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Kommentar Rente mit 67Nur bei Vollbeschäftigung

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Rente mit 67 ist richtig. Der demographische Wandel schreibt sie vor. Die Politik muss nur für genügend Arbeitsplätze für ältere Menschen sorgen.

D ie Rente mit 67 ist richtig. Denn die deutsche Gesellschaft ist mit zwei demografischen Entwicklungen konfrontiert, die sich nicht ignorieren lassen. Erstens leben die Menschen immer länger - und sie sind auch länger gesund. 1960 wurde die Rente bei den Männern durchschnittlich 9,6 Jahre ausgezahlt. Heute sind es über 15 Jahre. Zweitens wachsen immer weniger Junge nach, die diese Renten zahlen sollen.

Eine Voraussetzung muss allerdings erfüllt sein: Für die älteren Arbeitnehmer muss es normal bezahlte Stellen geben. Solange viele in die Arbeitslosigkeit abgeschoben werden oder nur Minijobs finden, ist die Rente mit 67 eine faktische Rentenkürzung.

Anders gesagt: Die Rente mit 67 darf erst eingeführt werden, wenn faktisch Vollbeschäftigung herrscht - also ab dem Jahr 2025. Wie das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) kürzlich berechnet hat, schrumpft das "Erwerbspersonenpotenzial" bis 2025 um 3,6 Millionen Menschen. Denn die Babyboomer verlassen den Arbeitsmarkt, während nur noch wenige Jugendliche nachdrängen. Dann werden alle gebraucht, auch die Älteren.

taz

Ulrike Herrmann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz. Vor kurzem erschien ihre Studie Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht (Westend).

Die Frage ist also nicht, ob man die Rente mit 67 einführen sollte - sondern wann. Die jetzige Regelung ist völliger Unsinn, die schon ab 2012 das Rentenalter in kleinen Monatsschritten erhöhen will, wenn noch Millionen an Arbeitslosen unversorgt sind. Stattdessen sollte die Rente mit 67 auf das Jahr 2020 verschoben werden, wenn für die älteren Arbeitnehmer realistische Chancen bestehen, dass sie in ihrem Beruf verbleiben können.

Die SPD hat diese Diskussion begonnen. Allerdings ist ihr Kriterium irrwitzig: Sie will die Rente mit 67 einführen, wenn 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Und was ist mit den anderen 50 Prozent?

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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27 Kommentare

 / 
  • R
    Rübe

    nie mehr wird es vollbeschäftigung geben. alle wissen es, keiner will es aussprechen. da bin ich jetzt a bisserl enttäuscht von der taz-autorin. wir brauchen jetzt realistische visionen, wie wir in zukunft unser (priviligiertes) leben gestalten wollen. die einführung eines bedingungslosen grundeinkommens wär ein mutiger schritt in die richtige richtung. wir müssen und dürfen abschied nehmen von der "leistungsmaschine mensch" - gesellschaflich wird dadurch natürlich allerhand ins wanken geraten. die machtelite weiß das und betreibt weiter ängstlich augenwischerei. von der taz erwarte ich das gegenteil.

  • B
    Bitbändiger

    Ist schon merkwürdig, liebe taz-ler und -innen, wie viele Beiträge bei Ihnen einfach in den Tiefen der Informationstechnik abhanden kommen. Drum schicke ich mein Post vom 21.8. unverdrossen nochmal:

     

    Vielen Dank, liebe Frau Herrmann, für hervorragende 80% dieses Kommentars. Sie wissen offenbar, dass das "Altersgrenzenanpassungsgesetz" von 2007 die Bundesregierung verpflichtet, ab 2010 alle 4 Jahre zu berichten, ob die Aufrechterhaltung der Altersgrenzenanpassung (auf 67) im Lichte der Entwicklung der Situation älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt noch gerechtfertigt ist. Die Beiträge vieler Ihrer Kolleg(inn)en lassen dort solche Sachkenntnis nicht vermuten.

     

    Erläuterungsbedürftig erscheint mir allerdings der letzte Absatz Ihres Kommentars: Was soll denn nun passieren, "wenn (nur) 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben"? Eintrittsalter anheben - oder nicht?

  • SP
    Smashing Pumpkins

    "Erstens leben die Menschen immer länger - und sie sind auch länger gesund."

