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Dioxin im FuttermittelNiedersachsen sperrt fast 1000 Höfe

Niedersachsen sperrt nach dem nächsten Fall von Futter-Schummel fast 1.000 Höfe. Aigner wirft dem Land Inkompetenz vor und will mehr Befugnisse für den Bund.

Schweinestall in Bockel, Niedersachsen. Bild: reuters

HANNOVER/BERLIN taz | Der Dioxinskandal zieht immer weitere Kreise und wächst sich außerdem zu einer politischen Krise zwischen Bund und Ländern sowie innerhalb der Union aus. Am Wochenende sperrte Niedersachsen erneut 934 Höfe, nachdem weitere falsch deklarierte Futterlieferungen bekannt geworden waren. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) reklamierte mehr Kontrollkompetenzen für den Bund und legte sich mit ihren Parteifreunden von der CDU-geführten Regierung in Hannover an: Die sollten gefälligst personelle Konsequenzen aus den Fehlern ziehen - was die Niedersachsen umgehend zurückwiesen.

Begonnen hatte die neue Runde im Skandal am Freitagabend. Behörden hatten bei Kontrollen festgestellt, dass ein Futtermittelhersteller im niedersächsischen Damme, der dioxinbelastete Fette der Skandalfirma Harles und Jentzsch verwendet hatte, seine Lieferungen nicht vollständig mitgeteilt hatte. Da die Behörden dabei Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vermuteten, schalteten sie die Staatsanwaltschaft ein. Die ließ daraufhin die Zweigstellen des Unternehmens durchsuchen. Zehn Tage lang seien wegen dieser Falschdeklaration dioxinbelastete Eier in den Handel gelangt, schätzt das Ministerium in Hannover, das 110 Betriebe für Legehennen, 402 Schweinemäster und 248 Ferkelmastställe betroffen sah und sperrte. Das Futtermittel sei aus Damme offenbar auch nach Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Bayern gegangen, hieß es. Damit hat der Skandal, der eigentlich am Abflauen war, eine Woche vor dem Beginn der "Grünen Woche" in Berlin neue Nahrung bekommen.

Aigner hatte noch am Freitag Niedersachsen besucht, war aber nicht über diese neue Entwicklung informiert worden. Sie nannte das einen "Skandal im Skandal", warf dem Land Versäumnisse vor und forderte "personelle Konsequenzen". Außerdem werde sie nicht länger hinnehmen, dass "der Bund politisch haftbar gemacht wird", wenn in den Ländern ein Skandal passiere. Daher brauche ihr Haus mehr Kompetenzen bei der Kontrolle der Kontrolleure, was das Grundgesetz derzeit verbiete.

Niedersachsen dagegen erklärte, die Meldungen über den neuen Dioxinfall hätten bei Aigners Besuch eben noch nicht vorgelegen. Der Unions-Ministerpräsident des Landes, David McAllister, reagierte mit Unverständnis: Die Sache sei "viel zu ernst für parteipolitische Spielchen". Er betonte: "Wir haben die Sache im Griff. "

Die Angriffe Aigners haben einen politischen Beigeschmack: Niedersachsen hat zurzeit keinen Agrarminister, nachdem Astrid Grotelüschen wegen Vorwürfen über die Zustände in Geflügelmastställen und ihren familiären Verbindungen zur Agrarindustrie zurückgetreten war. Am kommenden Mittwoch soll nun Gert Lindemann als neuer Amtschef vereidigt werden. Lindemann wies die Kritik an seinem künftigen Personal sofort zurück. Er werde "garantiert nicht auf Zuruf der Bundesministerin einen politischen Beamten an die Luft setzen", sagte Lindemann. Mit Rücktrittsforderungen durch Aigner kennt Gert Lindemann sich aus: Denn bis Januar 2010 war er selbst Staatssekretär in Aigners Berliner Agrarministerium, ehe die Ministerin ihn entließ.

Kurzfristiger Gewinner der Krise ist die Biobranche. Der Absatz von Ökoeiern nahm nach einer Meldung des Focus um die Hälfte zu, bei Geflügel seien es 30 Prozent. Nach Meinung des Agrarwissenschaftlers Achim Spiller von der Uni Göttingen sind allerdings auch die Biobetriebe vor Skandalen nicht gefeit, weil ihr Kontrollsystem zu wenig auf Betrug ausgerichtet sei. BPO (mit dpa, dapd)

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8 Kommentare

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  • AA
    Alfons Alias

    Sehr geehrte Damen und Herrn bei der taz,

    vor ca. einer Woche habe ich Ihnen einen Kommentar gesendet der nicht veröffentlicht wurde. Der gleiche Inhalt wird jetzt von den regierenden Politikern geäußert und ist auch bei Ihnen zu lesen. Ich will damit sagen das ich einigen Leuten bei Ihnen die Kompetenz abspreche Leserkommentare zu zensieren, die sollten lieber im Archiv sitzen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Alfons

  • M
    meeran

    oh weh, 10 tage sind verseuchte eier in umlauf gekommen. und wie man sich darum kümmert. mir kommen fast die tränen, wie sich frau aigner um unsere gesundheit kümmert.

    nur komisch, daß keiner sagt das seit mindestens märz 2010 verseuchtes futtermittel im umlauf ist. und was war mit den nahrungsmitteln, die seit dem verzehrt wurden? vielleicht sollte man mal menschen untersuchen, die dass alles gegessen haben. und das waren bestimmt nicht wenige.

