im Wert von 150 Prozent ihres Besitzes", sagt Sinha.

Er nennt auch den Grund dafür: "Das Mikrokreditwesen ist überhitzt. Bei 80 Prozent Wachstum will heute jeder in die Branche investieren. Die Mikrokreditinstitute sehen darin die große Chance, ihren Marktwert zu erhöhen. Doch um die neuen Investoren zu überzeugen, brauchen sie diese wahnsinnigen Wachstumszahlen. Also ist ihnen derzeit jeder zusätzliche Kredit recht, um die Bücher zu füllen."

Längst sind die Zeiten vorbei, in denen Mikrokredite eher ein Geschäftsfeld für Nichtregierungsorganisationen und gemeinnützige Stiftungen war. In Indien steigt derzeit ein Großkonzern nach dem anderen in die Branche ein. Im Juni war es Aditya Birla, ein großer Mischkonzern, davor der größte indische Mischkonzern Reliance und der Baukonzern Larsen & Toubro. Auch ausländisches Großkapital ist dabei: Über sein Joint Venture Bajaj Allianz Life Insurance hat die deutsche Allianz-Gruppe 2008 schon zehn Millionen Dollar in Indiens größtes Mikrokreditinstitut, SKS Microfinance, investiert.

Alle Großen kaufen sich bisher bei einem der privaten Mikrokreditinstitute ein, deren Zahl in Indien seit der Jahrhundertwende von 20 auf 300 geklettert ist. SKS Microfinance geht als erstes indisches Mikrokreditinstitut an die Börse. SKS gelang es, die Zahl seiner Kreditnehmer, meist Frauen in ländlichen Gebieten, innerhalb von drei Jahren auf 3,95 Millionen zu verzwanzigfachen. In der gleichen Zeit wuchs die Kreditsumme um das 18-Fache auf 240 Millionen Euro und die Gewinne stiegen um das 50-Fache auf 14 Millionen Euro.

"Die SKS-Aktie wird um das Zehnfache ihres Nennwertes erwartet", prophezeit Sinha. Er sieht eine unvernünftige Börseneuphorie in der Branche aufziehen und vergleicht sie mit dem Internetboom Ende der 90er Jahre. Ende Juni herrschte auf einer Investorenkonferenz in Neu-Delhi Jubelstimmung: "Mikrokredite werden in Indien mehr Kunden erreichen als das gesamte Bankwesen", freute sich etwa Robert Annibale, Mikrofinanzchef bei der Citigroup. Von heute 70 bis 80 Millionen Kunden sei der Sprung über die 200-Millionen-Marke des herkömmlichen Bankwesens in Indien bald machbar, so Annibale. Er vergleicht die Entwicklung mit dem Telekommunikationsbereich, wo Indiens über 300 Millionen Mobilfunknutzer längst die Zahl der Festnetzkunden übertrifft.

Doch Mobilfunkgeschäft und Mikrokreditvergabe sind für einen Graswurzelarbeiter wie Ramesh Babu in Uravakonda zwei Paar Schuhe. Handys haben noch keinen Armen in den Ruin getrieben, sagt er. Mikrokredite aber tun das aus Babus Sicht immer häufiger. Babu arbeitet für die Nichtregierungsorganisation Apmas, die Selbsthilfegruppen anleitet und bei der Kreditaufnahme berät. Früher war er mal ein Fan von Mikrokrediten, heute aber sagt er: "Die Nachteile überwiegen die Vorteile." Er weiß nicht, wie es Erramma jetzt ergeht, aber er hat viele Frauen gekannt, die Zahlungsschwierigkeiten in den Suizid trieben. "Andere laufen von ihren Kindern weg. Oder verkaufen alles, was sie haben, bis zum letzten Ohrring", sagt Babu. Im benachbarten Distrikt Guntur hätten ihm Kollegen von Frauen erzählt, die für die Rückzahlung von Mikrokrediten zur Prostitution gezwungen worden seien.