     

    Also, das widerspricht meinen sämtlichen Erfahrungen. Es sind die zähen Kriegsüberlebenden, die über 90 werden. Aber in den letzten Jahren sind sehr viele Leute in meinem Bekanntenkreis gestorben, die unter 60 waren.

     

    Nicht nur Schlingensief, sondern auch viele, die nicht in den Zeitungen stehen, u. a. durch Selbstmord. Z.B. hat sich letzte Woche wieder ein Hartz-IV-Empfänger aufgehängt, wie ich von einem Kripo-Beamten weiß, so was erfährt man nirgends in den Medien.

     

    Ich bezweifle, dass die "Babyboomer" besonders alt werden, vielleicht will man auch ein sozialverträgliches Frühableben fördern, da auch Krebsvorsorge nicht mehr von der Kasse übernommen wird.

     

    "DIE WIRTSCHAFT" wird immer radikaler und wird bald Rente mit 75 fordern. Zudem immer mehr aus dem Ausland holen, damit es immer bei 6-8 Millionen Arbeitslosen bleibt. Du bist Deutschland wird nicht abgewrackt, aber ein Großteil seiner Bürger.

  • H
    Hank

    Die Höhe der Rente und der demographische Wandel haben nichts miteinander zu tun.

     

    Denn in den letzten 100 Jahren ist das Bruttonationaleinkommen Deutschlands ja nicht geschrumpft, sondern kontinuierlich gestiegen!

     

    Was braucht man also um die Rente tatsächlich zu sicher?

     

    a.) Löhne die immer entsprechend der volkswirtschaftlichen Produktivitätssteigerung erhöht werden.

    b.) Einen Beitrag zur Rentenversicherung der manchmal leicht angehoben wird.

     

    ABER:

     

    Die einflußreichen Wirtschaftsverbände wollen weder steigende Löhne noch höhere Lohnzusatzkosten (so soll der Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung mit allen Mitteln unter 20% gehalten werden).

     

    Überdies hat die Finanzwirtschaft (z.B. private Versicherungen) ein vitales Interesse daran, ihr Geschäft mit der "privaten Altersvorsorge" auszubauen.

     

    Das Argument des "demographischen Wandels" ist schlicht Volksverdummung und Propaganda der Wirtschafts-Lobbys.

  • S
    Sundokan

    " ...wenn für die älteren Arbeitnehmer realistische Chancen bestehen, dass sie in ihrem Beruf verbleiben können."

     

    Was bei der Diskussion durchgehend ignoriert wird: es gibt zig Berufe die aufgrund der starken körperlichen Belastung nicht bis 67 ausgeführt werden können! Die Leute gehen bereits heute überwiegend in Frührente weil sie "einfach auf sind" (wie mein Vater, Industrieschlosser undangehender Frührentner, sagen würde).

     

    Es braucht eine berufliche Perspektive außerhalb der angestammten Berufe, ohne Stress und ohne körperliche Verausgabung, für viele gerne auch schon ab 50.

     

    Wir können sich die Leute aber auch zu Tode arbeiten lassen, ist bestimmt gut für die Rentenkasse.

  • F
    Feinfinger

    Nur bei Vollbeschäftigung? Wann hat es die jemals gegeben und wann war die von unserem kapitalistischem System gewollt. Die Statistik, dass im Schnitt 15 Jahre Rente gezahlt werden, hätte ich gern durch eine Quelle belegt. Die Menschen aus meiner Umgebung, die hart körperlich gearbeitet haben, sind nicht so alt geworden. Einige sind auch vorher durch Herzinfakt, Krebs, usw. dahin geschieden. Vielleicht sollte man mal die Statistiken aufdröseln nach Berufsgruppen und auch Rentner und Pensionäre nicht in einen Topf werfen. Vollbeschäftigung vom Staat organisiert? Sowas naives habe ich schon lange nicht mehr gelesen und wird wohl auch ein Traum der Frau Herrmann bleiben.

  • FK
    Friedhelm Kraus-Behringer

    Ich lade Frau Herrmann gerne mal ein, eine Arbeitswoche als Friseurin, im Friseurladen meiner Frau zu verbringen. Natürlich ersatzweise auch gerne bei meinem Schwiegervater am Hochofen. Die Liste der Berufe ist beliebig erweiterbar. Diesen für mich entscheidenden Aspekt ignoriert Frau Herrmann in ihrem Kommentar. Befürworten kann eine Rente mit 67, konsequent weitergedacht Rente mit 70, nur jemand desssen Arbeitsalltag keinerlei körperlichen Anstrengungen mit sich bringt. Lösung des Problems kann nur ein flexibler Einstieg in die Rente sein.

