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Kommentar AnlegerschutzVorbild Imbissbude

Beate Willms
Kommentar von Beate Willms

Mit dem neuen Anlegerschutzgesetz wird das eigentliche Problem nicht behoben: Weite Bereiche des Kapitalmarktes bleiben unreguliert.

W er eine Bratwurst kauft, kann erwarten, dass in der Pelle Fleisch steckt und dass das frei von Salmonellen ist. Er muss selbst kein Metzger und kein Fachmann für chemische Zusatzstoffe sein, sondern kann sich im Zweifel auf die staatliche Lebensmittelkontrolle verlassen. Wer aber Geld anlegen will und sich nicht mit dem Sparbuch begnügt, sollte besser Finanzwissenschaften studiert haben, um die angebotenen Anlageprodukte zu verstehen - und er sollte sich auch in juristischen Fragen auskennen, denn die gängigen Rechtsschutzversicherungen klammern Probleme mit Kapitalanlagen aus.

Jürgen Kiontke

Beate Willms ist Redakteurin im taz-Ressort Ökologie und Wirtschaft.

Mit dem neuen Anlegerschutzgesetz, über das die Bundesregierung derzeit streitet, wird das Problem nicht behoben, denn weite Bereiche des Kapitalmarktes bleiben unreguliert. Es fehlt der Ausbau einer unabhängigen Beratung. Zudem wird sich weiterhin niemand darauf verlassen können, dass er seine Rechte im Streitfall auch durchsetzen kann. Wirklich helfen würde nur, wenn der Schutz von privaten Kleinanlegern zu den Kernaufgaben einer Finanzaufsicht gemacht würde, die selbstständig agiert und überprüft, ob alle Regeln auch eingehalten werden - so, wie es bei Imbissen und Restaurants die Lebensmittelkontrolle macht.

An so etwas denkt die Bundesregierung jedoch nicht - und die öffentliche Empörung darüber bleibt aus. Bei vielen Menschen herrscht offenbar die Meinung vor: Wer auf fette Rendite schielt, muss sich eben ordentlich informieren. Dabei sind Geldanlagen kein Luxusproblem von Bessergestellten: Auch Gering- und Normalverdiener müssen sich um Riesterrenten kümmern, ihre Altersvorsorge organisieren oder wollen ihr bisschen Geld einfach vernünftig investieren, ohne große Risiken einzugehen.

Geraten verdorbene Lebensmittel in den Handel, ist der öffentliche Skandal groß. Wenn dagegen Geldanlagen platzen, stehen am Ende nur die Betroffenen als die Dummen da. Das darf der Staat nicht weiter zulassen.

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Beate Willms
Ressortleiterin Wirtschaft und Umwelt
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2 Kommentare

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  • NM
    Nur mal so...

    Das mit der Imbissbude ist gar nicht so schlecht!

    Wenn sich der "mündige" Verbraucher bei der Kapitalanlage so verhalten wie an der Imbissbude dann wäre sicher viele anders.

    Wenn auf einer Imbissbude stehen würde "Eine Curry mit Pommes für 20 Cent" dann würde sich jeder fragen wo der Haken ist.

    Bei 30 % Zinsen pro Jahr fragen sich offenbar nicht so viele.

  • RS
    Rainer Stieber

    Der Kommentar enthält mehr Wahrheiten, als Frau Willms wohl selbst vermutet. Der zugehörige Artikel heute in der taz zeigt zwar einige Themenfelder auf, doch sollte man über die vorgeschlagenen Lösungen nochmals nachdenken.

     

    Der Vergleich mit der Imbissbude ist gut, weil er darauf hinweist, dass es bislang nur ein Behördensystem in Deutschland gibt, dass effektiven Schutz bietet, die Gewerbeämter.

    Als es um die Registrierung und Gewerbeerlaubnis für die Versicherungsvermittler ging, hat die Bundesregierung seinerzeit entschieden, nicht die BaFin mit dieser Aufsicht zu betrauen, sondern die Gewerbeämter. Der Grund war, dass die BaFin und Ihre Vorgängering das Bundesaufsichtsamt für Versicherungen keine einzige Gewerbeuntersagung ausgesprochen haben. Alle Berufverbote kamen von Gerichten in Verbindung mit Strafverfahren.

    Vor diesem Hintegrund wird deutlich, warum Herr Brüderle die Gewerbeämter präferiert.Die funktionieren offenkundig besser als der Apparat BaFin, der bislang nicht verhindert hat, trotz zahlreicher Befugnisse.

     

    Und die Frage nach der Qualität der Beratung wird mit Sicherheit nicht durch die Honorarberatung gelöst werden können. Zunächst muss man festhalten, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Qualität der Beratung und der Frage der Vergütung gibt. Dies haben wir in unserer sehr umfassenden Studie Qualitätsaudit 2010 - Versicherungsvermittlung belegt. Die Honorarberatung ist finanziell nur bei größeren Anlagebeträgen interessant. Bei laufenden Zahlungen ist die Honorarberatung bei einer vorzeitigen Beendigung in aller Regel in den ersten 5 Jahren finanziell schlechter für den Verbraucher als die verschiedenen Provisionsmodelle. Wie wir in unserer Studie belegt haben, werden sich ca. 50% der deutschen Haushalte eine Honorarberatung zur Altersvorsorge nicht leisten können.

     

    Außerdem sollte man nicht nur den Fokus auf die Beratung bei Abschluss eines Vertrages legen. Genauso wichtig ist aus der Sicht des Kunden die Betreuung. Hier zeigt das Modell der Honorarberatung zur Zeit Schwächen.

     

    Qualität in der Beratung und Betreuung wird nach meiner Erkenntnis auf Sicht nur dann möglich sein, wenn die Einstellung des Beraters und seines Dienstherren die richtige ist und die finanziellen Ressourcen vorhanden sind, die Qualität sicherzustellen. An letzterem sehe ich die die Schwierigkeiten für die Zukunft, wenn man die heute gegebene Umsatzsituation betrachtet.