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Angebliche Beteiligung an VerschwörungTürkische Regierung feuert Generäle

Drei Generäle sollen an einem Putsch beteiligt gewesen sein und wurden deshalb gefeuert. Für die Opposition ist das Urteil eine "Revanche" Erdogans gegen das Militär.

Hat das Primat der Politik gegenüber dem Militär durchgesetzt: Recep Tayyip Erdogan. Bild: dpa

ISTANBUL taz | Das erste Mal in der Geschichte der Türkischen Republik sind an diesem Mittwoch drei amtierende Generäle von der zivilen Regierung suspendiert worden. Dabei handelt es sich um den Generalmajor der Gendarmerie-Truppen Halil Helvacioglu, den Generalmajor des Heeres, Gürbüz Kaya, und Admiral Abdullah Gavremoglu. Allen dreien wirft die Staatsanwaltschaft vor, sie seien an den Vorbereitungen eines Putsches mit dem Codenamen "Vorschlaghammer" beteiligt gewesen.

Der Vorwurf gegen die drei Generäle ist nicht neu, sondern wurde bereits im August unmittelbar vor einer Kommandeurstagung erhoben, bei der es um die Besetzung höchster Stellen im Militär ging. Schon damals hatte die Regierung gegen 11 Beförderungen ihr Veto eingelegt, darunter waren auch die drei jetzt suspendierten Generäle.

Diese hatten sich damals an das höchste Militärgericht gewandt, das sie von den Vorwürfen entlastete. Diese Entscheidung ist jedoch für die Regierung nicht bindend. Sie hat das Recht, Offiziere, zu denen sie kein Vertrauen mehr hat, zu suspendieren. Bis jetzt hat sich keine Regierung der Türkei getraut, eine solche Suspendierung auszusprechen.

Die De-facto-Entlassung belegt deshalb erneut, dass die Regierung Erdogan das Primat der Politik gegenüber dem Militär durchgesetzt hat. Kritiker monieren, dass die Suspendierung erst jetzt erfolgte und nicht zum Zeitpunkt, als der Staatsanwalt seine Vorwürfe erhob. Ein Sprecher der oppositionellen CHP nannte die Suspendierungen deshalb eine "Revanche" der Regierung, weil die Militärspitze den Empfang beim Staatspräsidenten zum Jahrestag der Republik am 29. Oktober boykottiert hatte.

Die Militärs waren nicht erschienen, weil erstmals auch die kopftuchtragende Frau des Staatspräsidenten anwesend war. Der Generalstabschef, bis vor kurzem noch die graue Eminenz im türkischen Institutionengefüge, hat sich zur Suspendierung seiner Kollegen nicht geäußert.

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10 Kommentare

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  • C
    Cupcoffee

    @Haifze:

     

    Die Wahlergebnisse sind natürlich ein Argument zu sagen die AKP geniesst vertrauen in der Bevölkerung.

     

    Oder es könnte auch heissen AKP hat wieder einmal viele Geschenke im Osten gemacht.

     

    Fakt ist, das bei den gebildeten Bevölkerungsschichten erhebliches Misstrauen an die Regierung besteht.

    Da die Türkei ein erhebliches Bildungsgefälle hat und Erdogan durch seine Persönlichkeit, Ideologie und ein verzertes Weltbild dies zu nutzen weiss,

    bekommt er auch die nötigen Stimmen.

     

    Ach ja, natürlich die Medien, die entsprechende Propanda Maschiene von Erdogan nicht zu vergessen.

     

    Natürlich spielt Erdogan auch die schwache Opposition in die Hände.

     

    Die Türkei wird immer mehr islamiesiert. Durch die Armut wird diese Tendenz leider beschleunigt.

     

    Aus diesen vorher genannten Gründen bezieht Herr Erdogan seine Macht und nutzt diese Macht nur sich und seine Freunde zubereichern.

     

    Das Militär sollte sich natürlich nicht in das tägliche Politkgeschehen einmischen. Aber das Militär sollte auf jeden Fall den Gedanken von Mustafa Kemal Atatürk bewahren und notfalls den Lazistichen Staat schützen.

