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ÖkoparteitagGrüner Streit über eine Menge Holz

Seit Monaten schwelt bei den Grünen der Biomasse-Konflikt: Darf Holz zum Verheizen aus Afrika importiert werden? Auf dem Parteitag müssen sie nun eine gemeinsame Linie finden.

Eingeborene Biomasse: deutscher Wald. Bild: dapd

Klima, Energie, Verkehr, Stadtentwicklung - das sind die Kernthemen des Grünen-Parteitags am Sonntag. Doch beim Punkt Energieversorgung zeigt sich ein grundsätzlicher Konflikt: Es geht um die Nutzung von Biomasse in Kraftwerken.

Vergangenes Jahr hatte der Energiekonzern Vattenfall entschieden, ein altes Braunkohlekraftwerk durch einen Anlagenkomplex zu ersetzen, der Wärme aus Erdgas und Biomasse gewinnt. Doch ein Teil der rund 500.000 Tonnen Holz, die die beiden Biomassekraftwerke ab 2019 jährlich verfeuern sollen, muss importiert werden: Regionale Wälder geben zu wenig her. Kurz nach Bekanntwerden der Planungen begann in grünen Kreisen die Diskussion über Nachhaltigkeit und ethische Verantwortung. Zum Parteitag soll nun eine gemeinsame Position gefunden werden - doch ein Kompromiss ist nicht in Sicht.

Mehrere Anträge lehnen den Biomasseimport generell ab. Einer der Kritiker ist Stefan Ziller, naturschutzpolitischer Sprecher der Parlamentsfraktion. "Wir glauben nicht, dass wir Holz aus Afrika haben müssen. Die Menschen dort benötigen den Rohstoff selber", sagt er. Vor dem Hintergrund, dass ein Kraftwerk Jahrzehnte am Netz sei, gelte es, die Weichen richtig zu stellen. "Eine Entwicklung wie beim Biodiesel sollten wir früh stoppen."

Auch die Zertifizierung von Holz, die Öko- oder Sozialkriterien sicherstellen soll, betrachtet Ziller kritisch: "In der Praxis funktioniert das nicht." Wenn erst genug ökonomischer Druck aufgebaut sei, könne die Einhaltung der Standards oft nicht garantiert werden. Die Unterstützer des Antrags fordern, das Kraftwerk kleiner zu bauen. "Der Wärmebedarf in Berlin ist gar nicht so groß", sagt Ziller und spricht von "Ökoimperialismus".

"Ressourcenimperialismus", nennt es Hartwig Berger aus Charlottenburg-Wilmersdorf. Er hat einen Antrag mit ähnlichem Inhalt eingereicht. "Ich finde es völlig falsch, den übermäßigen Energieverbrauch hier durch Ressourcenraub in der Dritten Welt zu decken", sagt er. Beate Kitzmann aus Lichtenberg, wo das Kraftwerk entstehen soll, lehnt den Import ebenfalls ab: "Wenn man Biomasse weiter als 70 Kilometer transportiert, frisst das die gute CO2-Bilanz von Biomassekraftwerken auf." Liberia, wo Vattenfall einen Teil des Holzes kaufen will, ist über 5.000 Kilometer von Berlin entfernt.

Michael Schäfer, energiepolitischer Fraktionssprecher, widerspricht diesen Argumenten. Er war federführend bei dem Antrag des Landesvorstands, der den Import von Biomasse nicht grundsätzlich ablehnt. Auch Schäfer kritisiert, dass Vattenfall bereits Lieferverträge abgeschlossen hat, ohne die Standards offenzulegen. Ganz auf Rohstoffimporte zu verzichten sei aber unrealistisch: "Wir müssen sie so organisieren, dass wir möglichst wenige soziale und ökologische Probleme produzieren." So hänge die CO2-Bilanz des Transports maßgeblich von der Transportart ab, nicht nur von der Distanz. Werde regionales Holz verwendet, verknappe sich zudem der entsprechende Markt und andere Unternehmen, die Holz benötigten, würden es importieren. "Dann haben wir gar keinen Einfluss auf Standards." Wenn durch mehr Energieeffizienz Kraftwerkskapazitäten überflüssig würden, finde er es sinnvoller, ein Kohle- als ein Biomassekraftwerk einzusparen.

Vor der Wahl im September 2011 wollen sich die Grünen positionieren, der Wähler soll wissen, woran er ist. Beide Lager betonen, dass sie die Diskussion vor einer Entscheidung von oben bevorzugen. Ob es am Sonntag zu einer Einigung kommt, ist aber unklar - vielleicht wird das Problem vertagt. Inhaltlich zeigen sich beide Seiten siegessicher: "Wenn wir in grünen Kreisen diskutiert haben, hat unsere Position eine deutliche Mehrheit gefunden", sagt Importkritiker Berger. "Vom Bauchgefühl sagen viele, dass die Importe schwierig sind", sagt Schäfer. Aber wenn es um die konkrete Alternative "Kohle oder Biomasse" gehe, seien die meisten offen für die Argumente der Befürworter.

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