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KürzungenSparen bei den Schwachen

Behörde will 3.000 Ein-Euro-Jobs streichen. Beschäftigungsträger warnen: Das widerspreche dem Koalitionsvertrag.

Ein Euro-Jobber: 4.000 Beschäftigungsverhältnisse sollen weggekürzt werden. Bild: dpa

Die schwarz-grüne Koalition wird mit einem neuen Streit belastet. Wie die Vollversammlung der 40 Beschäftigungsträger öffentlich machte, plant die Wirtschaftsbehörde die Kürzung von 3.000 Ein-Euro-Jobs und 1.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, sagte die Sprecherin der Versammlung, Petra Lafferentz: "Kommt dieser Plan durch, ist dies ein Bruch des schwarz-grünen Koalitionsvertrages." Hatte Schwarz-Grün doch vor zwei Jahren vereinbart, dass benachteiligte Arbeitslose im Gesamtumfang von etwa 10.000 Plätzen gefördert werden sollen. Davon fielen dann über 4.000 weg.

Die Pläne wurden den Beschäftigungsträgern am Dienstag von Vertretern der Wirtschaftsbehörde bei einem Treffen bei der Team-Arbeit-Hamburg vorgestellt, die diese Maßnahmen bewilligt. Es ging um die Frage, wie die von FDP und CDU im Bund beschlossenen Kürzungen in Hamburg umgesetzt werden. Denn das Budget der Team-Arbeit soll von 179 Millionen Euro in diesem Jahr auf 140 Millionen Euro gekürzt werden.

Diese Kürzung von 22 Prozent soll jetzt nach Information der Träger überproportional zu Lasten der Schwachen umgesetzt werden. "Uns wurde von einem Vertreter der Behörde gesagt, Ein-Euro-Jobs hätten keinen Sinn, weil man diese Klientel ohnehin nicht in den ersten Arbeitsmarkt kriegt." Die Niedrigqualifizierten bildeten mit 66 Prozent aber die Mehrheit der Hartz-IV-Empfänger. Trotzdem würden sie derzeit nur 40 Prozent des Budget-Kuchens der Team-Arbeit abbekommen. Von den 60 Prozent profitierten besser Qualifizierte, denen Umschulungen und Weiterbildungen bezahlt werden. Nach den Plänen der Wirtschaftsbehörde solle dieser Anteil nun von 40 auf 25 Prozent gesenkt werden. Statt 58 Millionen Euro wie in 2010 blieben dann in 2011 nur rund 35 Millionen Euro für schwieriger zu vermittelnde Menschen. Bliebe es beim alten Proporz, fiele die Berliner Kürzung milder aus.

"Das ist ein Skandal", findet Lafferentz, die den Beschäftigungsträger "Alraune" leitet. Die Träger hätten alternative Sparvorschläge, die diesen Kahlschlag verzichtbar machten. So könne man "teure Trainingsmaßnahmen und Übungsfirmen" weglassen. "Wir sind historisch nie für Ein-Euro-Jobs eingetreten. Aber es ist besser, den Menschen dies anzubieten, als gar nichts." Außerdem war bisher mit jedem dieser Jobs eine Qualifizierungsmaßnahme verbunden. Auch dieses Angebot, von dem derzeit 10.000 Menschen profitieren, soll entfallen.

Von der Kürzung betroffen wären 1.108 Arbeitsgelegenheiten in sozialen Einrichtungen wie Geschichtswerkstätten und Kitas, und weitere 327 in Projekten wie Stadtteilzentren und Schulküchen. Gestrichen würden auch 406 Plätze für benachteiligte Zielgruppen wie Alleinerziehende, psychisch Kranke und Migranten. Und auch die Arbeitsgelegenheiten für 18 bis 25-Jährige sollen um etwa tausend auf die Hälfte reduziert werden. Über 2011 hinaus nicht verlängert würden auch die im Koalitionsvertrag abgesicherten 1.000 Plätze für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, die Älteren unbefristet eine Perspektive geben sollten.