Babu kritisiert, wie die Mikrokreditinstitute rücksichtlos Druck auf die Selbsthilfegruppen ausübten, die dann unter sich mit brutalen Mitteln Rückzahlungsprobleme zu lösen versuchten. "Egal ob gerade Flut ist oder in der Familie ein Todesfall vorliegt, die Institute verlangen ihre wöchentlichen Rückzahlungen", sagt Babu. Wer dann nicht zahlen könne, den würde die Selbsthilfegruppe beschimpfen und demütigen, in Einzelfällen mit Steinen bewerfen oder an einen Baum binden. "Unter den Webern dieser Gegend ist das Rückzahlungsproblem so groß, dass man von einer Auswanderungsbewegung sprechen muss", sagt Babus Vorgesetzter Narayana Reddy, der das Regionalbüro von Apmas in Andhra Pradesh leitet. Ursache sei die viel zu leichte Verfügbarkeit der Kredite. Den Webern würden die Kredite hinterhergeschmissen, obwohl jeder weiß, wie sehr ihre Industrie krankt. "In Guntakal, einer kleinen Stadt mit 150.000 Einwohnern, gibt es schon sieben Mikrofinanzinstitute", sagt Babu.

70 Prozent Wachstum

R. Jayasurya leugnet die Probleme nicht und spricht vom "Überengagement" mancher Institutsvertreter. Aber man dürfe die Probleme nicht ständig "unter der Lupe betrachten", sagt der Chefmanager des führenden Mikrokreditinstituts Asmitha in Andhra Pradeshs Hauptstadt Hyderabad. Er ist seit 20 Jahren im Geschäft tätig und zählt zu den Pionieren der Branche. Unter Jayasura arbeiten heute 4.000 Angestellte. Aus seiner Sicht hat die Branche mit 70 bis 80 Millionen Kunden erst ein Zehntel ihrer möglichen Reichweite abgedeckt. "Die Nachfrage ist riesig", sagt Jayasurya, deshalb sei noch über Jahre 60 bis 70 Prozent jährliches Wachstum realistisch.

Vor allem müssten die Institute größer werden, um die hohen Zinsen senken zu können. Deshalb begrüßt er auch die Investitionen der Großanleger. Bisher würden die Mikrofinanzinstitute ihr Geld bei den Banken aufnehmen und darauf selbst 12 Prozent Zinsen zahlen. So kämen dann Zinssätze für die Endkunden von 25 Prozent zustande. Würden sich die Mikrokreditinstitute aber selbst über Börse und Großanleger finanzieren, könnten sie vergleichbare Sätze wie normale Banken anbieten.

Schadet oder nutzt das Wachstum der Mikrokredite also Frauen wie Erramma? Ratingagenturchef Sinha bleibt hart: "Alle in der Branche werden ihre Lektionen lernen müssen." Für Erramma könnte das eine Lektion zu viel sein, wenn sie wie andere Frauen in ähnlicher Lage Selbstmord begeht. Wegen 25 Rupien pro Woche, die sie nicht hat.

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25 Kommentare

 / 
  • EO
    Edith Ort

    Mikrokredit ist nicht gleich Mikrokredit.

    Ich habe in EL Salvador in einer Mikrokredit-Bank gearbeitet und bin erstaunt wie viel Unwissen es darüber gibt. Zu einem Mikrokredit gehört immer eine Existenzgründungs-Begleitung. Mikrokredite die von Grossbanken vergeben werden haben die indische Situation zur Folge. Bei Dr. Yunus, dem Begründer, geht es nicht um reine Profitgier sondern um Armutsbekämpfung. Die Kredite werden mit Bedacht vergeben und es findet eine wöchentliche soziale Unterstützung der Kreditnehmer untereinander statt. Um Armut zu vestehen, muss man sich vor Ort umsehen. Grossbanken sind hier fehl am Platz.

  • K
    k.m.

    Einwandfreie kapitalistische Logik:

     

    "Ursache sei die viel zu leichte Verfügbarkeit der Kredite. Den Webern würden die Kredite hinterhergeschmissen, obwohl jeder weiß, wie sehr ihre Industrie krankt."

     

    Den Leuten geht es also dreckig, und deshalb soll Ihnen erst recht nicht mit einem Kredit "geholfen" werden. Sollen doch sehen, wo sie bleiben...

  • M
    Mitsushige

    Ein ausgezeichneter Artikel, liebe taz! Unbedingt weiter so machen.

  • B
    bobby

    also so wie ich das sehe werden mit diesen mikro-krediten 2 fliegen mit einer klappe geschlagen. erstmal bekommen die banken durch die hohen zinsen den betrag evtl zur gänze rein den sie verliehen haben. ein paar wochen wird jede frau arbeiten und brav zurückzahlen. somit sind mal die ausgaben gedeckt. alles was mehr reinkommt ist gut.

     

    wenn die frauen jedoch keinen ausweg mehr finden töten sie sich. kommt einer bekannten agenda zugute die ja den co2 verursacher no.1 dezimieren will.

