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SommerbiwakEin Fest mit Freunden

Während die Gäste der 1. Panzerdivision in Hannover einen "bunten Abend" feiern, Prosecco trinken und eine Hutmodenschau genießen demonstrieren vor dem Fest rund 400 Menschen gegen die Bundeswehr.

Eindeutig keine Freunde der Bundeswehr: Demonstranten vor dem Stadtpark Hannover. Bild: Ronny Keller

"Hier hauen sie das Geld raus und in Afghanistan haben sie nur Spielzeugpistolen", sagt ein Schaulustiger am Rande des Defilées und schüttelt den Kopf. Die Kritik des Mannes überzeugt nicht, doch gleichwohl haftet den heranströmenden Damen und Herren in ihren bunten Roben und schwarzen Smokings etwas von der Exaltiertheit eines englischen Pferderennens an. Zu Pferde sind an diesem sonnigen Samstag aber nur Polizisten, die die Gäste der 1. Panzerdivision der Bundeswehr vor den "Mörder"-Rufen der Gegendemonstranten abschirmen sollen, die in Sichtweite des Eingangs von Hannovers Stadtpark stehen.

Zum 37. Mal hat die wichtigste Interventionseinheit der Bundeswehr dorthin zu ihrem Sommerfest eingeladen. 5.500 Gäste folgten, darunter Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) und Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), Lokalprominenz, Unternehmer, Offiziere, Reservisten. "Ein Fest für Freunde", sagt Divisionssprecher Thomas Poloczek.

Freunde braucht man, besonders in schwierigen Zeiten. Spätestens seit dem Bombardement von Kunduz lehnt eine Mehrheit der Deutschen den Afghanistan-Einsatz ab. Dass nun bekannt wurde, dass auch die Bundeswehr in die gezielte Tötung führender Taliban verstrickt ist, dürfte die Skepsis verstärken. So kämpft die 1. Panzerdivision, die 2011 die Leitung des deutschen ISAF-Einsatzes übernehmen und rund 7.000 Soldaten nach Kunduz entsenden wird, auch um die öffentliche Meinung. Der "Sommerbiwak" ist ihre Offensive.

Linke protestieren

Sechs Landtagsabgeordnete und Ratsleute der Linkspartei aus Hannover mischten sich unter die Gäste des Sommerbiwaks.

Kurz vor Beginn der Eröffnungsrede zogen sie ihre Jacken aus und versuchten T-Shirts mit der Aufschrift "No War" zu zeigen.

Militärpolizisten führten die Politiker sofort ab und übergaben sie der Polizei.

Die Bundeswehr kündigte Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs an.

Zuvor hatten sich rund 30 als Biwak-Gäste verkleidete Kriegsgegner mit Kunstblut beschmiert und vor den Eingang des Festes gelegt.

"Als Parlamentsarmee handeln wir stets nur im Auftrag einer demokratisch legitimierten Mehrheit", schrieb der Divisionskommandant Generalmajor Markus Kneip in seinem Grußwort an die Gäste. Doch dies "erscheint in der politischen und medialen Auseinandersetzung bisweilen verwischt". Die Anwesenheit der handverlesenen Zivilisten beim Sommerbiwak sei deshalb eine "wohltuende Bestätigung" für die Soldaten und eine "Anerkennung und Unterstützung" für die Auslandseinsätze.

Genau dies zu verhindern haben sich rund 400 Demonstranten vorgenommen. Die Stadt hatte ihnen strenge Lärmschutzauflagen erteilt, ein Widerspruch dagegen wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Nun haben sie auf der Wiese vor dem Congress-Centrum eine Pappfigur mit Flecktarnanzug und zu-Guttenberg-Gesicht aufgebaut, die unter großem Johlen mit Farbeiern beworfen wird. Im Gras stecken weiße Holzkreuze, wie man sie auf amerikanischen Militärfriedhöfen findet. Gästen der Bundeswehr, die an der Kundgebung vorbeifahren, wird der Mittelfinger gezeigt. "Ihr erhebt das Glas auf die Bundeswehr und feiert die Normalität des Tötens", sagt ein Redner der "Roten Aktion Kornstraße". Und, "ein Jahr nach dem Massaker von Kunduz" sei dies "ein schäbiges Fest im Schatten des Todes". Die Patenschaft der Stadt Hannover mit der Division bestehe "nicht in unserem Namen". Am Rande der Abschlusskundgebung greift die Polizei einige Demonstranten heraus, entlässt sie jedoch nach Feststellung der Personalien wieder.

Drinnen im Park erfreuen sich derweil die Damen an einer Hutmodenschau, die Herren bewundern die neuesten Modelle des Volkswagen-Konzerns. Durch den Garten weht Zigarrenrauch, Burschenschafter mit bunten Schärpen laufen umher, an den Kreuzungen der Wege stehen junge Militärpolizisten mit Dienstpistolen im Gürtel. An Ständen wird Prosecco mit einem Erdbeerspieß für sechs Euro verkauft, daneben gibt es "Ochsenbrot mit einer Käseauswahl und Feigensenf". Bühnenaufbauten sind mit Tarnnetzen abgehängt, Schulkinder sammeln in Eimern Geld für das Soldatenhilfswerk, auf der Terrasse führt ein Zauberer Kartentricks vor. "Wir machen hier gleich einen bunten Abend", kündigt der Dirigent des Orchesters der Bundespolizei Hannover auf der Hauptbühne an. Dann gibt sein Orchester die "Tatort"-Titelmelodie zum Besten.

Zuvor hatte Ministerpräsident David McAllister das Fest eröffnet. Dabei kündigte er an, an der von seinem Vorgänger Christian Wulff (CDU) eingeführten Praxis festhalten zu wollen, die 1. Panzerdivision vor ihren Auslandseinsätzen mit einer Feierstunde im Landtag zu verabschieden.

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