piwik no script img

Streit über RückgabeUnd ewig lockt die Nofretete

Ägypten fordert erneut die Rückgabe der berühmten Büste, diesmal ganz offiziell. Berlin bleibt stur: Nofretete gehöre hierher.

So viel Schönheit lässt einfach keinen kalt: Nofretete-Büste im Neuen Museum. Bild: reuters

Sie ist der Star auf der Museumsinsel, doch ob sie als Berlinerin bezeichnet werden darf, ist fraglich: Die Büste der Nofretete ist ein Zankapfel zwischen Berlin und Ägypten. Nun schürt ein angeblich offizieller Brief den Streit, in dem die ägyptische Regierung die Rückgabe der Königin fordert. Das Schreiben von Vize-Kulturminister Zahi Hawass habe die ausdrückliche Unterstützung von Premier Ahmad Nazif, erklärte die agyptische Seite. In Berlin indes hieß es, der Brief sei zwar eingegangen, enthalte aber keine offizielle Rückgabeforderung und sei auch nicht von Nazif unterzeichnet.

"Die Haltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hinsichtlich einer Rückgabe der Büste der Nofretete ist unverändert", erklärte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger. "Sie ist und bleibt die beste Botschafterin Ägyptens in Berlin." Hawass hatte in der Vergangenheit schon mehrfach die Rückgabe der 3.500 Jahre alten Gipsbüste gefordert. "In der Sachlage gibt es nichts Neues", sagte demzufolge ein Sprecher von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU).

Nach Ansicht der Bundesregierung ist der damalige preußische Staat bei den Ausgrabungen in Ägypten Anfang des 20. Jahrhunderts durch sogenannte Fundteilung zum rechtmäßigen Eigentümer der Nofretete geworden. "Aus unserer Sicht gibt es deshalb keinen Rechtsanspruch vonseiten Ägyptens auf diese Büste", erklärte der Sprecher.

Nofretetes Leben

Sie ist mehr als 3.300 Jahre alt und wird immer noch bewundert: Nofretete, die Hauptfrau des ägyptischen Pharaos Echnaton. 1370 v. Chr. im heutigen Syrien als Königstochter Taduschepa geboren, erhielt sie später ihren mit "die Schöne ist gekommen" übersetzten Namen. Nofretete ist die Stiefmutter des legendären Tutanchamun. Sie starb vermutlich 1338 v. Chr. + + + Ihre etwa 1355 v. Chr. von Thutmosis in Tell el-Amarna geschaffene Büste lag drei Jahrtausende im Wüstensand, bis sie 1912 der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt fand. Das 50 Zentimeter hohe Kunstwerk wurde nach Deutschland verschifft und erstmals 1924 in Berlin ausgestellt. (dpa)

Nofretete steht als Teil der ägyptischen Sammlung im Neuen Museum. Seit der Wiedereröffnung des Hauses im Oktober 2009 sahen mehr als 1,2 Millionen Besucher die Büste. Für Berlin geht es also um seinen Publikumsmagneten; außerdem führen die Archäologen gern konservatorische Gründe dafür an, dass Nofretete im Land bleiben soll. Ägyptens Vizeminister Hawass hingegen findet, dass sein Land bei einem Tauschgeschäft nach der Ausgrabung 1912 betrogen wurde.

Hawass ist zugleich oberster Archäologe in Kairo. In einer am Montag veröffentlichten Presseerklärung heißt es, sowohl Kulturminister Faruk Honsi als auch Premier Ahmad Nazif hätten dem Ansinnen zugestimmt. Das Schreiben der ursprünglichen Rückgabeforderung stammt von 2. Januar, es war an die Deutsche Botschaft in Kairo und das Auswärtige Amt in Berlin gegangen. Ein Team von Fachleuten sei nach vier Jahren Analyse zu dem Schluss gekommen sei, dass die Nofretete-Büste illegal aus dem Land geschafft worden sei.

Dass die Rückgabeforderung ausgerechnet am Montag lanciert wurde, könnte mit der prekären innenpolitischen Situation des Landes zu tun haben. Für den heutigen Dienstag haben ägyptische Oppositionelle und Menschenrechtsaktivisten über Facebook und in Blogs zum "Tag des Zorns" aufgerufen. Nach tunesischem Vorbild wollen sie eine Serie von Protesten gegen die drei Jahrzehnte andauernde Herrschaft von Präsident Hosni Mubarak einläuten. Da kommt es dem Regime recht, wenn die Zeitungen mit patriotischen Schlagzeilen über die Rückgabe der ihrer Ansicht nach berühmtesten Ägypterin aufmachen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

13 Kommentare

 / 
  • RJ
    Riga, Josef

    @Franz Beer

    Kolonialmacht war Deutschland in Keme nicht, wie das Land auf altägyptisch hieß.

    wenn man die jetzigen zustände in Kairo betrachtet verbietet sich ein Rücktransport der alten dame von selbst. Ausserdem gibt es keinen Rechtsanspruch auf daS kunstwerk, es gehört Deutschland.

  • Q
    Querulant

    "Und das Deutschland in Ägypten Kolonialmacht war, ist mir auch neu."

     

    Deshalb hab ich ja von "Kolonialmächten und Großmächten" geschrieben... oh Pardon, Deutschland war ja nie Großmacht... wollte es blos immer sein... sie haben mich erwischt...

  • FB
    Franz Beer

    Eigentlich ganz einfach.Eine Kolionalmacht stiehlt ein Kunstwerk,das eben der Bestohlene wiederhaben möchte.Wo ist da das Problem.Man soll nicht stehlen.Habs so gelernt Herr Neumann.Und Sie ?Sie möchten doch wohl nicht die Politik der Kolonialmacht Deutschland weiterführen,und sich auf Ihr ,,Anspruchsdenken,,berufen.Ab zurück .Mindestens 100 Jahre .