     

    und eine tote frau kann keine kinder mehr zeugen. was frauenmangel im laufe der zeit bewirken kann wurde ja mal im land der aufgehenden sonne mal ersichtlich.

     

    und eine familie bzw kinder ohne mutter werden es in indien verm auch nicht leicht haben. somit hat man mit solch einem tollen finanzprodukt mal gleich ne ganze familie platt gemacht.

  • J
    jullwer

    Mein urspruenglicher Kommentar, ich hatte ihn nicht richtig abgeschickt...

     

    @ mara, Herrn Dr. Ruhemann und Herrn Schindler:

    Herr Schindler, dieses augenoeffnende Feature habe ich auch gehoert. Es ist wirklich schwierig, gegen dieses Luegenkonstrukt anzugehen. Denn wer will schon einem solch toll klingenden Konzept oder gar einem Friedensnobelpreistraeger widersprechen?

     

    Prof. Yunus ist sozusagen selig gesprochen worden und dass man diesem modernen Heiligenschein nur allzuschnell vertraut, zeigen einige Kommentare unter diesem Artikel. Auch ich habe immer gedacht, dass klassische Mikrokredite eine Chance fuer die angehenden Kleinstunternehmer darstellen koennten. Es ist aber gerade nicht so, dass alle Mikrokredit-Neueinsteiger boese sind und die Grameen-Bank der Wahrer der Kredit-Ethik.

     

    Prof. Yunus' Konzept generiert einen toedlichen Druck, die Kredite puenktlich zurueckzuzahlen - auf die Kreditgemeinschaften und somit auf die einzelne Kreditabhaengige. Traditionell funktionierende soziale Netzwerke werden dadurch zerstoert.

     

    Und deshalb ist es, Herr Dr. Ruhemann, geradezu zynisch, den Ueberschuldeten weitere Kredite anzudrehen. Unzaehlige Frauen verschulden sich so bei mehreren Instituten, bis sie alles verloren haben und dem Druck nich mehr standhalten koennen. Dann heisst es "Einzelschicksal, weitermachen!". Nachhaltige Hilfe koennen nur ZINSLOSE Kredite bewirken. Aber die sind natuerlich fuer Banken absolut uninteressant.

     

    Hier eine vielversprechende Idee aus Brasilien, eine Kombination aus Regionalwaehrung und zinslosem Mikrokredit, die die wirtschaftliche Lage vor Ort nachhaltich verbessert und nicht nur konserviert: http://derscheintruegt.com/Mikrokredite.html

  • J
    jullwer

    Nachtrag:

     

    Man kann das Feature, das Herr Schindler angesprochen hat, beim DLF nachhoeren!

    Kostenlos als MP3 oder Flash. Hoffentlich sind bei der taz Links erlaubt...

     

    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/dasfeature/1204005/

     

    http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2010/07/20/dlf_20100720_1915_42155b72.mp3

  • M
    mara

    Natürlich können Mikrokredite auch Schaden anrichten.

    Vor allem dann, wenn Profitgier im Spiel ist.

    Und selbst bei ausgereiften Mikrokreditkonzepten, für das ich das Konzept der Grameen Bank im übrigen halte, kann man sicher nicht immer ausschließen, dass es auch in Einzelfällen Verlierer gibt. Dennoch sollte man das auf keinen Fall pauschal aburteilen. Ich halte Mikrokredite und ganz allgemein Mikrofinanzen dennoch für sehr vorteilhaft und empfehle jedem, der sich intensiver damit auseinander setzen will, mit welchen 'Finanzproblemen' Arme tatsächlich kämpfen das Buch von D. Collins et al: Portfolios of the Poor. How the Poor survive on 2 $ a day.

    Ein wirklich empfehlenswertes Buch, das nicht von einer Mikrokreditorganisation geschrieben wurde. Ein Team von Wissenschaftlern untersucht in Indien, Bangladesh und Südafrika, die Einkommens- und Ausgabenströme der Ärmsten.

    Mir hat es wirklich geholfen zu verstehen, warum es so wichtig ist, ein Finanzsystem zu entwickeln, welches die Armen auch tatsächlich einbindet!

  • G
    gummiboOT

    Die Allianz hat auch in diesen Sektor investiert. Die haben es nötig, bei den Ärmsten der Armen abzukassieren, ist das widerlich.

