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Kabinett vertagt Thema Street ViewPolitiker entdecken Internet

Die Bundesregierung lehnt die Forderung der Länder nach schärferen Regeln bei Geodatendiensten wie Google Street View ab. Sie will etwas anderes, weiß aber nicht, was.

Paris ist nah: iPhone, auf dem der Google-Dienst Street View mit einer Straßenansicht der französischen Hauptstadt zu sehen ist. Bild: dpa

Die Aufregung über den Straßenbilderdienst Google Street View ist groß. Täglich geben Politiker bekannt, ob ihr Häuschen im Internet zu sehen sein wird oder nicht. Doch mit einer gesetzlichen Regelung für die Geodatendienste ist so schnell nicht zu rechnen.

Am Mittwoch hat sich das Kabinett in Berlin mit dem Thema befasst. Einem vom Bundesrat im Juli verabschiedeten Gesetzentwurf wollte sich die Bundesregierung aber nicht anschließen. Die Aufgabe sei "rechtlich anspruchsvoll", sagte Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans, und "nicht von heute auf morgen lösbar". Eine Aussage, mit der sich Grünenfraktionschefin Renate Künast nicht abfinden will. "Die Bundesregierung hat die Entwicklung von Geodatendiensten wie Google Street View schlicht und ergreifend verpennt", sagte sie.

In der vorigen Woche hatte Google angekündigt, noch in diesem Jahr seinen Dienst Street View in den 20 größten deutschen Städten zu starten. Seit Dienstag kann auch online Widerspruch eingelegt werden. Als Frist nennt das Unternehmen den 15. September. Mieter oder Eigentümer, die bis dahin nicht widersprochen haben, werden damit leben müssen, dass zumindest beim Start ihr Wohnhaus im Netz zu sehen sein wird.

Verbraucherschützer und Datenschützer hatten diese Frist als zu kurz kritisiert, zumal sie in die Urlaubszeit fällt. Zugleich ist aber eine umfassendere Debatte entbrannt: Wo endet im Netzzeitalter die Öffentlichkeit, und wo beginnt die Privatsphäre?

Vor allem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte in den vergangenen Tagen für einen gelasseneren Umgang mit Street View plädiert. Es sei widersprüchlich, wenn sich die Bürger einerseits mit Begeisterung auf Geodienste stürzten - etwa zur Urlaubsplanung - und dann auf die Barrikaden gingen, wenn ihre eigene Hausfassade im Internet zu sehen sei.

Für den 20. September hat de Maizière nun zu einem "Spitzengespräch Digitalisierung von Stadt und Land" geladen. Kommen sollen neben Datenschützern, Wissenschaftlern und Verbraucherschützern auch Vertreter von Google und dem Konkurrenten Microsoft, der seinen Straßenbilderdienst Streetside bisher aber nur im Ausland betreibt. Im Herbst wolle de Maizière dann "Lösungsvorschläge für den Umgang mit Geodatendiensten machen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Ob dabei dann ein eigenes Gesetz herauskommt, ist derzeit unklar. Wenn, dann will die Regierung aber nicht nur den Umgang mit Straßenansichten wie bei Street View regeln, sondern auch den Umgang mit Luftbildaufnahmen, die bei Google Earth oder beim Birds Eye View von Bing (Microsoft) schon länger im Netz zu sehen sind. Die sind es auch, die Internetjuristen für problematischer halten. Denn während die Straßenansichten nur zeigen, was frei zugänglich ist, ermöglichen Luftaufnahmen auch Blicke über den Zaun oder in den Hinterhof.

