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Fernsehfilm über fiktiven Kongo-EinsatzKanonenfutter bei der Arbeit

"Kongo" ist einer der wenigen Fernsehfilme über Auslandseinsätze der Bundeswehr. Soldaten kämpfen darin gegen ihre Ohnmacht (Montag, 20.15 Uhr, ZDF).

Vorbild war eine Feldjägerin im Afghanistan-Einsatz. Bild: zdf / kelly walsh

Ich habe Künstler immer auch als Seismografen einer Gesellschaft begriffen", sagt Christian Granderath. Er findet es deshalb "erstaunlich, dass ich in Angeboten von Autoren und Regisseuren zum Thema Bundeswehr im Kriegseinsatz in den letzten zehn Jahren nicht gerade ertrunken bin". Das Thema "müsste die doch nicht erst interessieren, seit Guttenberg sagt, es ist Krieg", ergänzt der TV-Routinier, der seit September die Abteilung Fernsehfilm beim NDR leitet und zuvor als Produzent für Teamworx tätig war. Günther van Endert, leitender ZDF-Fernsehfilmredakteur, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Allenfalls Drehbücher zu "Anti-Piraten-Einsätzen im Indischen Ozean" habe er angeboten bekommen, das seien aber nur "klischeehafte Kolportagen" gewesen.

Auf die mangelnde filmische Aufarbeitung aktueller deutscher Kriege reagieren Granderath - noch in seiner Funktion als Teamworx-Mann - und van Endert jetzt mit dem Film "Kongo": Der Film erzählt von einem fiktiven Einsatz der Bundeswehr in dem afrikanischen Land. Oberleutnant Nikki Ziegler (Maria Simon) soll den mutmaßlichen Selbstmord eines offensichtlich psychisch labilen Feldwebels aufklären. Bei ihren Recherchen stößt sie auf einen noch gravierenderen Fall - den offenbar willkürlichen Mord an einem Zivilisten. Bald aber muss sie einsehen, dass die Sprachmittlerin Noelle (Florence Kasumba), deren Vertrauen sie gewinnt, recht hat. "Hier gibt es keine Regeln, Nikki", sagt sie.

Vorbild für Maria Simons Rolle war Nadine Hübner, eine Bundeswehr-Feldjägerin, die in Afghanistan im Einsatz war. "Wir haben ohne irgendeine Form von Kontrolle zwei Tage lang mit ihr sprechen können", sagt Produzent Granderath. "Die hat frei Schnauze geredet, auch wenn sie natürlich nicht alles erzählt hat."

Der Gegenspieler der "Kongo"-Protagonistin ist Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf), ein bärbeißiger, sturer Bock, der ihre Arbeit behindert. Er habe die Rolle zunächst anders interpretieren wollen, sagt Schüttauf, aber dramaturgisch profitiere der Film letztlich von der Eindimensionalität dieses Charakters.

Mit etwa einem Dutzend Informanten aus Bundeswehrkreisen haben Granderath und Drehbuchautor Alexander Adolph während der Recherchen geredet. Thema war dabei auch das in Afghanistan praktizierte "Targeting", das gezielte Ausschalten vermeintlich besonders gefährlicher Feinde. Entsprechende Schilderungen "hätte man im Film nicht eins zu eins umsetzen können", sagt Granderath. Wenn man reale Kriegsverbrechen aufgegriffen hätte, "wäre es schwierig gewesen, den Film zu finanzieren". Darüber hinaus wollten die Macher damit der Gefahr vorbeugen, "von der Aktualität überholt" zu werden. Regisseur Peter Keglevic sieht es auch aus einem anderen Grund als vorteilhaft an, keine authentische Geschichte erzählt zu haben: "Weil wir nicht dokumentarisch genau arbeiten müssen, hatten wir einen größeren Spielraum, uns den Seelen der Soldaten zu nähern."

