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Wünsche von Hartz-IV-Kindern"Am liebsten neue Schuhe"

Was brauchen Kinder? Gitarrenstunden, meint Dudi, acht Jahre alt - und mit der Familie im Hartz-IV-Bezug. Mittagessen ohne Stigma, findet Mirco, 13 Jahre.

Mit und ohne Hartz IV: Kreidemalereien von spielenden Kindern. Bild: ap

BERLIN/HOMBURG taz | Dudi, acht Jahre alt, ist gut in der Schule, sagt sie. Rechnen sei aber "ziemlich schwer", erzählt die rothaarige Drittklässlerin, die mit ihrer älteren Schwester und den Eltern in einer Zweizimmerwohnung in Berlin-Neukölln lebt. Der Vater arbeitet auf einer Baustelle, doch das selbst Verdiente reicht nicht. Die Familie aus Serbien bezieht Hartz-IV-Leistungen.

Jeden Nachmittag kommt Dudi ins Nachbarschaftsheim Neukölln, dort gibt es Mittagessen und anschließend eine Stunde Hausaufgabenbetreuung in der Gruppe. 40 Euro im Monat kostet dieses Gesamtpaket, für das Dudis Eltern selbst zahlen. Nach den Hausaufgaben spielt die Kleine dann noch bis 17.30 Uhr im Nachbarschaftsheim, "Nachbi" genannt. Beim Töpferkurs im Nachbi war sie dabei. Auch beim "Coole-Kids-Rap", einem Video, tritt sie auf. "Das hat Spaß gemacht", sagt sie.

Stolz zeigt Dudi ihr Aufsatzheft, die Kinder sollten aufschreiben, was sie am vergangenen Wochenende taten, als das muslimische Zuckerfest im Bezirk gefeiert wurde. "Wir hatten eine auffürung", schrieb Dudi. Die Lehrerin gab als Hausaufgabe auf, die Sätze zu korrigieren, jetzt steht "Aufführung" im Heft.

Dudi spricht gut Deutsch. Mit den Eltern redet sie Serbisch, mit der Schwester Deutsch. In der Schule sollen die SchülerInnen untereinander nur in Deutsch kommunizieren. "Finde ich gut", sagt Dudi. "Dann können meine Freundinnen nicht in Türkisch über mich reden." Wenn alle die gleiche Sprache benutzen, ist es schwerer, hinter dem Rücken über einzelne Schüler zu lästern.

Dudi hat Musikunterricht in der Schule, sogar Instrumentalunterricht. "Ich habe eine Flöte", erzählt sie und zieht eine weiße Plastikflöte aus der Tasche. Die Eltern erwarben das Instrument günstig von der Schule. "Wir flöten in der Schule jeden Tag", sagt sie. Wenn Dudi sich etwas aussuchen könnte an zusätzlichem Unterricht, dann würde sie gerne "Gitarre lernen". Zu Hause steht so ein Ding herum, ihr sei es aber "noch ein bisschen zu groß". Die ältere Schwester hat das Instrument mal bekommen.

Aber wichtiger noch als Gitarrenunterricht sind andere Dinge. Dudi zum Beispiel war mit ihrer Familie schon mal bei den Großeltern in Serbien, "in den Sommerferien", sagt sie. Diese Reisen kosten viel Geld. Zwei sehr viel ältere Geschwister hat sie noch in den USA. Aber die hat sie noch nie gesehen.

Wenn sie mehr Geld hätte, vielleicht so 20 Euro mehr im Monat, die sie ausgeben könnte, was würde sie davon bezahlen? "Ein Paar neue Schuhe", sagt Dudi. Die Gummistiefel sind schon zu klein. Und die blauen Halbschuhe mit den Klettverschlüssen sind etwas dünn für den Winter.

***

Marco* ist 13 Jahre alt und besucht die 7. Klasse in einem Gymnasium der Universitätsstadt Homburg an der Saar. Marco will auf keinen Fall, dass seine Mitschüler erfahren, dass seine alleinerziehende Mutter arbeitslos ist und "vom Staat lebt". Das findet er "peinlich". Wird er von seinen Mitschülern nach ihr gefragt, sagt er, dass sie Hausfrau sei und getrennt von seinem Vater, einem Geschäftsmann, lebe. Und seine in nobleren Stadtteilen wohnenden Mitschüler dürften auch nichts davon mitkriegen, dass er in seinem Viertel für ein kleines Handgeld Reklamezettel verteilt.

