piwik no script img

Kommentar: Grüne im SinkflugKünast sollte Berlin mehr zutrauen

Antje Lang-Lendorff
Kommentar von Antje Lang-Lendorff

Statt zu sehr zur Mitte zu schielen, sollte Renate Künast authentische grüne Positionen vertreten und sie auch als solche verkaufen. Ansonsten wird aus dem rot-grünen Duell nichts.

E s muss sehr ernüchternd sein für Renate Künast: Eine gefühlte Ewigkeit wurde die Grüne als Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl umworben. Monatelang lag ihre Partei in den Umfragen vor allen anderen. Doch kaum gibt Künast bekannt, den Job tatsächlich zu machen, stürzen die Werte in die Tiefe. Und an diesem Debakel ist sie auch noch selbst mit schuld.

Im Nachhinein muss man vermuten: Viele Berliner, die sich noch im Herbst für Künast aussprachen, wollten vor allem einen spannenderen Wahlkampf und nicht wirklich einen grünen Sieg. Es reizte gar zu sehr, dem überheblichen Klaus Wowereit ein bisschen Angst einzujagen. Jetzt, da Künast antritt, hat sich dieser Bonus verbraucht.

Doch Künast eiert auch inhaltlich rum: Sie versucht, neue Wähler von SPD und FDP für sich zu gewinnen, der amerikanisch inszenierte Wahlkampfauftakt war ganz auf den Mainstream zugeschnitten. Doch gerade diese Leute stößt sie mit ihren Forderungen - Tempo 30 in der ganzen Stadt, eine Schrumpfkur für den Großflughafen - vor den Kopf. Gleichzeitig weiß auch das grüne Stammpublikum nicht, woran es bei Künast ist. Als Vertreterin einer links-alternativen Szene hat sie sich bislang - sicherlich bewusst - nicht präsentiert.

Das Ergebnis: Künast macht es keinem Recht. Will sie den Trend wenden, muss sie es schon wagen, authentische grüne Positionen zu vertreten und sie auch als solche zu verkaufen, statt ständig nach der Mitte zu schielen. Sie sollte dieser Stadt, die ja durchaus über ein großes, linksorientiertes Potential verfügt, ein bisschen mehr zutrauen. Ansonsten wird aus dem rot-grünen Duell nichts mehr. Dann heißt der Gewinner am Ende - mal wieder - Klaus Wowereit.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Antje Lang-Lendorff
wochentaz
Teamleiterin Gesellschaft in der wochentaz. Seit 2007 fest bei der taz, zunächst im Berlin-Teil, dann in der Wochenend-Redaktion. Schwerpunkte: Soziales und Reportage.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • V
    Volksstimme

    Wowereit macht seine Sache gut. Natürlich gilt für ihn: Wo gearbeitet wird, fallen auch Späne. Ich kann auch sagen: Sine vitiis nemo nascitur.

    Er hat viel Erfahrung in Berlin gesammelt, kann mit den Menschen gut umgehen und hat bisher die Geschicke der Hauptstadt, trotz klammer Kassen, prima gemeistert.

    Renate Künast hat zwar eine "kesse Lippe" wirkt aber sehr sprunghaft und nur grüne Projekte voranbringen genügt in dieser Weltmetropole eben n i c h t.

    Der Sozialdemokrat Wowi soll weiter unser geliebtes BERLIN regieren. - Viel Erfolg!

  • HL
    Hauke Laging

    Je früher der Dämpfer kommt, desto besser. Dass wir ein Jahr lang in den Umfragen ununterbrochen vor der SPD liegen würden, war reichlich unwahrscheinlich. Ich denke, durch diese unerwartet heftige Entwicklung haben einige Leute verstanden, dass wir in diversen Punkten noch besser werden müssen, uns der Wahlsieg nicht einfach so zufliegen wird. Und da dies jetzt schon passiert, stehen meines Erachtens die Chancen gut, dass dieser Ruck für genügend Bewegung bis zur Wahl sorgt.

     

    Außerdem gibt es da immer noch den immensen Mitgliederzuwachs und eine SPD ohne rechte Wowereit-Begeisterung.

     

    Es bleibt also spannend.

  • F
    fhainer

    Tja, nur Künast war viellleicht mal links. Sein tut sie das schon lange nicht mehr.

  • E
    EnzoAduro

    Frau Künast ist keine Generalistin.

    Am Ende würde Berlin vielleicht Ökohauptstadt sein und auch der CO2 Ausstpß wäre geringer. Wir haben 2 neue Mülltonnen und und und...

     

    Aber Berlin würde noch ärmer und pleiterer.

     

    Beispiel Flughafen:

    Ja fliegen ist schlecht für die Umwelt, aber eben gut für den Standort. Ein Bürgermeister muss hier lokale Egoismen durchsetzten, das andere Muss auf Bundesebene oder höher gemacht werden!

     

    Und eben diese Egoismen traut man einer Künast nicht zu. Genauer sogar: Man merkt Sie hat gar kein Konzept. Sie ist quasi eine Westerwelle.

    Wowi wird Bürgermeister bleiben; Und der BBI wird drittgrößter Flughafen Deutschlands.