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Repression in WeißrusslandRazzien gegen die Opposition

In Minsk wird weiter eingeschüchtert. Die Polizei durchsuchte Büros von Parteien und Menschenrechtlern. Inzwischen empfing Lukaschenko Gratulationen von Russlands Präsidenten.

Ein Demonstrant wird vor der weißrussischen Botschaft in Moskau abgeführt. Bild: reuters

BERLIN taz | Mehr als 700 Oppositionelle befinden sich nach Angaben der weißrussischen Menschenrechtsorganisation Vesna (Frühling) seit den Präsidentschaftswahlen vom 19. Dezember in Haft. Und die Verhaftungen und Hausdurchsuchungen gehen weiter. An den Weihnachtsfeiertagen waren erneut mehrere Wohnungen bekannter Oppositioneller und Aktivisten weißrussischer Nichtregierungsorganisationen durchsucht worden.

Auch das Büro des Europäischen Radios für Belarus, das in Polen registriert und beim weißrussischen Außenministerium akkreditiert ist, erhielt Besuch von KGB-Beamten. Ungefähr 50 Gegenstände, darunter Notebooks und Festplatten, hätten die Beamten mitgenommen, berichtet der Redakteur Vitalij Zybljuk.

Auch Mitglieder der linksgerichteten Partei Gerechte Welt wurden zum KGB-Verhör vorgeladen. Die durch ihre Wahlbeobachtung bekannt gewordene Partei hatte die Freilassung aller politischen Gefangenen verlangt. "Der Konflikt eskaliert, die Repressionen nehmen weiter zu", berichtet Oleg Hulak, der Chef des weißrussischen Helsinki-Komitees.

Die Machthaber wollten die Opposition vollständig vernichten, ist sich der Theaterschaffende Wladimir Chalip sicher. Es finde eine "Säuberungsaktion" statt, Aktivisten der Zivilgesellschaft würden verhaftet, eingeschüchtert, physisch und psychisch zerstört, so Chalip. Am Ende habe man im Land nur noch dekorative und keine demokratischen Organisationen mehr.

Laut amtlichem Endergebnis hat Präsident Alexander Lukaschenko mit 79,65 Prozent die Wahl gewonnen. Ihm folgt Andrej Sannikow mit gerade einmal 2,43 Prozent. Die oppositionellen Präsidentschaftskandidaten hatten bereits im Vorfeld der Wahlen vor Fälschungen gewarnt. Nach Schließung der Wahllokale waren am 19. Dezember 40.000 Menschen aus Protest gegen die Wahlfälschungen auf die Straße gegangen.

Inzwischen hat auch der russische Präsident Medwedjew seinem Kollegen Lukaschenko zum Wahlsieg gratuliert und somit das Ergebnis anerkannt. Insgesamt blieben die Glückwünsche an Lukaschenko rar. Bisher sind nur aus China, dem Iran, Palästina und Abchasien Glückwunschschreiben eingetroffen.

Während Russlands Führung den Schulterschluss mit Lukaschenko wagt, demonstrierten zahlreiche Menschen in Moskau vor der Botschaft Weißrusslands für die Freilassung von elf in Minsk inhaftierten russischen Staatsbürgern. Unter den Demonstranten fanden sich auch zahlreiche Redakteure der Nowaja Gaseta, die die Freilassung ihrer in Minsk verhafteten Kollegin Irina Chalip forderten.

Unterdessen wurde bekannt, dass einer der höchstrangigen weißrussischen Militärs, der Luftwaffenchef Igor Asarenok, festgenommen wurde. Er werde des Machtmissbrauchs verdächtigt, so das weißrussische Verteidigungsministerium. Nähere Einzelheiten wurden nicht genannt.

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5 Kommentare

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  • S
    Selpeter
  • Q
    Querulant

    Leute wie Selpeter wünschen sich selber so Zustände in Deutschland, scheints... die Faszination des Faschismus wohlmöglich... oder wars Sozialismus? Das vermischt sich ja in Weißruland doch ziemlich....

  • P
    Parason

    Lukashenka ist nicht demokratisch gewählt worden. Die Wahlen wurden falsifiziert. Die Ergebnisse von exit-polls sind hier (in Russisch) zu sehen. Danach hat er nur ca.40% der Stimmen erhalten, also keine 79% wie es offiziell mitgeteilt wurde.http://pgrigas.livejournal.com/541469.html

    Und das echte Bild seiner Unterstützung im Volk erklärt auch die enorme Brutalität gegen Sannikov und Neklyaev, beiden Präsendentschaftskandidaten. Bis heute hat keiner Neklyaev gesehen, weder Rechtsanwalt noch seine Frau. Es ist nur zu hoffen, dass er am Leben ist. Sannikov ist im Gefängnis der KGB. Belarus erlebt jetzt solche Zeiten wie Deutschland im Dritten Reich!

  • S
    Slobo

    @Selpeter: Wieso denkst du, dass Lukaschenko hier schlechtgeredet wird? Ich sehe jedenfalls keinen Zusammenhang zur grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Demokratische Wahlen sehen auf jeden Fall anders aus als sie im Artikel beschrieben sind. Die Gratulationen von Russland, China & Co passen zu einem Arikel der Süddeutschen: http://is.gd/jytXJ - Das sind alles Länder, die Opposition und Presse systematisch einschüchtern und mundtot machen wollen.

  • S
    Selpeter

    Kann es sein, dass die Böll-Stiftung und die Leute, die die Böll Stiftung kontrollieren oder Hilfe von der Böllstiftung bei der Verfolgung ihrer eigenen neoliberalen Interessen erhoffen, ein Interesse haben, den demokratisch gewählten Lukaschenko als üblen Diktator hinzustellen?