In "Kongo" überlagert das Persönliche das Politische, und das ist nicht unproblematisch, denn im Zusammenhang mit Kriegen gibt es grundsätzlich Gewichtigeres als ausgerechnet die Befindlichkeiten von Soldaten, die solche Kriege erst möglich machen. Bezeichnenderweise hatte einer der wenigen entfernt verwandten Filme einen ähnlichen Schwerpunkt: "Willkommen zuhause", der 2009 in der ARD lief. Im Mittelpunkt stand ein aus Afghanistan zurückgekehrter Soldat, der die Kriegserlebnisse nicht verarbeitet hat.

Legitim ist es dennoch, "Traumatisierungen und Ohnmachtserfahrungen" (Granderath) zu thematisieren, weil sie sich für die Umsetzung in einem Spielfilm besser eignen als machtpolitische und geostrategische Analysen. Granderath hält es für nicht unplausibel, dass im September 2009 die Bombardierung zweier Tanklaster bei Kundus das fatale Resultat solcher "Ohnmachtserfahrungen" gewesen sein könnte. Der Produzent betont aber, dass die Dreharbeiten für "Kongo" zum Zeitpunkt dieses Massakers bereits abgeschlossen gewesen seien.

Weil der Film die Soldaten auch als Opfer sieht und in ihre "Emotionen hineinkriecht" (Keglevic), dürfte der Film bei der Mehrheit der Truppe gut ankommen. Bei einer Podiumsdiskussion in Berlin sagte Ulrich Kirsch, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, er habe sich erst gefragt, ob "Kongo" ein Anti-Bundeswehr-Film sei, zog aber ein wohlwollendes Fazit. "Positiv überrascht" zeigte sich auch Militärhistoriker und "Kongo"-Berater André Deinhardt.

Besser als erwartet

Eine zusätzliche inhaltliche Ebene bekommt der Film durch die Entscheidung, den Kongo als Ort des Geschehens auszuwählen. Die Demokratische Republik Kongo ist weltweit der Kriegsschauplatz schlechthin, so unschön dieser Superlativ auch klingen mag. Im Osten des Landes toben seit fast zwei Jahrzehnten diverse Kriege und Unterkriege, an denen Armeen und Rebellenorganisationen mehrerer Staaten beteiligt waren, etwa Ruanda und Uganda. Ein aktueller UNO-Report zählt für die Zeit zwischen 1993 und 2003 600 Kriegsverbrechen auf; teilweise handelt es sich um Racheakte für den Völkermord in Ruanda.

Man könne aus dem Kongo "100 irrwitzige Geschichten erzählen", die Situation dort sei "um ein Vielfaches" dramatischer als die in Afghanistan, sagt Christian Granderath. Im Kriegsgebiet zu drehen stand deshalb nie zur Debatte. Deshalb entstand der Film schließlich in Südafrika. Zumindest angerissen wird das Thema Kindersoldaten, ebenso die wirtschaftliche Bedeutung des Kongo. Das Land verfügt über jene Rohstoffe, die für "unsere Handys", wie es einer der Soldaten im Film formuliert, unentbehrlich sind - einer von vielen Gründen für die kriegerischen Auseinandersetzungen.

Wer das reale Geschehen im Hinterkopf hat, könnte dem Film durchaus die Botschaft entnehmen, dass im Kongo eigentlich viel eher ein Bundeswehreinsatz angemessen wäre als anderswo - obwohl dort mit 20.000 Soldaten schon die größte UN-Blauhelm-Mission aktiv ist. "Der Film stellt eine Frage, er gibt keine Antwort", sagt Granderath dazu. "Kongo" sei jedenfalls nicht "der soundsovielte Antikriegsfilm".

Berater Deinhardt, 13 Jahre lang Berufssoldat und nun Hauptmann der Reserve, lobt Granderath und Drehbuchautor Adolph dafür, dass sie "eine einfache Antwort zu dem Sinn solcher Einsätze bewusst verweigern". Hauptdarstellerin Simon sagt dagegen: "Ich frage mich nach wie vor, ob solche Einsätze überhaupt der richtige Weg sind." Sie hat sich auch Gedanken darüber gemacht, ob sie selbst zur Waffe greifen würde. Ausschließen will sie das nicht - wobei sie kein ganz kleines Fass aufmacht: "Die einzige Situation, in der ich mich als Soldatin sehen könnte, wäre a) ohne Kinder und b) in einer Art großer Revolution für mehr Menschlichkeit und weniger Geldmacht."