Dem Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar wäre es trotzdem lieber gewesen, die Regierung hätte schon jetzt ein Gesetz für die Geodienste auf den Weg gebracht. "Wir brauchen dringend eine gesetzliche Regelung", sagte er der taz. Caspar ist für Google zuständig, weil das Unternehmen seinen Deutschlandsitz in Hamburg hat. In zähen Verhandlungen hat er Google Zusagen zu Street View abgerungen. So sind in Deutschland nicht nur Gesichter und Autokennzeichen verfremdet; man kann auch Widerspruch gegen das Erscheinen des eigenen Häuschens einlegen - und das, bevor der Dienst startet. Eine Möglichkeit, rechtlich gegen Google vorzugehen oder ein Bußgeld zu verhängen, falls sich das Unternehmen nicht an die Zusagen hält, habe er ohne ein Geodienst-Gesetz aber nicht, so Caspar. "Und ich gehe davon aus, dass Fehler passieren."

Nicht zufrieden ist der Datenschützer auch mit dem Widerspruchsverfahren im Internet. Denn dafür müssen die Bürger, die ihr Haus nicht bei Street View sehen wollen, Google ihren Namen und ihre Adresse nennen. Caspar hätte es besser gefunden, ein Notar oder eine Behörde hätte diese Daten gesammelt. Denn bisher habe er noch keine Zusage von Google, dass es die Namen und Adressen nur zum Zweck des Widerspruchsverfahrens verwendet.

Doch auch wenn sich die Bundesregierung für den von der Länderkammer verabschiedeten Gesetzentwurf starkgemacht hätte: Für Street View kämen auch viele der dort geforderten Regeln zu spät. So müssten laut dem Vorschlag Firmen, die Straßen und Gebäude fotografieren, dies vorher im Internet und in Lokalzeitungen ankündigen. Google hat seine Aufnahmen jedoch schon 2008 begonnen und inzwischen fast ganz abgeschlossen. Die Autos mit der Kamera auf dem Dach sollen nur noch dort herumfahren, wo es technische Probleme gab.

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7 Kommentare

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  • FJ
    Frank J.

    @Roni Levinson: Es mag ja sein, dass Sie so fühlen ("Bei produktiver Verwendung einer Sache hat der Eigentümer ein Recht auf angemessene Beteiligung am erzielten Mehrwert") — aber das ist schlicht unrichtig, wenn Sie die Ablichtung und Veröffentlichung einer Hausfassade "Verwendung" einstufen.

     

    Also auch hier nochmal der Verweis auf das BGH-"Friesenhaus"-Urteil.

     

    Nun mag man dieses Urteil (ebenso wie den nicht vorhandenen Unterschied zwischen kommerzieller oder nicht-kommerzieller Absicht in Bezug auf die Panoramafreiheit) für richtig oder falsch halten — es ändert aber nichts an der Existenz dieser rechtlichen Regelungen in unserem Land. Anders formuliert: Google darf das.

     

    Ein generelles Recht auf "angemessene Beteiligung" zu behaupten, ist nicht redlich, denn diese Aussage bildet nicht die rechtliche Realität in unserem Land ab.

     

    -Frank

  • S
    Susi

    Hab da neulich ein wunderbares Zitat gefunden, dass hier wieder mal sehr passend ist: "Fürs Internet sollte das Baumhaus-Prinzip gelten: Wer zu alt ist, um ohne Hilfe reinzukommen, soll uns darin auch keine Vorschriften machen."

  • M
    max

    Da stellt kommt die Frage auf: Will ich das google meinen Namen + Adresse + Bild vom Haus hat oder soll mein Haus anonym im "Rauschen" tausender Häuser zu sehen sein. Letzteres gefällt mir irgendwie besser.

  • MG
    Markus Greiner

    Wer unbekannt bleiben will soll sich bitte melden.

     

    In seiner Hilflosigkeit fordert der Bundesdatenschutzbeauftragte sogar ein Zentrales Widerspruchregister.

     

    Wer der bessere Datenschützer ist, der Staat oder die private Unternehmen. Darüber lässt sich auch aus historischer Perspektive trefflich streiten.

     

    Die Wissensgesellschaft hat Ihre Unschuld verloren, wir wissen Bescheid. Eine Amnesie kann man nicht herbeisehnen, das Kücken kann nicht zurück ins Ei.