  • H
    Hafize

    @Cupcoffee

    "Das wäre auch gut, aber das Vertrauen in der Bevölkerung in die Regierung ist einfach nicht da"

    Ach ja?

    Wie sieht es denn mit den Wahlergebnissen für die AKP aus?

    Mit Deiner Argumentation kann man alles legitimieren, jede Diktatur, jeden Herrscher und jede politische Barbarei. Hier müsste ich selbst Atatürk mal in Schutz nehmen: Das wollte er wohl nicht, auch wenn er ein autoritärer Typ war.

     

    @Hoernir

    "beseitigt" die AKP - also die gewählte Regierung? Mir scheint die Wortwahl verrräterisch. Willst Du die alle aufhängen oder wie soll das passieren?

    Mal zur Erinnerung: 1980 strich Putschgeneral Kenan Everen als erstes in den Biologie-Büchern das Kapitel Evolution. Der Hoca-Sohn wollte den Islam gegen die Linken, Linkskemalisten und Konservativ-Liberalen in Stellung bringen.

    Das ist ihm nur zu gut gelungen. Sein zweiter Schritt war die Umbenennung des Yesilköy-Flughafens in Atatürk Flughafen. Wenn das Militär tolle Sachen macht, dann ist das doch schon mal ein Hinweis ...

    Die Türken sind nicht fehlerlos, aber das ist letztlich kein Volk. Die Allierten haben den Deutschen nach Hitler weitaus schneller das Recht zur Demokratie gegeben und das war aus der historischen Erfahrung weitaus dramatischer, als diese Psyeudo-Demokratie in Ankara. Von den vielen Verschwundenen, Toten, Gefolterten oder Vertriebenen nach 1980 muss ich nicht mal sprechen.

  • H
    Hoernir

    hoffentlich setzt sich das militär durch und beseitigt diese klerikalfaschisten um erdogan und co. der auftrag von kemal atatürk, die trennung von religion und staat zu bewahren, ist noch nicht ausser kraft gesetzt, oder?

  • C
    Cupcoffee

    In einer freien Demokratie ist das Militär dem Parlament unterstellt und das ist auch gut so.

     

    Die jetzige Regierung der Türkei geht angeblich den Weg zur freien Demokratie. Das wäre auch gut, aber

    das Vertrauen in der Bevölkerung in die Regierung ist einfach nicht da.

     

    Das türkische Militär dagegen geniesst Vertrauen in allen Bevölkerungsschichten.

     

    Das Problem ist viel komplexer als es die Regierung zugibt. Das Ziel der jetzigen Regierung ist nicht eindeutig erkennbar und das ist ein Problem, warum diese Entmachtung des Militärs nicht von alllen akzeptiert wird.

     

    Selbst wenn die jetzige Regierung den Gottesstaat nicht anstrebt, ebnet sie damit die Möglichkeit für eine andere zukünftige Regierung (vielleicht in 50 oder 100 Jahren)einen Gottesstaat auszurufen.

     

    Mustafa Kemal hat so eine Entwicklung vorrausgesehen!

     

    Die Türkei mit iherer Geschichte und Situation braucht eine Instans, welche die Verfassung garantiert. Das Militär hat mehrfach in Ihrer Geschichte gepuscht(leider), aber sie hat die Macht immer wieder abgeben.

     

    Das Militär hat die Aufgabe den Gedanken von Atatürk zubewahren.

     

    Der Staat und die Religion müssen getrennt sein, denn RELIGION IST PRIVATSACHE.

  • R
    @Rose

    Für Sie ist es dann auch demokratisch, dass die Regierung, jedem türkischen Bürger eine Ideologie aufzwingt? Bis jetzt konnte keiner der Vorwürfe gegen das Militär bewiesen werden!!! Sei es "Ergenekon" oder jetzt der "Vorschlaghammer", teilweise wurden Menschen ohne Anklage einfach verhaftet, nennen sie das Demokratisch? Ich glaube sie haben ein anderes Demokratieverständnis als die meisten anderen Menschen. Bis jetzt sind alle Prozesse noch ohne Verurteilung, mangels Beweisen! Es ist eine einzige Hexenjagd, die hier betrieben wird, mit dem Ziel der Demontage, der säkularen Säulen. Übrigens richtet sich der Erdoganische Staatsterror auch insbesondere gegen Journalisten und Menschenrechtler! Ist das für sie demokratisch genug? Oder sind das in ihren Augen auch üble Putschisten?

