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DiskriminierungSicherheitsrisiko Ehefrau

Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Elmshorn über die Entlassung des Ingenieurs Maik Blase beim Militär-Zuliefer Autoflug wegen der Ehe mit einer Chinesin.

Foto aus glücklichen Tagen: Maik Blase und seine Frau Aiwu bei ihrer Hochzeit. Bild: privat

Autoflug-Personalchef Paul Guthunz windet sich im Saal 1 des Elmshorner Arbeitsgericht. Dort geht es am Dienstag unter großem Medieninteresse im Gütetermin um den Ingenieur Maik Balse, der entlassen wurde, weil er seine langjährige chinesische Freundin Aiwu Wang geheiratet hat. "Der Arbeitsplatz ist weggefallen, wegen einer Umstrukturierung", versucht Guthunz "betriebsbedingte Gründe" vorzuschieben. "Ich sehe schon Diskriminierungsmerkmale", erwidert Arbeitsrichter Marc Homuth, "die die Kündigung in einem ganz anderen Licht dastehen lassen". Die Entscheidung fällt voraussichtlich am 3. November.

Maik B. ist - wie berichtet - seit Juni 2006 bei Autoflug in Rellingen im Kreis Pinnberg in der Musterprüfleitstelle und Konfigurationskontrolle über eine Leiharbeitsfirma als Ingenieur tätig gewesen. Autoflug produziert unter anderem Schleudersitze für die Luftwaffe. Im Betrieb ist seit 2007 bekannt, dass Blase mit der Chinesin Aiwu, die er in China kennengelernt hat, eine Beziehung hat. "Seitdem hab ich jeden Urlaub zusammen bei ihr verbracht", sagt Blase. Bei mehreren Reisen ist er auf Anraten seines Vorgesetzten bei der Sicherheitsbeauftragten von Autoflug vorstellig geworden. "Sie sah jedes Mal keine Probleme und wünschte sogar einen schönen Urlaub", sagt Blase. Ende 2009 trug Autoflug den Wunsch an Blase heran, ihn zum 1. Januar 2010 fest anzustellen. "Ich hatte zu diesem Termin aber schon Urlaub genommen, da ich über die Feiertage heiraten wollte", sagt Blase.

Daraufhin stellte ihn der Betrieb erst zum 1. Februar ein. Am 5. März ist Blase dann plötzlich "freigestellt" worden. Ihm wurde mitgeteilt, dass er durch seine Heirat zum Sicherheitsrisiko geworden sei, da er nun "erpressbar" sei, Informationen an den chinesischen Geheimdienst weiterzugeben. Der könnte ja seine Frau und die achtjährige Tochter in China als Druckmittel einsetzen. "Niemand hat sich jemals in China für meine Arbeit interessiert", kontert Blase. Selbst seine Frau wisse kaum, was er macht.

Woher die 180-Grad-Wende in der Unternehmens-Philosophie kommt, darüber kann nur spekuliert werden. Während der Militärische Abschirmdienst jegliche Einflussnahme auf taz-Anfrage dementiert, hat es nach taz-Informationen jedoch Anfang März eine Fortbildung des Landesamtes für Verfassungsschutz zum "vorbeugenden Sabotageschutz" bei Autoflug gegeben, die in Schleswig-Holstein durchaus üblich sind. Der zuständige IG Metall-Bevollmächtigte Uwe Zabel hat deswegen vom zuständigen Innenminister Klaus Schlie Aufklärung verlangt. Das Innenministerium gibt dazu bislang keine Auskunft.

Inzwischen ist der freigestellte Blase zum 1. Oktober betriebsbedingt gekündigt worden, eine neu Eingestellte hat teilweise seine Aufgaben übernommen. Im Gütetermin findet es dann auch Richter Homuth "schon sehr merkwürdig", dass die Umstrukturierung erst nach der Freistellung Blases beschlossen worden ist. Darum könnte ein Verstoß gegen das AGG-Antidiskriminierungsgesetz vorliegen. Dabei reiche es aus, dass nicht bei Blase "ethnische Gründe" angeführt werden, sondern dass seine chinesische Ehefrau der Kündigungsgrund sei. "Meinem Mandanten geht es um den Arbeitsplatz", sagt Blases Anwalt Michael Tsalaganidis. Für Blase hängt auch das persönliche Schicksal vom Job ab. Denn Voraussetzung für den geplanten Zuzug seiner Frau Aiwu nach Hamburg, die zurzeit den notwendigen Deutschkurs absolviert, ist, dass Blase "stabile soziale Verhältnisse" vorweisen kann.

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