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Klimaneutrale WeihnachstpostUmweltschutz für Selbstzahler

Wer jetzt Weihnachtspakete verschickt, kann wählen: Lieber die klimaneutrale oder die klimaschädliche Variante? Die Post schiebt die Verantwortung auf den Kunden.

Über 21 Milliarden Mal wählten im vergangenen Jahr die Postkunden die klimaschädliche Variante. Bild: dpa

BERLIN taz | Fünf Millionen Pakete werden in der Vorweihnachtszeit jeden Tag mit der Post verschickt, doppelt so viele wie sonst. Außer der Deutschen Post gibt es noch andere Zusteller, die jetzt Bücher und Lebkuchen von Haus zu Haus bringen, Hermes etwa oder UPS. Aber im Wettbewerb versucht sich die Deutsche Post ein Merkmal zu sichern, das besonders wichtig wird, wenn sich zum Jahresende das soziale und ökologische Gewissen meldet: den Ruf des grünen Versanddienstes.

In ihren Broschüren trägt die Post dick auf: Sie sei "Branchenvorreiter in Sachen Umweltschutz". Als erstes Logistik-Unternehmen weltweit habe sie sich ein Klimaschutzziel mit konkreten Zahlen gesetzt. Bis 2020 will der Konzern samt seiner Transport-Subunternehmer etwa pro Brief, Päckchen oder Paket 30 Prozent weniger von dem Treibhausgas Kohlendioxid ausstoßen als 2007.

Umsetzen sollen das vor allem die Kunden. Indem sie Klimaschutz kaufen. Auf den sogenannten Go-Green-Packsets sind Blumenmuster aufgedruckt - das suggeriert Umweltfreundlichkeit. Bei "Go Green", dem CO2-neutralen Versandservice der Post, misst das Unternehmen, wie viel Treibhausgas beim Transport und der Bearbeitung von Briefen und Paketen anfällt.

Die Emissionen will die Post dann durch Klimaschutzprojekte ausgleichen. Etwa durch den Bau eines Wasserkraftwerkes, das ein Dieselkraftwerk ersetzt.

taz

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Weihnachtspost

Bestellen: Nie werden so viele Pakete verschickt wie im Advent. Allein die Kunden des Internetportals Amazon bestellten 2009 am 14. Dezember, dem Spitzentag des Jahres, deutschlandweit 1,7 Millionen Produkte. Das sind über 20 Artikel pro Sekunde.

Abschicken: Wer mit der Deutschen Post Weihnachtspakete in andere EU-Länder senden will, muss sie spätestens an diesem Samstag zur Post bringen - oder für prioritäre Beförderung einen Aufschlag zahlen. Pakete und Päckchen, die in Deutschland am Heiligabend ankommen sollen, müssen bis zum 22. Dezember um 12 Uhr aufgegeben werden.

Der Haken: Den größten Teil der Mehrkosten zahlt der Käufer. Nur wer für seine Go-Green-Sendung den entsprechenden Briefumschlag oder die Paketverpackung in der Filiale kauft, für den übernimmt die Post den Klimaschutzbeitrag. Bei Bestellung im Internet müssen 10 bis 70 Cent Aufschlag pro Sendung selbst bezahlt werden. Und Geschäftskunden, die größte Gruppe der Go-Green-Nutzer, bekommen ihren Klimaablass in jedem Fall in Rechnung gestellt.

Es ist eine Strategie, die viele Unternehmen entdeckt haben, nicht nur die Deutsche Post. Die ökologische und soziale Verantwortung wird den Kunden zugeschoben, fast unbemerkt. Zum Beispiel, indem die Firmen ein Angebot machen: eine fair gehandelte Jeanskollektion etwa, die sich gut in der Werbestrategie macht.

Und kaum jemand fragt mehr, warum nicht bei allen Kleidungsstücken auf soziale Arbeitsbedingungen geachtet werde. Das Motto dahinter: Wenn ihr durch euren Konsum die Welt verändern wollt, dann bitte!

Im vergangenen Jahr haben sich die Postkunden nach Unternehmensangaben lediglich bei rund 700.000 Sendungen für die klimafreundliche Option entschieden - das sind nur rund drei Prozent der mehr als 21,7 Milliarden Briefe und Standardpakete, die die Post 2009 weltweit transportierte. In ihrer Werbung präsentiert die Post Go Green allerdings als große Klimawohltat, allein in ihrem Bericht zur Umweltverantwortung kommt Go Green in 15 verschiedenen Abschnitten vor.

In ihrem Buch "Ende der Märchenstunde" analysiert die Autorin Kathrin Hartmann noch weitere Beispiele für das Geschäft mit angeblich umweltfreundlichem und fairem Konsum. Etwa gebe sich die Deutsche Telekom als Klimaretter, weil mehr als 14 Millionen ihrer Kunden sich die Rechnung nicht mehr per Post, sondern per E-Mail schicken lassen, sagt sie. Das spare "jede Menge Papier und damit Wasser und Energie, die zur Herstellung benötigt werden", erklärt das Unternehmen.