    Grundsätzlich zeigt sich aber, dass die Mehrheit in unseren Parlamenten und in den Presssestuben, vom Arbeitsalltag vieler Menschen keine Ahnung hat.

  • W
    WaltaKa

    Der vielzitierte "demographische Wandel" ist ein Propagandakonstrukt und schreibt die Rente mit 67 in keinster Weise vor.

    Eher die Auszehrung der Rentenkasse durch das Absenken von Millionen von Löhnen auf einen Niedrigstlohn mit entsprechend niedrigen Beiträgen in die Rentenkasse. Oder deren bewußte Ausplünderung durch die jeweilige Regierung durch rentenfremde Entnahmen.

    Wobei ein Ansteigen des Rentenalters für die Älteren bei gleichzeitig zunehmender Jugendarbeitslosigkeit widersinnig ist. Usw.

  • W
    wulewuu

    Eine ziemlich einfallslose Sicht auf die Zukunft unserer Gesellschaft. "Vollbeschäftigung" so wie vor einem halben jahrhundert wird es nicht mehr geben, und zwar aus vielen Gründen, auch nicht im Jahre 2025.

     

    Wäre es nicht an der Zeit, dass eine auf den Menschen bezogene gesellschaftliche Organisation angedacht und diskutiert wird? Zum Beispiel ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, finanziert aus dem allgemeinen Steueraufkommen. Zuzahlungen vom Rentenbund aus den geleisteten Beiträgen könnten dann gesondert diskutiert werden.

     

    Diesem Kommentar mangelt es an Weitblick.

  • FM
    Frank M

    und nochwas zu Vollbeschäftigung. Heute ist jeder Mensch so produktiv, wie vier Menschen vor 50 Jahren. Wir könnten also viermal mehr produzieren, als die Menschen damals schon zum Leben brauchten. Rechner-Leistungen verdoppeln sich derweil alle 5 Jahre und beschleunigen den Prozess. Ich glaub nicht, dass Vollbeschäftigung sinnvoll, geschweige denn notwendig ist.

    Unsere Zeit wird als die absurdeste in die Geschichte eingehen. Produzieren uns dumm und dämlich, aber erzwingen jede Art von Verbrechen, weil die Leute Einkommen fürs Fressen brauchen.

  • FM
    Frank M

    Also wenn ich in sieben Jahre irgendwas gelernt habe, dann dass Mehrwertsteuern und Vermögenssteuern die ganze Aufregung um demographischen Wandel beenden würden - jeder is Steuerzahler und mit flexiblen Sätzen kann man gemütlich die unteren Einkommen schonen. Dann wird tatsächlich Erfolg besteuert, nicht der reine Arbeitsprozess - und das Individuum kann bestimmen, wo das Geld am besten hinsoll (regionale oder Ökoprodukte vielleicht). Subventionen sind unnötig, die Politik hat weniger zu sagen, genauso wie die Unternehmen usw usw usw.

    Muss ja keiner mitgehen, aber diese Scheindebatten immer... da dreht sich mir der Magen um. Wir fliegen zum Mond und labern Politikern nachm Maul.

    Grüße

  • K
    Klingelhella

    Wo ist mein Kommentar von gestern?

    Der war seriös und hat auf sachliche Weise gegendargestellt. Ich hoffe doch, ihr habt den nicht wegzensiert, sondern euer Moderator ist grad nur im Wannsee planschen.

  • J
    Jorgio

    Naja-das die Menschen immer älter werden ist schön, hat jedoch auch verschiedene Ursachen.Was jedoch völlig übersehen wird- die jenigen- die jetzt so 75-80 Jahre sind- die sind ja überwiegend schon mit 55 in den Vorruhestand gegangen.Zudem war da auch die Zeit- wo bei weitem nicht so eine hohe Leistungserbringung wie seit ca 10 Jahren stattfindet ,erbracht werden mußte.

    Mann muß doch heute nur mal in die Firmen schauen- welcher Bandarbeiter wird denn bei den heutigen Taktzeiten die da gefahren werden noch 60 Jahre alt werden-das ist mitllerweile schon fast Leistungssport an den Bändern.Die Leute werden mit Sicherheit keine 75 oder 80 Jahre alt.Aber darum geht es ja in Wahrheit nicht, es geht nur um eine möglichst kurze Rentenzeit die den Menschen bleiben soll, geht er schon früher -so mit 65 muss er eben mit hohen Abschlägen rechnen, egal ob er dann schon über 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat.Kann man als kalte Rentenkürzung bezeichnen.

