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China droht der WeltGratulation zum Nobelpreis, Herr Liu!

Freitag soll der Preis verliehen werden, doch Liu Xiaobo darf nicht nach Oslo, um den Friedensnobelpreis anzunehmen. China droht allen Staaten, die dabei sein wollen.

Urkunde bereit, Empfänger abwesend: Am Freitag kann niemand den Friedensnobelpreis entgegennehmen. Bild: dpa/montage taz

PEKING/BERLIN taz | Kurz vor der Vergabe des Friedensnobelpreises in Oslo hat Chinas Führung ein weitreichendes Reiseverbot über Regimekritiker und deren Familien verhängt. Der inhaftierte Publizist Liu Xiaobo wird am Freitag in Abwesenheit geehrt. Niemand wird den Preis entgegennehmen, weil Familie und Freunde an der Ausreise aus China gehindert wurden.

Nach massivem Druck der chinesischen Regierung wollen außerdem 19 Staaten keine Vertreter mehr zur diesjährigen Verleihung des Friedensnobelpreises schicken. Das gab das norwegische Komitee bekannt. Auch die UN-Menschenrechtskommissarin Navanethem Pillay nimmt nicht an der Zeremonie teil, sie leitet in Genf eine UN-Veranstaltung zum Tag der Menschenrechte. 44 Staaten wollen wie in den Vorjahren Vertreter entsenden.

Eingeladen waren alle Länder, die in Oslo mit eigenen Botschaftern vertreten sind. Nicht teilnehmen neben Russland, Kuba, Vietnam, Serbien und Sudan auch einige eher prowestliche Staaten wie Kolumbien, die Philippinen, Ägypten und Saudi-Arabien. China hatte allen Teilnehmern mit "ernsten Konsequenzen" gedroht.

Der regimekritische chinesische Künstler Ai Weiwei kritisiert im taz-Interview die Nachgiebigkeit demokratischer Staaten gegenüber Chinas Führung: "Wer darauf vertraut, dass sich China international verantwortlich verhalten wird, ist sehr naiv."

Am Dienstag polterte die Regierung in Peking erneut gegen das Nobelpreiskomitee. Außenamtssprecherin Jiang Yu nannte Lius Unterstützer "Clowns", die an einer antichinesischen Farce teilnähmen. Sie stünden Chinas Entwicklung grundsätzlich feindselig gegenüber und seien Störenfriede des politischen und rechtlichen Systems.

Pekings Angst

Seit der Bekanntgabe des diesjährigen Preisträgers am 8. Oktober gehen Chinas Behörden verstärkt gegen Bürgerrechtler vor. "Alle Erstunterzeichnern der Charta 08 werden an Auslandsreisen gehindert", sagte ein Pekinger Menschenrechtsaktivist zur taz. Die Polizei hat ihm und anderen Kritikern verboten, mit ausländischen Journalisten zu reden. Offenbar hat Peking Angst, Freunde Lius könnten sich in Oslo versammeln.

Wohl auch um zu verhindern, dass sich ihre Landsleute innerhalb Chinas zu Friedensnobelpreisfeiern treffen oder gemeinsam im Internet die Zeremonie ansehen können, haben die Behörden Dutzende Anwälte, Dozenten, Journalisten und andere Regierungskritiker unter Hausarrest oder verschärfte Bewachung gestellt. Den von Liu mitlancierten demokratischen Reformappell Charta 08 hatten zunächst mehr als 300 Intellektuelle unterzeichnet. Später unterschrieben 10.000 Personen.

Ausländische Korrespondenten in Peking berichten zudem, dass es in diesem Jahr schwieriger ist, die anstehende Verlängerung ihrer Akkreditierungen zu erhalten. Mehrfach wurden jetzt Journalisten persönlich vorgeladen und aufgefordert, nicht über Liu zu berichten.

Doch zugleich erscheinen die amtlich kontrollierten Medien auf den ersten Blick auch bunter und oft kritischer als in der Vergangenheit. Debatten über aktuelle Probleme, von der Immobilienspekulation über vergiftete Flüsse und gepanschte Lebensmittel bis hin zur Arroganz von Funktionärskindern sind im Internet häufig zu finden. An Universitäten, in privaten Salons, bei Kunstausstellungen und im Internet gehören solche Themen inzwischen zur Tagesordnung.

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11 Kommentare

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  • W
    Wahr

    Wer ist dieses unbedeutende Land das es sovielen drohen kann. Kauft doch einfach keine Artikel mehr aus CH Herstellung, geht in kein CH Restaurant und verfahrt ebenso mit Russland, Serbien etc.. Brauchen wir sies Länder? NEIN, wir haben alles selbst. Ebenso verfahrt mit Firmen und Staaten die Wikileaks bombadieren. Macht die Welt ein Stück besser. :-)

  • W
    Wahr

    Wer ist dieses unbedeutende Land das es sovielen drohen kann. Kauft doch einfach keine Artikel mehr aus CH Herstellung, geht in kein CH Restaurant und verfahrt ebenso mit Russland, Serbien etc.. Brauchen wir sies Länder? NEIN, wir haben alles selbst. Ebenso verfahrt mit Firmen und Staaten die Wikileaks bombadieren. Macht die Welt ein Stück besser. :-)

  • AY
    Aman Yarabbi

    Entweder Nobelpreis für Tom oder für gar keinen.