  • W
    Wolfgang

    WIRTSCHAFTLICHE INTERESSEN GEHEN IMMER VOR GESUNDHEITLICHEN INTERESSEN!

     

    Wie vernetzt ist Politik und Wirtschaft? Maschmeyer, Wulf, Grotelüschen, Westerwelle, Bayern LB, Nord LB,

    usw. usw. Die Welt ist nun mal auf Betrug aufgebaut,

    wer nicht reagiert, wird regiert!

  • A
    Andy

    Ich finde es wird viel Wind darum gemacht. Schön sind solche Skandale sicher nicht, aber es wird niemand umkommen wenn er ein Ei oder Kotelett isst.

    Schwerer würde sicher ein DHMO-Skandal (Dihydrogenmonoxid) sein, auf den aber niemand vorbereitet sein wird.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Bedauerlicherweise kennen sich viele Journalisten mit der deutschen Sprache nicht so aus, wie es erforderlich wäre, Sachverhalte korrekt oder zumindest adäquat wiederzugeben:

     

    Im Vorspann ist von "dem nächsten Fall von Futtermittel-Schummel" die Rede.

     

    Laut Großwörterbuch der Deutschen Sprache bedeutet "Schummel":

    der; -s (ugs.): das Schummeln; unbedeutende Betrgerei: mit S. gewinnen.

     

    Wer die falschen Begriffe wählt, wie Pötter, wird dem Gegenstand der organisierten, verbrecherischen und regierungsgestützten oder zumindest

    -geduldeten Futtermittel- und Lebensmittelskandale nicht gerecht und redet der Verharmlosung das Wort.

  • P
    Ponyplan

    Die Verantwortlichen des Dioxin Skandals sowie der dahinter stehenden Greultaten an den Tieren und der Umwelt in der Massentierhaltung sind die Verbraucher die dieses Billig Fleisch kaufen.

    Jeder vorhande Markt wird im Kapitalismus bedient. und die Verbraucher stellen den Markt, sie wollen ja nicht mehr Geld für Fleisch ausgeben.

    Die Opfer bei diesem Skandal sind nicht die Verbraucher, sondern die verseuchten Tiere die jetzt gekeult werden, mit noch weniger Sinn als zuvor.

    Wer Scheiße frisst ist selber schuld, wie beim Fernsehen.

    ponyplan

  • H
    Hans-Sönke

    "Daher brauche ihr (Aigners) Haus mehr Kompetenzen bei der Kontrolle der Kontrolleure, was das Grundgesetz derzeit verbiete. "

     

    Diese vermehrten Kontrollkompetenzen würden nur dazu führen, dass die Korruption in einer einzigen Instanz verbundeseinheitlicht, d.h. noch mehr erleichtert wird als sie es jetzt ohnehin schon ist.

     

    Was nützlich dagegen wäre: eine BKA-Sonderkommission "Korruption LM/Staat" unter parlamentarischer Aufsicht. Wer die Kapitaldurchdringungen, die realen (nicht die formalen !) rechtlichen Lebensmittelproduktionsbedingungen, Vertriebsschienen und Kooperationen mit Behörden nicht genau kennt, kontrolliert glatt daneben (siehe die illegale Anlage bei Harles & Jentzsch)und läßt sich von Formalien täuschen.

    Günter Wallraff ("Aus der schönen neuen Welt") hat in einem industriellen Backbetrieb gearbeitet, dessen Eigentümer immer behördlicherseits vor Kontrollen durch Hygieniker und Berufsgenossenschaft gewarnt wurde. Nur so war es möglich, dass Mitarbeiter ständig über einen sehr langen Zeitraum Verbrennungen durch knallheiße Backbleche und Verletzungen durch bewegliche Maschinenteile infolge Maschinenversagens erlitten. Die Backwaren für LIDL wurden durch blutende Wunden ebensooft verunreinigt.

    Derlei Korruption kann nicht von betroffenen Kontrollbehörden selbst aufgedeckt werden, dazu braucht es eine unabhängige, berichtspflichtige Institution. Wer nicht sucht, wird nichts finden, gell Frau Aigner ?

  • Z
    zackpacko

    Es kommt so langsam die Zeit wo die Gewerbeaufsicht GEWERBEAUFSICHT werden muss.

    Und das hat eine Bundesbehörde zu werden. EU-Behörde wäre noch viel besser.

    Dort könnte man die gesamte technische, medizinische, verbraucherschutzrechtliche Überwachung zuzsammenführen und große Synergien nutzen.

     

    Wir werden ohne harte Überwachung nicht auskommen, weil zu viele schlechte Menschen unehrlich viel Geld verdienen wollen. Das ist wie eine Mafiaseuche.

     

    In unserer globalisierten Welt sind solche Bekämpfungsaktionen nicht mehr auf Länderebene ausführbar, da die Länder sich untereinander nicht einig sind und nur ihre eigenen Maßstäbe gelten lassen wollen.