  • M
    Martin_M

    Habe selber Erfahrung mit den Philippinen. Solange Zinsen im Bereich von 25% verlangt werden, kann es nicht funktionieren. Ein gutes Geschäft bringt ca. 10-12% Gewinn. Wenn man dann auch noch davon leben muss bleibt nicht mehr viel. Höhere Profite sind eigendlich nur mit Drogenhandel oder Prostitution zu erwirtschaften. Immerhin ist ein Jahreszins von 25% immer noch besser als 1,5% pro tag, die ich schon bei philippinischen pawnshops gesehen habe.

  • N
    Niederländer

    Jede Kreditvergabe, egal wie genannt, ist an einem Punkt zum Scheitern verurteilt. Hilfe zur Selbsthilfe geht nur mit Geld, dass ich nicht brauche und jemandem zur Verfügung stellen kann, zinnslos. Alles andere ist Gewinnmaximierung im Wohltatenmäntelchen.

     

    P.s.: Es sind schon bei jeder Bank Funds zu bekommen, die in das Mikrokreditsystem eingestiegen sind und über 10% abwerfen. Das spricht für sich!!

  • C
    Carsten

    Mir war es gleich verdächtig, dass man als Kreditgeber - egal wie lauter die Absicht auch sein mag - einen Friedensnobelpreis erhält! Ich sehe darin einen Auswuchs des Neoliberalismus, der außer "unternehmerischem Denken" keine Lösung anzubieten hat.

  • M
    Melanie

    @Manuel:

    Kiva berechnet den Darlehensnehmern vor Ort auch Zinsen um die dortigen Kosten zu decken.

  • N
    Nikolai

    Ich selbst war jahrelang KIVA-Mitglied. Kiva selbst verlangt keine Zinsen, aber die field-Partner vor Ort sehr wohl. Bin bei Kiva ausgestiegen nachdem sie auch anfingen "Mikro"kredite in der 1.Welt (USA!) zu vergeben. Kiva hat aus meiner Sicht ihre Gründungsphilosphie aufgegeben und will nur noch Wachstum um jeden Preis.

     

    So toll war mein Ergebnis bei Kiva nicht, hatte einen fast zweistelligen Prozentsatz an Ausfällen über die Jahre.

     

    Wenn ich noch einen Mikrokredit vergeben würde (im Moment bin ich da nirgends mehr aktiv) dann strikt ohne Zinsen

  • DH
    Dr. Heinrich Ruhemann

    Wo viel Geld zusammenkommt, da ist die Gier nicht weit. Schlimm ist, dass solche Artikel dazu beitragen, das gsanze Mikrokreditwesen in Misskredit zu bringen. Dabei ist es hier wie überall: Der Misskredit kommt vom Missbrauch! - Der Erfinder der Mikrokredite, Prof. Yunus und seine Grameen Bank achten immer darauf, dass keine Kredite vergeben werden, die sich nicht zurückzahlen lassen. Und bei Flutschäden werden neue Kredite bereitgestellt, die mit den alten zurückgezahlt werden.

  • L
    lupo

    Womit mal wieder klar ist: Ein kreditbasiertes Finanzsystem funktioniert nicht, egal ob das jetzt Billionen oder nur ein paar Rupien sind. Es ist ein Pyramidenschema, und nur wer oben steht, profitiert auf Dauer.

  • L
    Lichtgestalt

    Das grünlinke Image des Mr. Yunus als "Retter der Armen" ist unglaubwürdig. Spätestens als er empfahl, Sozialleistungen nur noch auf Kredit zu vergeben. So einer wäre gar für die FDP zu rechts.

  • R
    ralf

    Große, gerade börsennotierte Firmen müssen mit oberster Priorität nach Gewinnmaximierung streben. Wir sehen überall, dass das erstens auf Kosten der Kunden, Mitarbeiter und der Umwelt geschieht, und dass zweitens das Geschäftsmodell nur eine kurze Zeit funktioniert und dann platzt. Gier wird nicht umonst als "Todsünde" bezeichnet, sie führt einfach unweigerlich in's Verderben.

     

    Schade für diejenigen nichtkommerziellen Organisationen, die mit der Idee der Mikrokredite wirklich bedeutsames für die Entwicklung in den ärmsten Ländern geleistet haben. Ich fürchte, die müssen später ausbaden, was die Großen nun versauen.

  • K
    Kredithau

    Zitat: "In der gleichen Zeit wuchs die Kreditsumme um das 18-Fache auf 240 Millionen Euro und die Gewinne stiegen um das 50-Fache auf 14 Millionen Euro."