  • GS
    gottlose Schnecke

    Gut daß das Thema angegangen wird. Schlecht daß der Systemterror von Religionsdiktaturen zu wenig angesprochen wird.

  • M
    moritz22

    Was China tut ist verabscheuungswürdig. Trotzdem gibt es in diesem speziellen Fall keinen Grund hämisch mit dem Finger auf China zu zeigen. Haben wir in unserer "freien" westlichen Welt nicht auch einen Kritiker, der von Staats wegen mundtot gemacht werden soll - einen blonden Australier?

    Ich stelle mir gerade vor, was die USA machen würden, wenn Julian Assange den Preis erhalten würde; in eingien Foren wurde das ja bereits ernsthaft vorgeschlagen, und ich persönlich halte ihn immerhin für geeigneter als Obama, Henry Kissinger, Begin oder Arafat. Sicher würden dies USA solch einer Verleihung nicht nur selbst fernbleiben, sondern ihrerseits ebenso Druck ausüben - während der Preisträger selbst unter fadenscheinigen Gründen inhaftiert ist.

    Frei nach Orwell: Alle Tiere sind gleich, nur die Schweine sind gleicher.

  • S
    Stefan

    "Nach massivem Druck der chinesischen Regierung wollen außerdem 19 Staaten keine Vertreter mehr zur diesjährigen Verleihung des Friedensnobelpreises schicken."

    Unter diesen 19 Ländern sind nicht nur Feiglinge sondern auch Länder, die man weder bitten, geschweige denn unter Druck setzen braucht.

  • NB
    Nikolas Böhm

    Ich weiß gar nicht, wieso China sich so über den Friedensnobelpreis aufregt. Der ist doch seit seiner Vergabe an den frischgewählten Obama nicht mehr wert als das Papier, auf dem er gedruckt ist. Der ist doch keine Ehrung, wenn er derart leichtfertig verliehen wird. Das Komitee hat sich doch selbst diskreditiert mit der Wahl eines Präsidenten, der Kriege führt wie seine Vorgänger, der mit mehr als unlauteren Mitteln vorgeht gegen eine Internetplattform, die sich um das Menschenrecht Meinungsfreiheit bemüht, und der mit seiner jüngsten Kehrtwende den Nahostkonflikt wieder in die komplett falsche Richtung lenkt. Da kann Obama schwarz oder weiß sein, homo oder hetero, Frau oder Mann - ich ärgere mich über die durchmachte Nacht vor zwei Jahren, als ich dem Wahlergebnis entgegenfieberte!

  • TS
    Thomas St.

    Die chinesische Führung benimmt wie ein kleines, bockiges Kind, welchem man im Sandkasten die Schaufel weggenommen hat. Und im Grunde ist Weltpolitik ja auch nichts anderes als die Steitereien und Eifersüchteleien "großer" Kinder.

    Es ist schon erstaunlich, wie ein einzelner chinesischer Kritiker am selbigen System ein ganzes Regime aus der Fassung bringen kann. Ist ein Merkmal von Diktaturen, sich wie paranoid vor Einzelnen zu fürchten. Nun ja...

  • V
    vantast

    Schon erstaunlich, daß ein so großes Land Angst vor einem einzelnen Mann hat- ja, ein richtiger Mann, in jeder Hinsicht, während die chinesische Führung nicht aus Männern besteht, sondern aus Angsthasen, Paranoikern, die Angst vor dem Preisträger und Angst vor dem eigenen Volk haben.

  • B
    BiBo

    "Debatten über aktuelle Probleme, von der Immobilienspekulation über vergiftete Flüsse und gepanschte Lebensmittel bis hin zur Arroganz von Funktionärskindern sind im Internet häufig zu finden. An Universitäten, in privaten Salons, bei Kunstausstellungen und im Internet gehören solche Themen inzwischen zur Tagesordnung."

     

    uh, wieviel Prozent der chinesischen Bevoelkerung hat denn Zugang zu solchen Einrichtungen? Und wieviel Prpzent davon sind linientreu?

  • LV
    Lothar von der Memel

    Eure Umfrage im Hinblick auf China ist systemverharmlosend und liegt in der linken Tradition der taz. China ist nämlich `ne fette Diktatur, sonst nix.

    Gratulation allen, die das aufdecken und nicht zukleistern.

    Gratulation und Respekt Herr Liu !