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Sozialer Städtebau gekürztJetzt ist Schluss mit sozial

Der Bund kürzt massiv Gelder beim sozialen Städtebau - genau dagegen hatten Berliner Sozialarbeiter protestiert. Über 1.000 Projekte in Brennpunktkiezen sind bedroht.

Hat sich unter den Berliner Sozialarbeitern nicht beliebt gemacht: Peter Ramsauer (CSU) Bild: dapd

Aller Protest von Berlins Sozialarbeitern hat nichts genützt: Am Donnerstagabend beschloss der Bund deutliche Kürzungen in der Städtebauförderung. In Berlin trifft das vor allem die Sozialarbeit in Brennpunktkiezen. Gegen den Beschluss regte sich am Freitag breiter Protest.

Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) warf dem zuständigen Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) "eklatantes Politikversagen" vor. Die Bundesregierung lasse die großen Städte im Stich, wo es die drängendsten Probleme gebe. Zuvor hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags beschlossen, die bundesweiten Mittel zur Städtebauförderung für 2011 von 535 auf 455 Millionen Euro zu reduzieren. Ursprünglich war eine Halbierung geplant. Für Berlin gibt es damit wohl nur noch 22,5 statt wie bisher 30 Millionen Euro aus dem Topf. Der finale Gesamthaushalt wird Ende November im Bundestag verabschiedet.

Härter trifft die Hauptstadt die Zusammenstreichung beim Programm "Soziale Stadt". Hierunter fällt die Arbeit der Quartiersmanager in sozial schwierigen Kiezen: Sprachförderung, Jugendarbeit, Gewaltprävention, Stadtteilmütter. Statt bundesweit rund 100 Millionen Euro stehen hier nur noch 28,5 Millionen Euro zur Verfügung. In Berlin dürfte die Förderung von 5 auf etwa 1,4 Millionen Euro fallen - ein Minus von über 70 Prozent. "Dramatisch" sieht Junge-Reyer das Eindampfen dieses "essenziellen Programms". "Wie will die Bundesregierung erklären, dass ihr Steuerersparnisse für Hoteliers wichtiger sind als Bildung für Jugendliche?", fragte sie.

Bereits Mitte Oktober hatten 300 Mitarbeiter von Quartiersmanagements gegen die drohende Kürzung protestiert. Anne Wispler vom Arbeitskreis der Berliner Quartiersmanager nannte die aktuellen Zahlen "bedrohlich". Kritisch sei zudem, dass sich die Gelder künftig auf investive Aufgaben, etwa den Bau von Spielplätzen, beschränken sollen. "Man muss sich auch um die Menschen kümmern", so Wispler. Weit über 1.000 soziale Maßnahmen seien nun bedroht.

Die Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) bezeichneten das zusammengekürzte "Soziale Stadt"-Programm als "schlimme Weichenstellung". "Für das Programm bedeutet das faktisch das Aus", so BBU-Vorstand Maren Kern. Die Grünen sprachen von einem "Skandal". Der Senat müsse schnellstens eine Anhörung zu den Folgen der Kürzungen organisieren. Viele Optionen hat das Land nicht: Entweder es springt selbst finanziell ein - oder es lässt eine Vielzahl der Maßnahmen auslaufen. Ein Sprecher Junge-Reyers bezeichnete eine Gegenfinanzierung Berlins als "äußerst schwierig".

Die Quartiersmanager riefen die Bürger dazu auf, eine Online-Petition gegen die Sparmaßnahmen zu unterzeichnen. Das empfahl auch Senatorin Junge-Reyer.

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5 Kommentare

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  • P
    Paul

    Hallo,

     

    könnte man eventuell noch den Link zu der Online-Petition zur Verfügung stellen? Bei der Vielzahl an Petitionen ist es zu zeitaufwendig, eben jene herauszusuchen.

  • A
    Arno

    Warum verteilt das Bauministerium Gelder für Bildungsinitiativen und Sprachkurse. In diesem Artikel wird dies leider nicht deutlich.

  • E
    eva

    Interessant, dass sich ausgerechnet Frau Junge-Reyer gegen das Sparprogramm Ramsauers zu Wort meldet.

    Wie will Frau Junge-Reyer erklären, dass ihr der unsinnige Weiterbau der A100 in den Dauerstau hinein wichtiger ist als Quartiersmanagement, Kitas, Schulen und anderes Nichtmotorisierte? Bislang hat sie da eindeutige Präferenzen gezeigt!

    Vernünftig und im Sinn einer zukunfstweisenden Stadtentwicklung wäre es, wenn Junge-Reyer Ramsauer vorschlüge, die Gelder, die der unsinnige Weiterbau der A100 verschlingen würde, stattdessen für vernünftige Stadtentwicklung einsetzen würde. Dazu gehörte auch, dass die teure Weiterplanung des sinnfreien und noch dazu ungewissen Projekts sofort gestoppt würde. Auch dadurch würden jede Menge Gelder frei, die sofort zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger verwendet werden können. Aber an die denkt Frau Junge-Reyer leider zu selten.

  • X
    xonra

    Quartiersmanagement ist sowieso nur Mangelverwaltung, oder Schmiere für schlechte Politik. Vielleicht wandelt sich die lauwarme Betroffenheitssuppe nun in politischen Widerstand um. Nun müssen die Betroffenen sich in echter Solidarität üben. Das erscheint mir würdiger, als in dem Chor der Sozailarbeiter über Mittelkürzungen mitzusingen.

    Die haben sich leider von dem kleinen Rest des real existierenden Bürgerengagements zu weit entfernt. Sie haben sich eher als Instrument ihres jeweiligen Dienstherrens verstanden.

  • TD
    Tyler Durden

    Interessant finde ich, dass es selbst die TAZ es heutzutags keineswegs mehr für nötig hält in einem solchen Zusammenhang direkt auf die Finanzkrise zu verweisen, der man den heutigen Geldmangel ja zu verdanken hat.

     

    Man kann die ganze Entwicklung aber auch guten Gewissens begrüssen. Diese Regierung ist ja nicht vom Himmel gefallen, die jetzt Betroffenen haben sie selber gewählt.