  • AH
    Axel Hannover

    Ob es ein Symbol für das Primat der Politik gegenüber dem Milität ist? Es könnte auch das Primat einer korrupten AKP-Meute gegen seine Kritiker sein! Und diese Zweifel zuzulassen, ist unter Berücksichtigung der türkischen Geschichte, der 10-%-Hürde bei Parlamentswahlen, des Anwachsens der Kopftuchträgerinnen, der Freundschaftsgesten für den Iran und der Feindschaftserklärungen gegen Israel usw. zwingend geboten!

  • H
    Hussi

    @RedHead

    Dein Problem ist, dass Du denkst, Atatürk sei irgendwo progressiv bzw. westlich-fortschritlich gewesen. Das ist aber nicht die Realität. Zum einen ist er 1938 gestorben und seitdem hat sich seine Ideologie und seine Ansichten zu einer Tarnkappe für eine bestimmte Elite gewandelt, zum anderen hat auch Atatürk genug Leichen im Keller angefangen von der Verfolgung der Armenier (noch im Osmanischen Reich), bis zur Unterdrückung der Aufstände, Kurden und Oppositionellen.

    Mit einer Waffe erzeugt man keinen Fortschritt, mit einem Koran auch nicht, aber Religion kann und sollte Privatsache sein. Das macht aus Erdogans Initiative noch lange kein Islamisierungsprogramm, obwohl die Gefahr besteht. Nur die Generäle werde diese Problematik nicht lösen. Was sie alles getan haben, spricht nicht für sie.

  • R
    rose

    @kluas

    Für sie ist es also Demokratie,wenn Generäle der demokratisch gewählten Regierung ihren Willen aufzwingen?Zur Not eben mit Gewalt(Putsch,Anschläge,Terror...)?

    Ihnen passt nicht,dass die (zivile)Politik ein Primat gegenüber dem Militär hat?So wie es in der EU ein unabdingbarer Standard ist...

    Sie entlarven sich selbst!

  • R
    RedHead

    Ich mag ja Militärs generell nicht, aber in der Türkei hat das Militär eine Sonderrolle. Die türkische Verfassung sieht vor, dass zur Not das Militär die Erhaltung der Säkularität durchsetzt, im Zweifel sogar gegen die Bevölkerung, vor allem aber gegen die Regierung. Dass die Regierung so etwas als Putsch betrachtet, mag sein. Dennoch ist es eine ziemlich heftige Entwicklung, wenn jetzt klar gestellt wurde, dass die Regierung auch mal eben Generäle entlassen kann. Unabhängig davon was da jetzt wirklich vorgefallen sein mag (der Artikel ist für meinen Geschmack zu undetailliert) bedeutet dass, dass Erdogan kaum noch Hindernisse vor sich hat bei den Plänen die Türkei in einen klerikalfaschistischen Gottesstaat mit Vorbild Iran zu verwandeln. Ich hoffe, es gibt noch genug Türken, die sich das nicht bieten lassen. Und ganz ehrlich, ich fände es auch großartig, wenn das Militär deutlich macht, dass es sich so etwas nicht bieten lässt, zur Not eben durch "Putsch".

    Man kann Atatürk bestimmt einiges vorwerfen, aber er hat vorausgesehen, dass irgendwann die religiösen Trottel antanzen um das Land zurück in die Mittelalter zu lenken. Er wollte genau das verhindern.

  • K
    kluas

    So viel zum Thema Demokratie in der Türkei, jetzt steht nichts mehr im Wege die Türkei in ein Allahstaat nach dem iranischen Vorbild umzuwandeln.