piwik no script img

Modernisierung in PankowGroße Balkone bleiben Luxus

Um die Verdrängung ärmerer Bewohner zu verhindern, verbietet der Bezirk einer Genossenschaft den Anbau geräumiger Balkone. Die beteuert: Niemand müsse wegen der Modernisierung umziehen.

Bis ein Piepmatz auf den Balkonblumen der DPF-Mitglieder landet, kann es noch dauern. Bild: APN

Wer ins schöne Pankow zieht, muss angesichts der Mieten über ein entsprechendes Einkommen verfügen. Zum Glück gibt es den Milieuschutz: Damit es nicht zu einer vollständigen Verdrängung der nicht ganz so betuchten Bevölkerung kommt, verweigert das Bezirksamt in bestimmten Gebieten Luxussanierungen wie den Einbau eines zweiten Bades oder eines Aufzugs. Maisonnettenwohnungen? Haben dort keine Chance.

Nun bringt eben dieser Milieuschutz viele Mitglieder der Genossenschaft DPF um einen direkten Zugang zur frischen Luft. Denn der Bezirk will den Anbau von Balkonen mit sieben bis neun Quadratmetern nicht genehmigen. Laut Richtlinien dürften es nur fünf Quadratmeter sein. An einem lauen Abend mit Freunden auf der eigenen Terrasse sitzen - daraus wird für viele der vorwiegend älteren Bewohner in der Görsch- und Gaillardstraße erstmal nichts.

Dabei beteuert die Genossenschaft, dass es keine Verdrängung geben werde. "Niemand muss wegen der Modernisierung umziehen", sagt DPF-Vorstand Andreas Böhm. An rund der Hälfte der 99 Wohnungen hängen bereits jetzt kleine Balkone, sie sollen durch große ersetzt werden. "Bei diesen Wohnungen erhöhen wir die Mieten gar nicht", so Böhm. Wer einen Balkon neu bekommt, soll allerdings 50 Euro pro Monat mehr zahlen. Böhm sagt: "Wir sprechen mit jedem einzelnen. Wenn jemand das Geld nicht hat, gibt es eine Härtefallregelung."

Den zuständigen Stadtrat erweicht das nicht. "Wir können die Baugenehmigung nicht von Mietverträgen abhängig machen", erklärt Michail Nelken (Linkspartei). Er wolle keine neuen Standards schaffen. Die Genossenschaft würde sonst zum Vorreiter der Aufwertung und Verdrängung, so Nelken.

Dem Vorsitzenden im Pankower Stadtentwicklungsausschuss, Roland Schröder (SPD), tut es für die Genossenschaftler leid. Aber auch er weiß keine Lösung. Schröder sagt: "Es gibt keine Gerechtigkeit ohne ein kleines bisschen Ungerechtigkeit." Das sieht die DPF anders: Sie zieht mit den Balkonen vor Gericht.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!