  • Q
    @Querulant

    "Aber in Fällen wie der ägyptischen Fundstücke kann das ganze auch von den heutigen Nationen wie ein Raub angesehen werden, immerhin haben hier Kolonialmächte und Großmächte ihre stärkere Position ausgenutzt um sich einen Vorteil zu verschaffen."

     

    Nochmals, mit einem "Raub" hat das nichts zu tun. Und die ägyptische Seite behauptet das auch nicht. Und das Deutschland in Ägypten Kolonialmacht war, ist mir auch neu.

  • Q
    Querulant

    Nun gut, zugegeben, im Falle der Beutekunst hat Rußland Kulturgüter widerrechtlich (zum Völkerrecht) im Krieg und kurz danach als "Kompensation" geraubt (und im Falle Polen haben die Deutschen u.a. Sammlungen von Museen auf polnischem Boden oder im früheren deutschen Osten "zurückgelassen"). Aber in Fällen wie der ägyptischen Fundstücke kann das ganze auch von den heutigen Nationen wie ein Raub angesehen werden, immerhin haben hier Kolonialmächte und Großmächte ihre stärkere Position ausgenutzt um sich einen Vorteil zu verschaffen. Verträge und Finanzierung hin oder her. Dass die deutsche Seite zu keinerlei Zugeständnissen bereit ist, spricht zumindest nicht für uns...

  • Q
    @Querulant

    Der Vergleich mit der Beutekunst ist kompletter Mumpitz! Hier wurde nix erbeutet sondern Deutschland hat die Ausgrabungen finanziert und durchgeführt. Dafür hat es als Ausgleich u.a. die Büste erhalten.

     

    Und was dieses Rechtsgeschäft mit Kolonialpolitik zu tun haben soll, verrät uns auch "Dr." Hutter nicht.

     

    Der Selbstdarsteller Hawass behauptet übrigens auch nichts dergleichen. Er beruft sich darauf, dass Ägypten getäuscht worden sei, indem man die Büste mit Dreck geschmiert habe. Für diese Behauptung hat sein Expertenteam dann vier Jahre gebraucht.

  • Q
    Querulant

    Ja ja, sich aber die sogenannte Beutekunst von Rußland zurückfordern... ist auch eine Form der Doppelmoral...

  • S
    sys

    Ich sage auch, zurück damit nach Ägypten. Vollkommen irrelevant, wer die Büste ausgegraben hat - sie ist ägyptisch und gehört zu Ägypten.

  • VS
    von Siegfried

    Kunst gehört demjenigen, dem Kunst gehört und zwar sofort!! Klar kann ich hundert Jahre später behaupten, der Vertrag war nicht rechtens - na und.

  • E
    eva

    Es hat nichts mit Neokolonialismus oder gar antiislamischen Ressentiments zu tun, sondern ist eine Tatsache, dass ohne europäische Gelehrsamkeit und Finanzkraft Nofretete vermutlich gar nicht erst ausgegraben und in ein Museum gestellt worden wäre. Oder warum haben die Ägypter das nicht längst vorher getan?

    Noch absurder ist die Rückforderung des Pergamonaltars durch die Türkei - der antike Ort Pergamon liegt zwar in der heutigen Türkei, diese hat jedoch mit ihrem nichtislamischen kulturellen Erbe ganz erhebliche Probleme (nicht zuletzt finanzielle) und stellt damit für viele einmalige, aber leide vorislamische Kulturgüter ein Risiko dar, dem man das kulturelle Erbe Europas, wenigstens soweit es sich auf in hiesigen Museun befindet, lieber nicht aussetzen möchte.

    Man denke nur, was die vorige afghanische Regierung von den Buddhastatuen von Bamijan hielt ... wer garantiert dafür, dass ein mögliches islamistisches Regime in Ägypten nicht Ähnliches mit Nofretete anstellte?

  • T
    tyrfing

    galfinger, was für rassistisch anmutende artikel sie zu lesen belieben interessiert niemanden.

  • G
    grafinger

    Ich habe neulich einen sehr interessanten Artikel gelesen über die islamische Kunst des lustvollen beleidigt Seins.

    Sollte das "Nachverhandeln" Schule machen so könnte man ja:

    Helgoland wieder gegen Sansibar tauschen

    Ein Stück Antarktis fordern

    Salzburg, Kufstein, Neuenburg und das Elsass zurückfordern

    (Gebietsabtretungen neueren Datums will ich gar nicht anführen)

    Das Bernsteinzimmer zurücktauschen

  • DJ
    Dr. Jörg Hutter

    Ich bin der Überzeugung, dass dieses Kulturgut der ägyptischen Regierung und dem agyptischen Volk zurückgegeben gehört. Es erinnert mich fatal an die Kolonialisierung von Afrika, wenn heute angeführt wird, deutsche Archäologen hätten diesen Fund gehoben. Die Kulturgüter gehören denen, deren Vorfahren sie erzeugt haben. Ohne wenn und aber!!!

     

    Es ist mehr als verfehlt und ein Zeichen von Peinlichkeit, wenn der Kulturstaatssekretär der Bundesregierung Bernd Neumann behauptet, die Büste, die sich heute im Neuen Museum befindet, sei im Jahre 1913 bei einer Fundteilung “rechtmäßig durch die Deutsche Orient-Gesellschaft und später durch den preußischen Staat erworben„ worden.

     

    Besser kann man menschenrechtsverachtende Kolonialpolitik nicht umschreiben.

     

    Meine Forderung hingegen lautet: Die Büste gehört dem ägyptischen Volk zurück gegeben. Und zwar sofort!!!

     

    Dr. Jörg Hutter