Schlimmer als Afghanistan

Regisseur Keglevic wiederum kritisiert zwar nicht explizit den Krieg an sich, aber die Umstände: Die Soldaten würden "psychisch unvorbereitet" und "technisch zweitklassig ausgerüstet ins Grauen geschickt". André Deinhardt sieht das anders - fast naturgemäß, denn er hat nicht nur zwei Einsätze in Afghanistan hinter sich, sondern war auch in der "einsatzvorbereitenden Ausbildung" tätig. "Die Ausbildung ist über weite Strecken sehr gut", sagt er. "Man kann die Soldaten aber zwangsläufig nicht auf alle Situationen vorbereiten. Gewalteskalationen kann man in der Ausbildung nur bis zu einem bestimmten Punkt abbilden."

In "Kongo" geht die zentrale "Gewalteskalation" von deutschen Soldaten aus. Der Mord wird am Ende vertuscht. Die Bundeswehr dürfe nicht "als Verlierer dastehen", das Image des Friedensstifters keinen Schaden nehmen, sagt der Oberst der letztlich gescheiterten Heldin Nikki Ziegler. Das ist ein radikales, unversöhnliches Ende, das den Film zusätzlich aufwertet, ist damit doch zur besten Sendezeit normalerweise nicht zu rechnen.

Im besten Fall könnte "Kongo" für eine kleine Trendwende stehen. Granderath und van Endert jedenfalls sehen für Fernsehfilme zum Thema Krieg viel Potenzial. "Die Einstellung der Bevölkerung dazu, dass Deutschland Krieg führt, hat sich verändert", sagt der Redaktionsleiter. "Das ist ein interessantes Thema für einen Spielfilm."

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12 Kommentare

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  • F
    Fuzz

    Der Film hat leider einige Schwächen, die vor allem in der Darstellung der Ermittlerin liegen. Diese Frau begleitet in einem Krisengebiet im Gegensatz zu den ordnungsgemäß ausgerüsteten Soldaten (Helm, Splitterschutzweste etc.)nur mit Sonnenbrille und Barett ausgestattet, eine Patrouille, als sei sie bei einem Sonntagsausflug mit. Mit ihrer nervigen Art zu ermitteln, hätte sie bei wirklichen Soldaten keine Chance nur eine Auskunft zu erhalten. Mann würde sie einfach nicht ernst nehmen.

  • F
    Fuzz

    Der Film hat leider einige Schwächen, die vor allem in der Darstellung der Ermittlerin liegen. Diese Frau begleitet in einem Krisengebiet im Gegensatz zu den ordnungsgemäß ausgerüsteten Soldaten (Helm, Splitterschutzweste etc.)nur mit Sonnenbrille und Barett ausgestattet, eine Patrouille, als sei sie bei einem Sonntagsausflug mit. Mit ihrer nervigen Art zu ermitteln, hätte sie bei wirklichen Soldaten keine Chance nur eine Auskunft zu erhalten. Mann würde sie einfach nicht ernst nehmen.

  • T
    tystie

    Äußerst selten, dass ich mir ein Filmchen auf CDF ansehe. 'Kongo' erinnerte mich zunächst an einen kürzlich ausgestrahlten Film aus den USA, bei dem der Plot sich ebenfalls um ein Handyvideo (aus dem Irak) drehte. Unvermeidlich ist offenbar, was auch im Vergleich von Filmen über Verbrechen typisch ist: Die deutsche Army ist viel weniger förmlich, ja geradezu gemütlich. Dass Dienstgrade eine Rolle spielen würde, ist nicht erkennbar. Jeder quatscht mit jeder. Eine direkte Demokratie, die im Zivilbereich erst mühsam erobert werden müsste. Der absolute Abbruch ist allerdings das Ende, das nicht nur platt, sondern gar nicht nachvollziehbar ist. Hoffnung erweckt der Verdacht, dass die 'Feldjägerin' irgendwann in der Zukunft ihr Trauma überwindet und die Sache doch noch aufdeckt. Aber das müssen wir uns eben dazudenken. Genauso, wie damit umgegangen würde. Bekanntermaßen sind auch Minsterien und Gerichte bereit, militärische Verbrechen zu vertuschen und zu verharmlosen. Fazit: Kriegs-Seifenoper