  • ST
    Stefan Thiesen

    Ich finde, man macht es sich bei weitem zu einfach. Was ist z.B. mit der Produktivitätsdiskussion? Zwar verschiebt sich das Verhältnis der Generationen zu Gunsten der alten Bevölkerung, aber im gleichen Zeitraum hat die alte Bevölkerung in ihrer aktiven Arbeitszeit einen phänomenalen Anstieg der Produktivität - und damit des Brutto Sozialproduktes - bewirkt. Tatsächlich klaffen Produktivitätsentwicklung und Lohnentwicklung drastisch auseinander, weshalb auch der öffentlichen Hand im Verhältnis zur Gesamtheit aller produzierten und erbrachten Waren und Dienstleistungen zuwenig Geld zur Verfügung steht. Es wird heute pro Kopf ein Vielfaches an Wirtschaftsleistung erbracht wie vor 40 Jahren, also ist die Deutsche Volkswirtschaft prinzipiell problemlos in der Lage, den demographischen Übergang zu tragen, zumal auch Rentner Konsumenten sind und durch zur Verfügung Stellung ihrer finanziellen Mittel entsprechende Wirtschaftsfaktoren darstellen. Einzig das Rentensystem ist falsch - als es installiert wurde, war der demographische Übergang ein bekanntes Phänomen, und ein gewisser Herr Adenauer hat erklärt im sei es gleichgültig, was nach seinem Ableben geschehe. Die Diskussion wird ideologisch geführt. Meiner Ansicht nach hat die Wirtschaft den Menschen zu dienen, und nicht einigen Konzerninteressen. Konzerne die größer und mächtiger sind als die meisten Volkswirtschaften sind nicht im Interesse der Bürger der Welt. Dabei kommt so etwas heraus wie der Energie Aufruf der "Manager", die Forderung nach längeren Lebensarbeitszeiten, nach weniger Urlaub. Natürlich nur für den "Normalbürger". Die Herren Manager dürfen sogar ungestraft den Ozean verseuchen, während der kleine Mann für eine illegale Motorwäsche bestraft wird. Die Schieflage wird immer grotesker, und wenn man sowohl das exponentielle Zwangswachstum der Wirtschaft als auch das - ebenfalls exponentielle - Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich in die Zukunft extrapoliert - zur Abwechslung mal hin zu historischen Zeiträumen (50 Jahre, 100 Jahre), wo sind wir dann? Nur wenige dystopische Visionen haben bisher konsequent ausgemalt, wo diese Art der Politik und Machtübernahme der Konzerne über die Welt hinführt, nämlich an einen sehr, sehr dunklen Ort.

  • R
    robert

    liebe frau hermann,

    ich hätte gedacht, eine wirtschaftsredakteurin der taz ist etwas schlauer als die anderen mainstreammedien. sie tun gerade so, als wäre der demografische wandel ein unumstößlicher faktor. sich auf zahlen zu berufen, welche das jahr 2025 anpeilen, ist nichts anderes als kaffeesatzleserei.

     

    ganz nebenbei. sie vernachlässigen solche faktoren wie den produktivitätszuwachs.

  • O
    ooops

    Im Zusammenhang mit der Hartz 4 ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bei gleichzeitig fehlenden Arbeitsplätzen ein weiterer Schritt der Enteignung.

  • R
    Redbranch

    Rente mit 67? Aus meiner Sicht ein ebenso primitiver wie überflüssiger Ansatz.

     

    Die Schlussfolgerungen der Autorin – Rente mit 67, wenn Vollbeschäftigung herrscht – halte ich für naiv und phantasielos.

     

    Die Berechnungen des IAB sind natürlich hochgradig spekulativ. Bei allen noch so wohl durchdachten empirischen Berechnungen – in die Zukunft konnte bisher noch niemand schauen.

     

    Ferner muss an dieser Stelle betrachtetet werden, wann und unter welchen Voraussetzungen das bis heute bestehende deutsche Rentensystem entwickelt wurde. In den 50er Jahren waren die demographischen Umstände schlichtweg anders: Das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Rentnern war ausgewogen. Und genau das war die Grundlage für ein funktionierendes und vernünftiges Konzept.