Marco wünscht sich, dass seine Mutter Arbeit findet, "damit ich zusammen mit meinen Freunden in der Schule zu Mittag essen kann", sagt er. 3 Euro am Tag kostet der Mittagstisch in der Schule. 60 Euro Kosten wären das im Monat. Zu viel für die kleine Familie, die mit den beiden Regelsätzen nur 610 Euro monatlich zur Verfügung hat. Für Lebensmittel gibt Marcos Mutter im Schnitt für beide 6 Euro pro Tag aus, die müssen für Frühstück, Mittag- und Abendessen reichen, inklusive Getränke. Marco isst daher zu Hause, in der Zweizimmerwohnung in einer Hochhaussiedlung.

Schon in der letzten Grundschulklasse war der an Naturwissenschaften interessierte Junge einer der Besten. Er ist es jetzt auch im Gymnasium. Nachhilfeunterricht braucht er nicht. In der Schule würden bei Bedarf nachmittags Lehrer nachhelfen, erzählt die Mutter. Und für die Fünft- und Sechstklässler gebe es "Lernpaten" aus den Oberstufen.

An seinen freien Nachmittagen geht er am liebsten "mit Freunden kicken". Oder "den Technikworkshop in der Schule besuchen".

Wenn er zusätzliche Finanzhilfen für Bildungs- und Sportaktivitäten bekäme, würde Marco gern Mitglied beim FC Homburg werden. Der Verein habe schließlich schon einmal in der Bundesliga gespielt. Und bei "einem Profi Gitarre zu lernen", das fände er auch toll. Sein Genre sei der "Monsterrock".

2 Euro Taschengeld bekommt Marco an jedem Schultag, "damit er sich wie die anderen Kinder auch einmal eine Cola oder einen Kakao am Kiosk holen kann", sagt seine Mutter. Eng wird es, wenn Klassenfahrten anstehen. Zwar gibt die Schule einen Zuschuss. Aber der Junge, sagt seine Mutter, brauche auf der Reise doch auch noch eigenes Taschengeld. Das spart sie sich jetzt vom Munde ab. So wie auch das "Klamottengeld" für ihren Sohn. Wenn gar nichts mehr geht, "dann hilft die Oma".

Und was erhofft sich Marco? Dass seine Mutter Arbeit findet und er seine Kameraden nicht mehr anlügen muss. "Hartz IV", sagt er, "das ist doch die Pest."

* Name geändert

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10 Kommentare

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  • S
    Spike

    Nichts ist schlimm am Zeitungsaustragen o.ä. Nebenjobs, aber der Junge ist erst 13 und dürfte eigentlich noch gar nicht arbeiten.

     

    Und das die Mutter alleinerziehend ist, ist ja wohl nicht allein ihre Schuld, interessanter wäre ja, warum der Vater das Kind nicht unterstützt.

  • FP
    Frau Proper

    Darf ein 8jähriges Kind nicht mal mehr den WUNSCH äußern, die Großeltern oder Geschwister zu sehen. Niemand sagt, die Steuerzahler sollen zahlen, das Kind wurde nach seinen Wünschen gefragt. Aber die darf ein HartzIV Kind wohl nicht haben. Vielleicht "darf" sie wenigstens von Schuhen träumen, die passen und warm sind.

     

    In welcher Welt leben manche Menschen? Mir zerreißt sowas echt das Herz, bei so viel Kaltschnäuzigkeit. Kein Wunder wenn solche Kinder sich von der Gesellschaft abwenden.

  • ???

    @ Rudi, nur weil Sie ihren Kindern gebrauchte Schuhe kaufen damit Sie sich eine DVD Sammlung zulegen können, bedeutet das nicht das Eltern die auf ALG II angewiesen sind genauso handeln.

    Für alle anderen die sich hier so "schön" zum Thema ALG II äußern. Erst mal selber testen wie das ist wenn man auf ALG II angewiesen ist, dann könnt Ihr mitreden.

  • R
    Rudi

    Tja....wer garantier mir aber, dass das Kind neue Schuhe bekommt und nicht der Papa eine DVD Sammlung?

     

    Und übrigens, ich bin KEIN Hartz IV Empfänger und meine Kinder bekommen gebrauchte Schuhe, bei kleinen Kinder sehe ich da kein Problem.