  • TD
    Tyler Durden

    @vic

    @ Hubert Rudnick

     

    Nein, man sollte sich sowas unbedingt anschauen um sich darüber klar zu sein, wie weit man mittlerweile auf solchen Gebieten geht....

    IOch hab ihn mir gerade aus dem Internet runtergeladen und werd ihn mir nachher anschauen... ich meld mich dann nochmal, falls mich die übliche, staatstragende TAZ Zensur durchlässt...

  • TD
    Tyler Durden

    @rauhfuß:

    Sie schreiben:

    "Toll, jetzt wird deutscher Krieg auch in der Medienlandschaft wieder zur Normalität gemacht."

     

    Beschweren sie sich jett auch noch darüber, dass endlich mal die Anfänge zukunftsfähiger Politik in den Medien auftauchen?

    Gibts in Germoney noch Medien bei denen sie dies überrascht?

  • TD
    Tyler Durden

    @Martin

     

    Werter Martin, natürlich ist das alles was sie da schreiben richtig, nur... der Unterscheid zu den anderen afrikanischen Staaten besteht doch zunächst mal nur in Einem: Bei den anderen Ländern wissen wir weniger genau was dort ablief... oder?

  • HR
    Hubert Rudnick

    Den Unsinn eines Krieges aufzeigen.

    Kriege sind unfähig die Probleme der Menschheit zu lösen, sie schaffen mehr und nicht weniger und das sollte man auch in allen Filme aufzeigen.

    Den Ausspruch des geschassten BP Köhler sollte man in Filme widerlegen, dass Kriege die auch im Interessen der Wirtschaft notwendig sind.

    Wir wollen uns nicht an einer sogeannten Notwendigkeit eines Krieges gewöhnen müssen und so sollte mehr gegen ein Krieg ein Film aufgebaut werden.

    Ich jedenfalls werde mir diese Kriegsfilme nicht anschauen.

  • V
    vic

    Aufgrund der Prime-Time Position im ÖR-TV vermute ich stark, dass dieses Machwerk nur eine weitere Heldenverehrung "unserer Jungs" sein kann.

    Ich kann mir besseres vorstellen, als einen Militärfilm anzusehen, auch wenn als Eyecatcher ne hübsche MP mitspielt.

    Nein Danke, Deutschland hat weder im Kongo, noch in Afghanistan irgendwas verloren, it`s not our business.

  • R
    rauhfuß

    Toll, jetzt wird deutscher Krieg auch in der Medienlandschaft wieder zur Normalität gemacht.

  • IN
    Ihr Nameaads

    Toll. Das Ende verraten.

  • M
    Martin

    Wenn überhaupt, dann ein Krieg 'in einer Art großer Revolution für mehr Menschlichkeit und weniger Geldmacht'. Wer sich hierzu den Kongo ansieht: dort begann die postkoloniale Unmenschlichkeit mit der Ermordung Lumumbas, der Kongo in die Unabhängigkeit führte, durch die CIA und belgische Truppen. In einer kaum faßbaren CIA-gesteuerten Grausamkeit wurde Lumumba nach Folter und Tod zunächst begraben, dann exhumiert, um den Körper zu zerstückeln und in Säure aufzulösen. Bei Wikipedia nachzulesen. Es folgte die CIA-genehme Diktatur von Mobutu. Der Kongo wurde wirtschaftlich geschlachtet.

  • A
    astrodoc

    Der Kongo wäre ein "naheliegenderes Einsatzgebiet für de Bundeswehr als als Afghanistan " gewesen?

    Ist dem Produzenenteam entgangen, dass die Bundeswehr 2006/2007 einen mehrmonatigen Kongoinsatz (im EU-Rahmen) absolviert hat?