     

    Nun haben sich die Dinge bekanntermaßen anders entwickelt als erwartet. Das zentrale Problem heute ist nicht etwa die geringe Quote an erwerbstätigen Älteren, sondern das unausgewogene Verhältnis von Rentenbeziehern zu Erwerbstätigen. Damit ist das notwenige Fundament für ein umlagefinanziertes Rentensystem nicht mehr vorhanden.

     

    So kann es doch wohl kaum der richtige Weg sein, einfach mal das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Vielmehr muss ein radikaler Umbau gefordert werden, der den derzeitigen demographischen Umständen gerecht werden kann. Es dürfte allgemein bekannt sein, dass hier zu Lande genügend finanzielle Mittel vorhanden sind. Nur leider sind wir mit einem gravierenden Verteilungsproblem konfrontiert.

     

    Mit etwas Mut und Kreativität wäre es durchaus möglich, ein vernünftiges, gerechtes und angemessenes Rentensystem zu entwickeln. Diese ewige Herumdokterei an einem Modell, dem mittlerweile die Grundvoraussetzung für seine Funktionsfähigkeit fehlt, ist feige und falsch.

     

    Es ist an der Zeit für wirkliche Reformen.

  • F
    Feinfinger

    Nur bei Vollbeschäftigung? Wann hat es die jemals gegeben und wann war die von unserem kapitalistischem System gewollt. Die Statistik, dass im Schnitt 15 Jahre Rente gezahlt werden, hätte ich gern durch eine Quelle belegt. Die Menschen aus meiner Umgebung, die hart körperlich gearbeitet haben, sind nicht so alt geworden. Einige sind auch vorher durch Herzinfakt, Krebs, usw. dahin geschieden. Vielleicht sollte man mal die Statistiken aufdröseln nach Berufsgruppen und auch Rentner und Pensionäre nicht in einen Topf werfen. Vollbeschäftigung vom Staat organisiert? Sowas naives habe ich schon lange nicht mehr gelesen und wird wohl auch ein Traum der Frau Herrmann bleiben.

  • A
    arribert

    So ist sie halt die SPD, immer nur halbe Sachen. Wenn man was ganz fordert (in dem Fall 75 / 80%) könnte man ja wieder der Industrie auf die Füße treten und dann wäre es aus mit dem Aufsichtsratsposten nach der Bundestagszeit.

  • EA
    Eser A.

    Rente mit 67 ist falscher als falsch. Besser wäre es, wenn wir uns das System der Sozialistischen Republik Schweiz abgucken: Abgabe von allen Einkommen, egal was, jeder soll einzahlen.

     

    Wir haben jetzt Jahrzehntelang die Steuern der Reichen gesenkt in der Hoffnung es rentiere sich irgendwann. Nichts ist passiert...

  • G
    georg

    2025??? Da muss es schon längst ein bedingungsloses Grundeinkommen geben, ist doch klar!

    Natürlich werden wir immer älter, aber unsere Marktwirtschaft wurde ja auch immer produktiver.

    Die Tatsache, dass wir das Gefühl haben, wir könnten uns das alles nicht leisten und müssten die Alten immer später in Rente schicken, kommt vom Kapitalismus, der stetig von unten nach oben verteilt.

    Wenn wir den Kapitalismus überwinden, hier leistet der BGE einen wichtigen Beitrag, dann müssen wir auch keine Rentendebatten mehr führen...

  • TD
    Tyler Durden

    "Die Politik muss nur für genügend Arbeitsplätze sorgen"

     

    "Nur..", selten so über ein einziges Wort gelacht. Aber es kommt noch witziger:

    "Anders gesagt: Die Rente mit 67 darf erst eingeführt werden, wenn faktisch Vollbeschäftigung herrscht - also ab dem Jahr 2025."

     

    2025 wird Vollzeitbeschäftigung herrschen! Toll! Wenn die VWL Studierer sowas vorhersagen, dann wird das ganz unweigerlich auch so kommen. So wie ja stets alles eintrifft, was diese Fachleute sagen....

     

    Und das Ganze wird geschrieben von:

    "Ulrike Herrmann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz."

     

    Tja, taz.... auf so einem Niveau wird das Ende der taz wohl kaum noch aufzuhalten sein, befürchte ich...

