Kulturgut: Auf dem Kinder-Olymp

Ist das Altonaer Museum verstaubt? Das kann nur sagen, wer dessen Museumspädagogen nicht kennt und auch nicht die abenteuerlichen Ecken für Kinder.

Hamburger Institution in kabbeligem Wasser: Exponat aus dem Altonaer Museum. Bild: dpa

Jörg Gerhard war lange einer von vielen. Einer, der mit dem Altonaer Museum den Schulausflug in der Kindheit verband. Trübes, an das man nicht rührt, das man hinabsinken lässt, wohin es gehört: in nebelferne Vergangenheit. Heute, seit vier Jahren freier Museumspädagoge im Altonaer Museum, sieht er die Sache naturgemäß etwas anders. "Wäre ich heute ein Kind", sagt Gerhard, "könnte ich von dem Museum wahrscheinlich gar nicht genug kriegen." Und wie er das sagt! Mit einem Glanz in den Augen, als wäre er das Kind, von dem er gerade sprach.

Der Vorwurf, den man öfter hören konnte, das Altonaer Museum sei verstaubt, lässt sich an der Seite von Gerhard nicht nachvollziehen. Vor allem nicht, wenn man gerade den "Kinderolymp" erklommen hat, die unterm Dach gelegene Kinderabteilung des Museums, in der gerade eine multimediale Ausstellung über das Meer zu sehen ist.

Auch nicht von schlechten Eltern ist die "Optische Wunderkammer" ein Stockwerk darunter, eine Dauerausstellung über Frühformen optischer Medien wie Guckkästen und Papiertheater. "Der erste Fernseher", sagt Gerhard vor einem Kasten aus dem Jahr 1855, "das erste Kino", als wir beim sogenannten Eidophysikon angelangt sind. Der Nachbau eines Wolkentheaters aus dem Jahr 1771 zeigt Sonntag für Sonntag um 15.30 Uhr bei freiem Eintritt, wie zwischen den rollenden Wellen des Mittelmeers und unter Blitz und Donner ein Schiff am Fels zerschellt. Verstaubt? Nein, ein Spektakel.

Wer vom Muff des Altonaer Museums redet, kann den Kinderolymp und die "optische Wunderkammer" nicht gesehen haben. Der meint wahrscheinlich die landesgeschichtlichen Ausstellungsräume des Museums, in denen es in der Tat sehr heimisch, sehr nordisch zugeht. Die Abfolge von dusteren Bauernstuben etwa, da kann einem schon die Decke auf den Kopf fallen. Da tut es Not, jemanden wie Gerhard dabei zu haben, der einen auf die Schmankerl hinweist: etwa auf die hohe Kante in den Bauerntruhen, auf die wir noch heute, so wir es haben, unser Geld legen.

Besser aber wäre fürs Altonaer Museum, die Besucher trügen ihr Geld in die Vierländer Kate, ein reetgedecktes Bauernhaus, vor den Toren Hamburgs abgetragen und im Museum wieder aufgebaut, das seither als Café dient. Pommes gibt es dort nicht, schon wegen der Brandgefahr, die von einer Fritteuse ausgeht, dafür aber Labskaus und Malzbier. Wer die Vierländer Kate als verstaubt bezeichnen wollte - der wüsste nicht, was urig heißt.

Bleibt noch einer der Schwerpunkte des Museums: das Maritime. Vor zwei Jahren neu eröffnet wurde eine Abteilung über Holz- und Eisenschiffbau. Zu sehen ist dort das ganze Geraffel der Schiffszimmermänner, meterlange Sägen und Bohrer etwa, die aus der Dreyers-Werft stammen, ehemals eine der größten Norddeutschlands. Unverändert dagegen blicken die Galionsfiguren abweisend in das Halbdunkel ihres Saals. Und die Schaukästen über die Fischerei wirken nahezu wie an den Strand geworfenes Treibgut, das man vergessen hat, wegzuräumen.

Dafür gibt Gerhard vor der Kajüte eines Fischerewers noch einmal alles. Auf die Frage, wie der Fischer im winzigen Alkoven schlafen konnte, setzt er sich auf den Boden, winkelt die Beine an und sagt: "So."

Zusammengekauert, wie der Fischer im Alkoven: So könnte das Museum einmal wirken, wenn die Sparvorgaben des Senats umgesetzt werden müssen. Dabei hätte es das Zeug dazu, mit stolz geschwellter Brust in die Zukunft zu spazieren.

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