GAL-Politikerin Antje Möller sagt: "Wir sind darüber in einem heftigen Streit mit der Behörde." Es handle sich um Pläne auf der fachlichen Ebene, mit denen die Koalition noch nicht befasst sei. Das Thema betrifft auch die Haushaltsberatungen am Montag. Die Wirtschaftsbehörde wollte die Planungen weder bestätigen noch dementieren.

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7 Kommentare

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  • J
    Jan

    Das Dilemma: Kein Arbeitsloser möchte den 1-Euro-Job machen, aber wenn man sie nicht anbietet hocken die meisten Arbeitslosen doch zuhause rum und "verlernen" einen geregelten Tagesablauf.

    Zum thema Stundenlohn: 1 Euro je Stunde ist Mehraufwandsentschädigung, die zusätzlich zu ALG II und der Miete und den Heizkosten etc gezahlt wird. Fairer weise muss man das schon mitrechnen, so dass sich ein ganz anderer Stundenlohn ergibt (vermutlich ca. 7 Euro; gibt viele Jobs, in denen weniger oder zumindes nicht deutlich mehr bezahlt wird.

    Also muss man sich entscheiden: Entweder man zahlt jedem sein Geld und lässt alle in Ruhe (mit dem Erfolg, dass sich nichts ändert) oder man versucht wenigstens, die Menschen zu motivieren einen geregelten Tagesablauf wahrzunehmen.

  • P
    peter

    Natürlich leben die Beschäftigungsträger von den 1-Euro Jobbern! Und das nicht schlecht!

  • B
    B.Kraft

    Die Beschäftigungsträger brauchen die 1-Euro JoberInnen um ihre eigene Existenz zu sichern. Es ist Heuchelei, wenn behauptet wird, das sei im Sinne der Arbeitslosen. 1_Euro JoberInnen sind billige, rechtlose und zum Teil (Zwangs-)Arbeitskräfte.

    Abschaffung aller 1-Euro Jobs!!!

  • MN
    my name

    Die einfal GmbH hat zwei Gesellschafter, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Lv. Hamburg e.V. (SDW) und die Stiftung Unternehmen Wald, Deutschland e.V.

     

    Im eBundesanzeiger mal nach einfal GmbH googln

  • B
    B.Kraft

    Überall das Gleiche: egal ob Hamburg, Bremen oder andere Städte. Die Beschäftigungsträger gehen auf die Barrikaden, wenn 1-Euro-Jobs wegfallen. Dabei geht es in aber nicht um die Arbeitslosen, sondern nur um ihre eigene Existenz, ihre Geschäftsführergehälter, ihre Einnhamen, die sie mit den 1Euro "Zwangs-Jobs" erwirtschaften, um ihre billigen, rechtlosen Arbeitskräfte. Das weiß jede/r, der/die sich heutzutage etwas mehr mit der ganzen Geschichte beschäftigt.

    Die Beschäftigungsträgerszene ist auch korrupt, wie so vieles in der neoliberalen Gesellschaft. Hauptsache man kann auf Kosten anderer Menschen gut leben.

  • DB
    Dirk Bohrig

    Kleine Frage: Hat schon mal jemand überhaupt darüber nachgedacht oder geschrieben ob ein Job für diesen einen Euro in der Stunde überhaupt der Menschenwürde entspricht ?

     

    Würde mich freuen es denkt jemand. Das gern laut. Und gern auch in der Zeitung.

     

    Danke.

     

    DB

  • W
    Whistleblower

    Mehr Licht!

     

    Angeblich soll der Eimsbüttler Beschäftigungsträger einfal GmbH (MdB Rüdiger Kruse / CDU http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCdiger_Kruse ) weit über 20 Millionen (!) Rücklagen gebildet haben.

     

    Liebe Redaktion: Dieser Kommentar muss nicht unbedingt veröffentlicht werden, aber es wäre schön, wenn ihr der Sache mal nachgehen könntet. Im Staatsarchiv befindet sich übrigens die Akte des gelöschten Vereins "Eimsbütteler Initiative für Arbeiten und Lernen e.V., wurde vor ca. 10 Jahren gelöscht...)