     

    Ach, was sollen immer die Realitäten, gell? Solche Kommentare kann man einfach weg-zensieren und das Problenm ist gelöst....

  • H
    Hans

    Ich kannte einige Menschen, die länger als 65 Jahre gearbeitet haben, alle nur aus einem Grund: Sie mussten es tun, weil sie von ihrer Rente nicht leben konnten. Keiner davon hat in Deutschland gelebt.

    Bei dieser Debatte geht es nicht nur um Arbeitslosigkeit, Beschäftigung für Ältere oder die Höhe der Rente, es geht um die Leistungsfähigkeit im Alter.

    Und die ist eben bei vielen Menschen bei 65, bei einigen bei 63 oder gar 60 überschritten. Wer seinen Beruf liebt, macht ihn, solange es geht. Wer seinen Beruf liebt, aber ihn nicht mehr machen kann, muss in Rente. Nach den Plänen mit 67 Jahren ist das einfach nur die Kürzung der Rente um 2, 4 oder 7 Jahre.

    Und selbst hochgelobbte Mitarbeiter wurden in den letzten Jahren reihenweise mit 55 Jahren nach Hause geschickt. Manche sogar noch früher und viele mussten danach bittere Tränen weinen, wenn ihre Bewerbungen überhaupt nicht akzeptiert oder ernst genommen wurden.

    Die Rente mit 67 ist auch ein Eingeständnis, dass seit 1970 keine Regierung es vermocht hat, die Rente zu sichern, entgegen entsprechenden Slogans (Norbert Blüm z.B.: Die Rente ist sicher) und Ankündigungen. Die Wahrheit ist: Sie wird immer unsicherer und Arbeitgeberverbände möchten am liebsten im großen Stil aussteigen.

    Rente, Arbeitslosigkeit und Gesundheit lassen sich nicht zu Discount-Sätzen versichern, jedenfalls nicht mit den Anforderungen durch Demographie und Wiedervereinigung. Wer darauf aus ist, der wird in 2020 und 2030 ein total armes Land vorfinden. Die Richtung dahin hat Deutschland längst eingeschlagen, wer sich die Platzierung auf dem Humad Development Index (HDI) ansieht, der wird feststellen, dass Deutschland Kurs auf Griechenland und Tschechien nimmt.

    Das ist aber nicht von höheren Kräften als Katastrophe geschehen, sondern es wird politisch gemacht. Zum einen, weil Deutschland seine Exporterfolge immer härter gegen Staaten wie China, Brasilien, Indien und Mexiko erarbeiten muss, zum anderen weil die Entsolidarisierung propagiert wird.

    Und mindestens dieses Phänomen wird auch fast jedem Normalmenschen einleuchten: Wer 12 Monate keine Arbeit findet (das ist in einem Abschwun eine sehr kurze Zeit), der muss sein Vermögen runter schmelzen auf Hartz-Niveau, große Wohnungen verlassen und sollte kein Luxus-PKW mehr auf seinen Namen gemeldet haben. Diese Abmeierei funktioniert nur, weil sich die Menschen mit Arbeitslosen nicht mehr solidarisch fühlen (jedenfalls eine große Mehrheit wird dazu auch pausenlos augefordert).

    Unter solchen Konditionen macht der Staat einen Sozialstaat nach Kassenlage und die sind für die Masse leer, für Bankmanager und andere Privilegierte aber prall gefüllt.

    Wenn der Staat sich konditionslos 500.000 EURO Jahresgehalt für Bank-Vorstände abschwätzen lässt, aber die entlassene Bankkauffrau nach nur 12 MOnaten mit 351 EURO auskommen muss, dann sieht doch jeder, dass hier bewusst, politisch geplant umverteilt, privilegiert, sanktioniert und ausgegrenzt wird.

    Die Rente mit 67 gilt doch nur für die Arbeitnehmer, die aus der gesetzlichen Versicherung 100 Prozent ihres Anspruches mitnehmen müssen. (Besser noch Riester dazu) Wer mit 55 Jahren genug verdient hat, der geht dann auch in Rente und wer mit 30 oder 40 Jahren sehr reich ist, der kann es sich aussuchen, ob er überhaupt arbeitet.

    Die eigentliche Ungerechtigkeit an der Rente mit 67 Jahren ist doch der Zwang, selbst bei Erschöpfung sich notfalls Tod arbeiten zu müssen, weil sonst das Geld nicht zum Leben reicht. Und wer sich Daten anschaut, wie viele Arbeitnehmer erschöpft, gemobbt oder körperlich angeschlagen sind, der staunt. Das ist kein Miniphänomen und das ist auch nicht eine Randnotiz.