     

    Zitat: "Bisher würden die Mikrofinanzinstitute ihr Geld bei den Banken aufnehmen und darauf selbst 12 Prozent Zinsen zahlen. So kämen dann Zinssätze für die Endkunden von 25 Prozent zustande.".

     

    *Irgendwas* reimt sich hier nicht so ganz zusammen, meiner usncheinbaren Meinung nach.

  • V
    Vincent

    @Interpretator:

    Das diese "Lösung" auch nicht funktioniert, ist hinglänglich bewiesen. Der Mensch ist in letzter Instanz doch ein Egoist, Neider und Individualist, der von Gleichheit träumt und redet aber angefangen im Kleinen, gegenteilig handelt.

  • HS
    Hannes Schindler

    Nachdem wir bereits vor über 15 Jahren sehr schlechte Erfahrungen mit Kleinkreditvergabe in Ostafrika gemacht haben (selbst bei sorgfältiger Auswahl konnte nur in Einzelfällen der für die Rückzahlung notwendige Profit gemacht werden, ansonsten war die Rückzahlung eine Belastung der Familien in Konkurrenz mit anderen zum Teil lebensnotwendigen Ausgaben), waren wir verwundert wie toll das bei anderen angeblich funktionieren sollte. Nach Oxfoam, Berichten in den jungen Welt und Deutschlandfunk nun endlich, endlich sehr verspätet auch eine Kritik in der taz. Danke!

     

     

    vgl. Feature Märchenbank, Di., 19.15, Deutschlandfunk

    Die Grameen-Bank vergibt Mikrokredite, ist angeblich ein soziales Projekt und zahlt deswegen in Bangladesh keine Steuern. Ihr Gründer Muhammad Yunus erhielt 2006 dafür den Friedensnobelpreis – Applaus auch aus Konzern- und Bankzentralen. Vor allem Frauen erhalten die Kredite – 30 Millionen allein in Bangladesh. Ein früherer Grameen-Manager erklärt: Sie sind zumeist Analphabetinnen und leichter lenkbar als Männer.

    Zahlen sie nicht, werden sie von Grameen-Trupps »motiviert«, d. h. beschimpft und erpreßt.

     

    Dorfgemeinschaften spalten sich in ordentliche Zahler und nichtordentliche – das sind Dreiviertel aller Schuldner (innen). Sie geraten mit ihren Familien in lebenslanges Elend, Selbstmorde häufen sich. Ein ausgezeichnetes Feature über gewöhnlichen Kapitalismus.mmentar hier eingeben

  • S
    Sebastian

    Das Problem ist doch hausgemacht. Bei so einer enormen Bevölkerungsanzahl bleiben Probleme nicht aus. Aber die Maoisten versuchen ja durch ihre bombige Art die Leute dort mit dem Kommunismus zu beglücken.

  • T
    Thomas

    In der Regionalförderung der EU ist der Höchstbetrag den ein Land bekommen kann auf vier Prozent des BIPs festgelegt. Mehr Geld könnte in einem Land gar nicht sinnvoll verteilt werden, so die Annahme.

     

    Was, wenn diese Annahme auch auf Mikrokredite anzuwenden ist? Also nur ein Bruchteil des möglichen Marktes auch wirklich von diesen Krediten profitieren kann, während andere dies zurzeit nicht können.

     

    Natürlich kommt die Frage hinzu, was eine Bank für ein Geschäftsmodell hat. Geht es nur darum Geld zu verdienen oder geht es darum Entwicklungspotenziale der Kreditnehmer zu aktivieren.

  • I
    Interpretator

    Bei solchen Berichten kommt bei mir immer Sympathie für kommunistische Lösungen auf.

  • S
    Susanna

    Es war mal ne wirklich gute Idee die funktioniert hat solange bis die kamen die nicht helfen sondern selbst profitieren wollten wie fast immer und überall egal ob Mensch oder Natur damit zugrunde gerichtet werden.

     

    Ich denke der Kapitalismus ist einfach überholt aber so wie´s aussieht zerstört sich unser Wirtschaftssystem sowieso bald selbst.

  • M
    manuel

    es gibt doch kiva.org soweit ich weiss wollen die keine Zinsen. Bin dort seit einigen Jahren Mitglied und habe bisher alles zurück bezahlt bekommen. Trotzdem müssen natürlich auch die seriös prüfen ob der Kridit überhaupt nötig ist.

     

    Vielleicht ist es auch so das bei NGOs die Verwaltung einfach zu wenig effizient ist um so viele Kreditnehmer zu verwalten?

     

    Also wenn Mikrokridite dann Kiva :)