Computerspiel über Klimawandel: In der Alge liegt die Kraft

"A New Beginning" zeigt den Klimawandel als Thriller. Und liefert ein Gegenmittel: Energie aus Algen. Vorbild dafür ist die Forschungsarbeit der Uni Kiel.

Im Jahr 2500 ist die Welt im Arsch, aber per Zeitreise können wir sie noch retten, die Gute. Bild: screenshot/daedalic entertainment

Im Jahr 2050 ist London überflutet, Sydney brennt, Moskau liegt unter einer Schneedecke. So zumindest in "A New Beginning", einem Computerspiel über den Klimawandel, das ab heute verkauft wird. "Der Klimawandel? Das ist doch kein Stoff für ein Spiel!", sei seine erste Reaktion gewesen, sagt der Autor des Spiels, Jan Müller-Michaelis. Solch ernste Angelegenheiten sind normalerweise Inhalt von Serious Games, also Lernsoftware mit Unterhaltungsfaktor, aber nicht von Abenteuerspielen. Schließlich hat der 33-Jährige sich doch eine überzeugende Geschichte einfallen lassen und die geht so:

Forscher Bent Svensson wollte einst die Welt retten und ging daran zugrunde. Mit der Wasserstoffgewinnung aus Mikroalgen wollte er Atomkraft und Co. ablösen. Nun steht der einstige Workaholic krank und alleine da, hat die Arbeit niedergelegt und geht zur Therapie.

Dann taucht eine Besucherin aus der Zukunft auf und will den alten Ben Svensson wiederbeleben. Fay kommt aus dem Jahr 2500, in dem die verbleibenden Menschen unter der Erde leben. Sie sagt, allein Svensson könne den Klimakollaps aufhalten,wenn er wieder forsche.

Um die Welt zu retten, muss der Spieler die Alge beschaffen und sich gegen die Atomlobby durchsetzen. In der Rolle von Fay und Svensson werden Rätsel gelöst, ein Boot repariert oder per Megaphon eine Demo in Schwung gebracht. Das Adventure wirkt wie ein spannender Comic für Erwachsene. Die Handlung um Svenssons Zerrissenheit und die Klimakatastrophe erscheint trotz Zeitreisen glaubwürdig.

Drei Jahre haben die Mitarbeiter der Hamburger Firma Daedalic Schauplätze gezeichnet, Dialoge geschrieben und recherchiert. "A New Beginning" sollte kein wildes Hirngespinst sein, sondern glaubwürdig. "Wir wollten die Realität einbauen. Die Fakten sind dramatisiert, aber die Geschichte hat einen wahren Kern", sagt Müller-Michaelis. Das Gegenmittel, um das sich im Spiel alles dreht, basiert auf der Arbeit von Rüdiger Schulz an der Universität Kiel. Er erforscht die Gewinnung von Wasserstoff durch Cyanobakterien und Mikroalgen.

Schulz war sofort begeistert: "Als sie mir sagten, sie wollen unsere Forschung in einem Spiel thematisieren, habe ich mich total gefreut und sie zu einer Präsentation eingeladen. Ich finde es toll, Wissenschaft verständlich darzustellen."

Damit der Spieler nicht durch sperrige Erklärungen gelangweilt wird, erscheint das Forschungsthema im Spiel stark vereinfacht. Auch hier produziert die Alge in Tanks durch Lichteinstrahlung Wasserstoff. Der gilt unter Experten als Energie der Zukunft. Was aber im Spiel die alleinige Lösung aller Probleme, ist für Schulz nur ein wichtiger Teil eines Puzzles. Biowasserstoff würde in 20 bis 30 Jahren etwa rund 15 Prozent des Energiebedarfs decken, einen Großteil wohl erst im Jahr 2100.

Einige Probleme von Spiel-Held Svensson sind auch ihm bekannt. Das Ringen um die Finanzierung zum Beispiel. Und die Zweifel, wenn auch nach langem Herumprobieren die Wasserstoffausbeute der Algen noch zu gering ist; eins der Hauptprobleme. An der Sache selbst habe er im Gegensatz zur Spielfigur nie gezweifelt. Schließlich böte diese Methode erheblich mehr Potenzial als die aktuellen alternativen Energien wie Windkraft.

Schulz hofft, dass durch das virtuelle Abenteuer mehr Menschen auf sein Projekt aufmerksam werden. Vielleicht erreicht er mit steigender Bekanntheit sein Ziel, dass er bis zur Pensionierung Wasserstoff an der Tankstelle tanken kann.

Ziel der Entwickler ist nicht der Einsatz für die Forschung. Sie würden gern das Spiel gut verkaufen - klar -, aber auch zeigen, dass jeder Verantwortung trägt und sich informieren soll, statt nur zu meckern. "Wenn jemand das Spiel unrealistisch findet, soll er sich in das Thema einlesen und es selbst überprüfen", sagt Spielautor Müller-Michaelis. Dann würden die Meckerer sozusagen nebenbei noch was über Ökologie lernen.

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