  • W
    Wolfgang

    "Rente mit 67" ist bürgerlicher Nonsens! - Sie müssen die Produktivkraftentwicklung und die reale Wertschöpfung, insbesondere die Mehrwertschöpfung aus der wissenschaftlich-technischen Lohnarbeit, berücksichtigen.

     

    Realität ist in der frauenfeindlichen und emanzipationsfeindlichen kapitalistischen Germania AG die "Renten-Ehe" von Millionen Ehefrauen und vor allem von Frauen in Unterbezahlung, Billig- und 'Hungerlohn'!

    Auch nach 43 Vollzeit-Arbeitsjahren - bei einem Mini-Mindestlohn von 10 Euro-Std. - liegt die Altersrente nur auf der Höhe der geringen gesetzlichen Grundsicherung bzw. "Hartz-IV-Rente"! Notwendig wäre ein Stunden-Arbeitslohn ab 12 Euro aufwärts!

     

    Realität für Millionen Frauen 'mit' und 'ohne' Renten-Ehe ist: Die Durchschnittsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung für Frauen liegt bei 528,23 Euro monatlich - in der undemokratischen und emanzipationsfeindlichen BDI-BDA-Gauck'schen-Quandt-schen Bundesrepublik Deutschland AG!

     

    In Bayern liegt die Durchschnittsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung für Frauen bei 496,12 Euro und in Nordrhein-Westfalen bei 458,83 Euro monatlich.

     

    Merke: Einzahlungen in die Renten-Zusatzversicherung werden bei Geringverdienern mit der Grundsicherung bzw. "Hartz-IV-Rente" verrechnet.

     

    Aufwachen, kämpfen! - und keine emanzipationsfeindliche Traumtänzerei - in der Deutschland AG!

     

    Trotz alledem!

  • E
    egal

    Ich gehe davon aus, dass Frau Herrmann und ihre schreibtischpupsende deutsche Mittelstandsschicht auch noch in 20 Jahren ihre Fingergelenke zum Schreiben benutzen kann ( ? ), aber: es gibt einfach nun mal Berufe, mit denen man nicht ! bis zum 67. Lebensjahr arbeiten kann !!Und das in Abhängigkeit von Mensch zu Mensch.Und wie bitteschön wird Arbeit denn überhaupt definiert ?Vor allen Dingen im Verhältnis zu der ' Zeit ', in der ' Arbeit' nicht ! stattfindet. Wir brauchen ein grundlegend anderes Gesellschaftssystem, welches begreift, dass wir nicht alleine auf diesem Planeten leben, und wir diese Fragen dementsprechend in dieser Relation zu beantworten haben.

  • K
    Klingelhellaq

    "Die Rente mit 67 darf erst eingeführt werden, wenn faktisch Vollbeschäftigung herrscht - also ab dem Jahr 2025."

     

    Das klingt doch sehr nach Kristallkugelökonomie. Vollbeschäftigung i.J. 2025? Sofern damit sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse gemeint sind, ist dies hierzulande vollkommen utopisch.

     

    Zudem kann ich leider nicht müde werden, den vielbeschworenen "demographischen Wandel" auf die Aktion Demographischen Wandel der Bertelsmannstiftung zurückzuführen. Das hierin aufgebaute worst case scenario bezieht sich immer auf die Jahre 2030-2050.

     

    Laut Statistischem Bundesamt sind Bevölkerungsprognosen auf 15, max. 20 Jahre als seriös anzusehen, alles andere habe "Modellcharakter". Daraus abgeleitete Entscheidungen oder Handlungen sind also per se unseriös!

     

    Davon abgesehen gibt es durchaus wissenschaftliche Gegenpositionen (zB Hagen Kühn), die den behaupteten demographischen Wandel keineswegs so übertrieben sehen wie Bertelsmann-Experten.

  • R
    Reifenstein-Herbig

    Dem Vernehmen nach hat die Regierung noch einen weiteren Entwurf in der Schublade, nach dem lediglich Kinderlose länger zu arbeiten haben. Ich bin gespannt darauf, wann der Streit hierüber ausbrechen wird. Die taz wird hoffentlich als erste Tageszeitung darüber berichten.