  • G
    grafinger

    "Am liebsten Kultur"

    Was braucht der Steuerzahler? Kulturelle Einrichtungen meint Grafinger, 40 Jahre alt - und mit der Familie seit über 20 Jahren Steuerzahler.

     

    "Es beleidigt mich als Steuerzahler, wenn die kulturellen Einrichtungen vernachlässigt werden und statt dessen das Feuchtbiotop des Prekariats luxussaniert wird" meint der Grafinger, "wer Urlaub will muss ihn sich schon selbst verdienen".

  • H
    hanschwurscht

    Nein, den Urlaub auf keinen Fall, aber besonders Kindern müssen die gleichen Chancen offen stehen. Fakt ist, fühlt sich ein Kind nicht wohl, werden seine Noten früher oder später in den Keller gehen. Mal ganz plakativ: Weniger gute Kinder in der Schule -> weniger Qualifizierte für die Berufswelt = Deutschland geht den Bach runter. Daher ist es unverzichtbar, dass für Hartz-IV Empfänger mit Kindern die Regelsätze angehoben werden, oder Alternativen á la Bildungschipkarte geschaffen werden, um maximale Leistung von den Kindern verlangen zu können. Den ob meine Rente von einem ehemaligen Hartz-IV Empfänger-Kind kommt, oder von einem Kind, dass aus wohlbehüteten Hause kommt, ist mir egal, dankbar bin ich für beides.

  • M
    Mutter

    @Sebastian

     

    toller Kommentar, niemand schreibt das der Steuerzahler das bezahlen soll, hier stehen nur die WÜNSCHE der KINDER und die dürfen sie doch haben oder? Ich lebe leider mit meinen Kindern auch von Harzt IV Leistungen, immerhin 342€ im Monat, mehr bekomme ich nicht, da meine Kinder durch Kindergeld und Unterhalt eigenens Kapital haben, das zum Teil auch noch auf meine Leistungen angerechnet wird. Urlaub geht gar nicht, neue Schuhe sind ein Rechenspiel...Ich habe auch 20 Jahre Steuern gezahlt, war brav arbeiten und würde das gern wieder tun. Aber ich finde keinen Arbeitgeber, der Verständnis dafür hat, das ich als alleinerziehende Mutter nicht flexibel arbeiten KANN. Ich brauche einen Job, der mir Zeit lässt für meine Kinder, da hilft auch Ganztagsschule oder KiTA nicht. Die Kinder brauchen auch uns Mütter/Väter und nicht dauerhafte Fremdbetreuung. Ich könnte hier noch viel schreiben, aber das lohnt nicht. Weisst Du, ich habe Realschulabschluss, Abitur, habe einen Beruf, bin für viele Bewerbungen "überqualifiziert", so die Antwortschreiben. Die Stellen bekommen "Migrantinnen" wegen der Einbürgerungshilfe etc. Es sei ihnen gegönnt, aber ich möchte auch leben dürfen und kann auf Kommentare wie Deinen verzichten. Lebe mal eine Weile so, dann wollen wir mal sehen wie Du dann denkst. Es gibt Menschen, die sind ganz unfreiwillig in der Situation, ganz unverschuldet, schon mal daran gedacht. Und die KINDER sind sowieso unschuldig daran.

  • GM
    Gosig Mus

    "Ach wird ja immer besser. Soll jetzt der gemeine Steuerzahler auch noch den Urlaub in USA und Serbien bezahlen?"

     

    Rest des Artikels übersehen? Würde mal zum Augenarzt gehen.

  • BB
    Bad Bank

    Was bitteschön ist anrüchig am Werbezettel-Verteilen? Hab ich als Jugendliche auch gemacht, genauso wie Tausende meiner Altersgenossen. Man kann's auch übertreiben.

    Vielleicht könnte Marco ja mal seine Mutter fragen, warum sie denn alleinerziehend ist. Ach nee, is klar, natürlich ist die böse Gesellschaft schuld, wenn Eltern ihre Beziehung nicht auf die Reihe kriegen.

    Zum Thema kein Geld fürs Mittagessen, aber 2€ pro Tag fürs Schulkiosk, da erübrigt sich wohl jeder Kommentar...

  • S
    Sebastian

    Ach wird ja immer besser. Soll jetzt der gemeine Steuerzahler auch noch den Urlaub in USA und Serbien bezahlen?