     

    Wir werden mit den Bomben leben müssen. Wir sind bekannt, wir sind aus dem Versteckspiel herausgewachsen, man kann uns orten.

     

    Es ist der Mann aus dem Dschungel der plötzlich in der Wüste leben muss. Die Umstellung ist schmerzhaft, und ohne Schutz vor der Sonne gefährlich. Die Beduinen machen es vor. Auch in der Wüste kann man gut leben, aber man muss sich der Umgebung anpassen.

     

    Diese Anpassung erfolgt am ehesten wenn man die neue Lage untersucht und die Chancen und Risiken erkundigt. Weder ein Bundesdatenschutzbeauftragter, noch ein zentrales Widerspruchsregister oder gar die Auflösung von Google kann die Uhr zurückdrehen.

  • L
    LRuhland

    Die Vorteile überwiegen.

    Und wer glaubt, dass er seine Privatsphäre dadurch bewahren kann, dass er sein Haus oder seine Wohnung nicht fotografieren lässt, der kann auch ruhig noch an den Mann im Mond glauben.

    Unsere Verwaltung ist da schon um einiges weiter als Google.

  • RL
    Roni Levinson

    In der Diskussion über Google Street View werden in der Sache und in der Sprache Perspektiven angewendet, die in sich irreführend sind. Zwei Beispiele:

     

    1) In der Sache wird übergangen, dass die Bilder und die dahinterstehenden Daten produktiv verwendet werden. Google arbeitet mit Street View, um Gewinn zu machen. In Presseannoncen weist Google selbst darauf hin, dass Street View platziert wird, um Anzeigenerlöse zu erzielen.

     

    Das Gegenteil einer produktiven Nutzung ist die konsumptive Nutzung: Ein Spaziergänger würde z.B. einen Straßenzug visuell konsumieren und nichts mehr.

     

    Bei produktiver Verwendung einer Sache hat der Eigentümer ein Recht auf angemessene Beteiligung am erzielten Mehrwert, und der Fiskus hat ein Recht auf Umsatzsteuer. Wird mein Haus als Kulisse für einen Film verwendet, muss mir der Produzent ein Entgelt für die Nutzung der „Location“ zahlen. Google interpretiert die aufgenommenen Straßenzüge als „Öffentlichkeit“. Das ist jedoch sachlich falsch – „Öffentlichkeit“ kann kostenlos nur konsumptiv genutzt werden, nicht als Bestandteil einer Wertschöpfungskette.

     

    2) In der Sprache, die verwendet wird, gilt Google Street View als ein „Dienst“. Das ist aber nicht das Motiv für das Angebot. Ausgangspunkt für Street View ist die Intention, einen wirtschaftlichen Nutzen zu erzielen; Google selbst sagt, ohne wirtschaftlichen Nutzen würde man Street View nicht anbieten.

     

    Beispiel: Wenn mir jemand sagt, er wolle mir einen Gefallen tun, die Gefallengewährung ihm aber am Ende Geld einbringt, so ist das primäre Motiv in der Gewinnerwartung zu vermuten.

     

    Abschließend: Ein Vorgehen, wie Google es an den Tag legt, erzeugt keine „Win-Win-Situation“. Eine solche Situation setzt eine gegenseitige Verabredung zum Handeln voraus. Google aber handelt einseitig.

  • MM
    mit Majo

    Bis die behäbigen deutschen Politiker reagieren, ist längst alles on. Manche dieser altforderen Berufsparteifunktionäre prahlen sich sogar damit, dass sie keine mails lesen (können).

     

    Kunststück, sie haben natürlich ihre Lakaien dafür, die ihnen alles mundgerecht auch noch ausdrucken müssen. Für eine noch führende Postindustrienation, wie Deutschland ist das ein Kropf, nichts weiter als ein überflüssiger Kropf. Und der weis auch nicht wie, er ist einfach da.