Neue Energie-Berechnungen: Atomplus bringt Finanzminus
Längere AKW-Laufzeiten könnten nach Ansicht von Experten nicht mehr, sondern weniger Geld für die Förderung von Ökoenergie bringen. Grund sind sinkende CO2-Erlöse.
BERLIN taz | Mit einem Großteil der Einnahmen aus längeren Atomlaufzeiten, so verspricht es die Bundesregierung, sollen Klimaschutz und erneuerbare Energien gefördert werden. Doch faktisch könnte das Gegenteil eintreten, warnte Felix Matthes vom Öko-Institut am Donnerstag in einer Anhörung des Haushaltsausschusses: Mit einer Laufzeitverlängerung könnte weniger Geld dafür zur Verfügung stehen als ohne.
Der Grund dafür: Der neue Fonds, den die Regierung für die Förderung von Klimaschutzmaßnahmen einrichtet, soll sich aus zwei Quellen speisen. Zum einen zahlen die AKW-Betreiber einen Teil ihrer zusätzlichen Einnahmen ein: 2011 und 2012 jeweils 300 Millionen Euro, 2013 bis 2016 jeweils 200 Millionen Euro. Ab 2017, wenn die für den allgemeinen Haushalt bestimmte Kernbrennstoffsteuer ausgelaufen ist, steigt diese Summe je nach der Menge des produzierten Atomstroms auf bis zu 750 Millionen Euro im Jahr an.
Zweite Quelle für den Fonds sind die Erlöse aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten im Rahmen des europäischen Emissionshandels. Ab 2013, wenn diese komplett versteigert werden, würden daraus bei einem Preis in der heutigen Größenordnung von 15 Euro pro Tonne CO2 Einnahmen von gut 2 Milliarden Euro jährlich in den Fonds fließen.
Doch diese zweite, wesentlich größere Einnahmequelle könnte durch die längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke deutlich geringer ausfallen. In ihren eigenen Energieszenarien ist die Regierung davon ausgegangen, dass die CO2-Zertifikate durch die längeren AKW-Laufzeiten um 5 Euro billiger werden, weil bei gleicher Zertifkatemenge mehr CO2-freier Atomstrom zur Verfügung steht. Die Einnahmen aus der Versteigerung sänken dann um rund 1 Milliarde Euro im Jahr, erläutert Matthes: "Dieser Rückgang wäre somit deutlich größer als die mit den Kernkraftwerks-Betreibern vereinbarten Förderbeiträge."
Wie stark die CO2-Preise tatsächlich sinken werden, darüber gab es bei der Anhörung unterschiedliche Ansichten. Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, geht von einem deutlich stärkeren Rückgang aus, was den Einnahmeausfall vergrößern würde. Felix Matthes vom Öko-Institut erwartet hingegen eher eine Preisminderung von 1,50 Euro. Selbst in diesem Fall wäre die Bilanz im Ökofonds in den Jahren 2013 bis 2016 negativ, weil die AKW-Betreiber nur 200 Millionen Euro einzahlen, die CO2-Einnahmen aber um rund 300 Millionen Euro sinken.
Für Sven-Christian Kindler, Haushaltspolitiker der Grünen im Bundestag, verliert die Regierung durch die neuen Berechnungen weiter an Glaubwürdigkeit: "Die Mär vom Geldsegen für Erneuerbare durch Laufzeitverlängerungen ist damit enttarnt."
Leser*innenkommentare
Gerhard Roth
Gast
Die Argumenter der Regierung für die Laufzeitverlängerung fallen wie die Dominosteine:
Billige Atomkraft? Das haben die atomnahen Wissenschaftler im Auftrag der Regierung schon widerlegt.
Sichere Atomkraft? Das glauben sie wohl selbst nicht, nachdem der Minister für Reaktorsicherheit beim Atomdeal erst gar nicht dabei war und alle teuren Sicherheitsauflagen (wie dickere Reaktorwände) auf den St.Nimmerleinstag verschoben werden dürfen
Und jetzt auch noch das:
Einnahmequelle Atomkraft? negativ!
Der Artikel zeigt auch gleich noch ein weiteres:
Klimaschutz durch Atomkraft? Fehlanzeige.
Solange die CO2 - Zertifikate nicht um die Menge verringert werden, die an Kohlestrom nicht gebraucht wird, dürfen eben andere ausserhalb der Kraftwerksbranche das Klima schädigen - für billiges Geld
Es wird Zeit, dass dieser Irrweg endlich verlassen wird
König von Deutschland
Gast
Ist doch alles kein Problem. Einfach die Menge an CO2-Zertifikaten reduzieren die durch Atomkraft eingespart werden. Dann bleibts beim alten Preis und man spart CO2.
Das sollte man überhaupt sowieso machen!
Effizienzsteigerungen können doch noch damit "belohnt" werden, dass es nachher für die die sich nicht bewegt haben billiger wird, weil andere weniger verbrauchen.
Jährlich einen Effizienzzuwachs von x % herausfinden.
Und diese Menge 100-x% CO2 darf man für ein bisheriges Zertifikat ausstoßen.
Problem gelöst. Wenn man die Menge des CO2 nicht anpasst dann kann man den Zertifikatehandel auch einpacken. Genauso wie man das EU-Label ALLERHOCHNOTDRINGENST neu kalibrieren müsste. Da wird jeder Schrott mit A bewertet. Selbst diese bekloppten Energiefresser von "Energiesparlampen".
Waage
Gast
Ohne die Atomwirtschaft in Schutz nehmen zu wollen möchte ich anmerken, dass mit den unerwünschten "Nebeneffekten" des CO2 Handels von der "Gegenseite" auch gegen die erneuerbaren Energien argumentiert wird.
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Der CO2 Handel ist m.E. bürokratischer und teurer Unsinn welcher abgeschafft gehört.
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Nebenbei gibt es auch ohne den groben Unfug eines durch Menschen und Kühe gemachten Klimawandels ökonomische und ökologische Gründe genug die Energieversorgung auf eine dezentrale und erneuerbare Basis zu stellen.
Wilhelm Wacker
Gast
Was für eine possierliche Argumentation. Da könnte man auch gegen Windenergie und Solarenergie sein, weil dafür keine CO2-Zertifikate benötigt werden.