Aber Hartmann schätzt, dass viele Kunden sich die Rechnung doch ausdrucken müssen. "Man verliert doch den Überblick, wenn man manche Belege auf der Festplatte und die meisten anderen auf Papier hat", sagt Hartmann. "Der Telekom ist das egal. Hauptsache, sie hat die Emissionen aus ihrer eigenen Bilanz raus."

Die Deutsche Lufthansa führt auf einer Internetseite zu ihrer "Verantwortung" für die Umwelt als Wohltat sogar an, dass die Schweizer Stiftung myclimate den CO2-Ausstoß auch von Lufthansa-Flügen kompensiert. Und die Deutsche Bahn lobt sich dafür, dass sie für Reisen von Firmenkunden Strom aus erneuerbaren Energien in ihr Leitungsnetz einspeist. Wenn der Kunde die Mehrkosten nicht bezahlt, berappt das Staatsunternehmen aber keinen Cent und kauft weiter genauso billigen wie umweltschädlichen Strom.

Weniger Abgase für die Post, mehr für den Kunden

Auch die sogenannten Packstationen der Deutschen Post sieht Klimaexperte Karsten Smid von der Umweltschutzorganisation Greenpeace als Teil einer Greenwashing-Strategie. Zu diesen etwa 2.500 Automaten in Deutschland können sich Empfänger Pakete bringen lassen und dann selbst abholen. Damit spart sich das Post-Tochterunternehmen DHL vergebliche Zustellversuche, weil der Empfänger nicht zu Hause ist.

Jährlich würden die Lieferwagen so etwa 238.000 Kilometer weniger fahren und weniger CO2 ausstoßen, schreibt der Konzern in seinem Bericht zur Unternehmensverantwortung. "Aber das ist nur die halbe Wahrheit", sagt Smid. "Schließlich fahren jetzt alle zu den Packstationen, in der Regel mit dem Auto. Da werden die CO2-Emissionen nur auf den Kunden verschoben."

Postsprecherin Christina Müschen glaubt das nicht. "Ich würde nicht am Sonntag noch zur Packstation fahren, sondern auf dem Nachhauseweg nach dem Einkaufen ohne großen Umweg das Paket abholen", sagt sie. so entstünden keine zusätzlichen Wege.

Aber warum bietet die Post dann überhaupt noch die klimaschädlichere Versandvariante an? "Diese Entscheidung muss man natürlich den Kunden überlassen. Da kann man die Leute nicht knebeln", sagt Christina Müschen.

Jahrelang betonten bewusste Konsumenten ihre Verantwortung. Jetzt bekommen sie die ganze, ungefragt. Und die Post schreibt es in ihre Selbstdarstellung unter "Unternehmensverantwortung".

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8 Kommentare

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  • I
    Ignaz

    In der Stoßrichtung liegt der Artikel schon richtig, vielleicht eine Korrektur: die Telekom wird nur moralisch wert auf eine hausintere Klimabilanz ziehen (natürlich gibt es alberne Zertifikate für "grüne Unternehmen"), ökonomische geht es doch nur um die Senkung von Verwaltungs- und Transaktionskosten. Dass dies den Kunden aufgebürdet wird, ist zwar ein billiger Trick, aber auch nicht mehr als das: solang es Menschen gibt, die tatsächlich annehmen durch ein einfaches Konsum- und Lebensstilmuster globale Ungleichheit einfach mal wegzukaufen, gibt es doch tatsächlich einen weiteren Kassenschlager. Allerdings würde ich die Latte etwas tiefer hängen: so wenig, wie es "die Menschen" gibt, gibt es einen prototypischen Kunden. Es gibt viel und wenig Zahlungskraft, für die Mehrzahl der Mitbürger auf jeden Fall wenig Zahlungskraft, für den Rest soll diese abgeschmackte Moralisierungs- und Psychologisierungsmasche ("Kauf dich rein!") ziehen: gleich ob ein Bierkasten für den Urwald oder eine grüne Briefmarke: nie werden die Grundlagen der Produktion und des Konsum thematisiert, immer nur einzelne Konzerne, die Menschennatur oder "der Markt" bezichtigt.

     

    Es gibt einen Massenkonsum in dieser Gesellschaft, der vor allem Massenverkehr notwendig macht. Es ist aber weniger der private Konsum und Verkehr, der das Übel ist, schließlich werden moderne Staatsbürger dazu zwangsweise angehalten ("Arbeiten, Konsumieren, Maul halten" sind ja die Imperative der Gegenwart), wer von dem abweicht, wird in Kommunen, Kibbuzen oder Produktionsgemeinschaften nur notdürftig über die Runden kommen; es ist ja die Produktionsmittelindustrie, die den meisten Verbrauch erzeugt. Das Klimaproblem ist insofern auch keines der "Verbraucher", die ja nur als Hebel/Vehikel für Profit dienen, sondern die zugrundeliegende Logik der Produktion als solche. Übrigens: die grüne Briefmarke sitzt noch einem Fehler auf: anstatt das zunehmende Bestellen im Online-Versand auf das gesellschaftliche Zeitregime ("Schneller!") zu beziehen, wird hier eine Dienstleistung verschrien, die genausogut staatliches Dekret sein könnte ("Klimaabgabe").

     

    Affluent society.

  • B
    Björn

    Korrekturen zum Artikel:

     

    - Die GoGreen Produkte der Deutschen Post zählen NICHT zur Erfüllung der gesetzten Klimaziele. Der hier gemachte Vorwurf trifft genau nicht zu. 30% Effizienzsteigerung bis 2020 werden NICHT vom Kunden bezahlt durch die GoGreen Produkte, sondern durch interne (inkl. Subunternehmer) Maßnahmen bewirkt. Die Deutsche Post schiebt die Verantwortung folglich nicht auf ihre Kunden ab, sondern bietet ihnen an sich aktiv am Umweltschutzprogramm zu beteiligen.

     

    - Im Jahr 2009 waren es nicht, wie im Artikel geschrieben, nur 700.000 GoGreen-Sendungen, sondern 700.000.000 (700 Mio), Tendenz stark steigend !!

  • S
    Schwäbin

    In der Pampa - sprich auf der Schwäbische Alb- gibts nur eins - die Post.Da sind wir noch dankbar, dass es überhaupt noch eine Möglichkeit gibt, ein Päckchen oder Paket loszuwerden. Mit oder ohne Klima.

     

    Anderseits- mit der Abschaffung des Paketmonopols fahren nun unzählige Paketdienste ( von UPS, German Parcel, TNT,...bis zu 1-Mann-Subunternehmern ) tagtäglich herum , fahren alle die mehr oder wenoiger gleichen Strecken.Da fragt auch keienr nach der CO 2 -Bilanz.

    Ein Paketdienst täte es ja auch. Aber was wären wir denn ohne WETTBEWERB ? Ohne Dumpinglöhne ?

  • L
    Liberto

    Ich bin auch so jemand, der Cent-Unterschiede im Paketversand wahrnimmt. Der billigste Anbieter bekommt den Zuschlag, das geht bei extrem knappen Margen im Onlinehandel manchmal nicht anders. Klimaschutz brächte much gegenüber der Konkurrenz zumindest finanziell ins Hintertreffen.

  • T
    Thomas

    Klimaschädliche Weihnachtspäckchen werde ich verschicken, bei dem Wetter erst recht. Sollen doch die CO2 sparen, die glauben das ein Spurengas für die nicht erkennbare Klimaerwärmung verantwortlich ist. Jeder kann ja mal raus gehen und das warme Wetter genießen. Aber Wetter hat ja nichts mit Klima zu tun.

     

    Oder wie Dr. David Viner Chef der CRU sagte:

    “Children just aren't going to know what snow is”

    Aber England ist komplett zugeschneit schon seit Anfang Dezember und es ist viel zu kalt für die Jahreszeit. Aber ignoriert das ruhig und zahlt mehr für eure Weihnachtspäckchen und alles andere, denn darum geht es doch.

  • JS
    Jens Schäfer

    Seien wir doch mal ehrlich:

    Die allermeisten Verbraucher sind ich nicht zu schade, um für ein 10 Cent billigeres Paket sofort den Paketdienst zu wechseln. Qualität der Lieferung, Fairness oder Klimaschutz ist den meisten herzlich egal.

    In dem Klima wäre ein Konzern, der vom Massengeschäft lebt (denn nur dann rentiert sich der ganze Aufwand mit einer bundesweiten Infrastruktur) schön doof, wenn er alle Produkte zwar klimafreundlich, aber auch teurer anbieten würde.

     

    Klingt zynisch?

    In was für Schwierigkeiten gelangte denn Frosta, als sie anfingen, auf Geschmacksverstärker zu verzichten?

    Wie groß ist der Anteil von Transfair-Kaffee?

    Wieviele Eier aus konventioneller Hühnerhaltung gehen immer noch jeden Tag über die Ladentheke?

     

    Solange der Verbraucher sich bestmöglich vor der Verantwortung drückt, haben Unternehmen, die vom Verbraucher leben, faktisch keine Wahl.

  • B
    Bert

    Finde ich eine gute Sache, der Kunde hat es in der Hand!

  • AK
    Annegret Kowalski

    Der Bürger will zwar Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit usw., aber nur unter einer Bedingung: Andere sollen dafür bezahlen! Schön, dass Unternehmen wie die Post im Verbund mit der taz die ganze Verlogenheit dieser Gesellschaft mal transparent machen!