piwik no script img

Vor dem Weltwirtschaftsforum in DavosDeutschland unter Beobachtung

Beim Weltwirtschaftsforum muss sich die Bundesregierung viel Kritik anhören. Der US-Ökonom Nouriel Roubini wirft ihr vor, die Krise des Euro zu verschärfen.

Manche sehen hier die dunkle Seite der Wirtschaft. Andere nur Schatten beim Weltwirtschaftsforum 2010. Bild: dpa

Wenn am Mittwoch das Weltwirtschaftsforum im Schweizer Nobelskiort Davos beginnt, muss sich die deutsche Bundesregierung mit deutlicher Kritik auseinandersetzen. Einige Wortführer des Weltgipfels der globalen Management- und Politikelite schreiben ihr eine Mitverantwortung dafür zu, dass die Eurokrise andauert.

Angesichts dieser Stimmungslage kann es nicht schaden, dass die deutsche Teilnahme in diesem Jahr außergewöhnlich hochkarätig und umfangreich ausfällt. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und weitere Minister auf der Liste.

Den kritischen Ton gegen die deutsche Haltung in der Eurokrise gab unlängst US-Ökonom Nouriel Roubini in einem Interview vor. Wie im vergangenen Jahr wird Roubini heute bei einer ersten Davos-Veranstaltung auf dem Podium sitzen und mit seinen Thesen die Debatten der kommenden Tage beeinflussen. Seine Empfehlung lautet schlicht: "Mehr Geld ausgeben". Diesen Rat erteilte er sowohl der Europäischen Zentralbank (EZB) als auch der Bundesregierung und der Eurogruppe insgesamt.

Die EZB solle mit allen Mitteln, etwa weiterhin niedrigen Zinsen, dafür sorgen, dass ausreichend Geld im Wirtschaftskreislauf zirkuliere und dadurch das Wachstum stimuliert werde, so Roubini. Ohne zusätzliches Wachstum sei es den hoch verschuldeten Eurostaaten Portugal, Spanien und Italien nicht möglich, ihre Schuldenlast zu verringern.

"Deutschland sollte seine Austeritätsstrategie verschieben", empfiehlt der Ökonom. Merkel, Schäuble und Brüderle müssten einwilligen, Staaten wie Griechenland und Irland mehr finanziellen Spielraum zu gewähren. Diese Länder würden nur dann aus ihren Schulden herauswachsen können, wenn sie keine zu rigiden Sparprogramme durchführen müssten. Und drittens müsse die Eurogruppe den Rettungsschirm für bedrohte Staaten um ein paar hundert Milliarden Euro aufstocken. Nur dann würden die Investoren an den Finanzmärkten glauben, dass die Gefahr des Zusammenbruchs einer Euro-Ökonomie wie Spaniens gebannt sei.

Unter dem Strich, so Roubini, gebe es nur eine Wahl: Entweder müsse das reiche Deutschland mehr Geld in den Fortbestand des Euro investieren, als es heute zu geben bereit sei - oder die Eurozone breche durch den Kollaps eines oder mehrerer Staaten auseinander.

Mit seinen Thesen holt Roubini die Auseinandersetzung nach Davos, die in den vergangenen Wochen schon die europäische Politik bestimmt hat. So forderte EU-Kommissionspräsident José Barroso gegen die Position der Bundesregierung, den Rettungsschirm auszuweiten.

Aber auch die Sparposition wird in Davos vertreten sein. So moderiert Dennis Snower, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, eine Diskussionsveranstaltung mit dem Titel "Globale Risiken". Snower hält die "Aufstockung des Euro-Rettungsschirms für unsinnig", wie er der taz sagte. Stattdessen sei es sinnvoll, eine langfristige Sparpolitik zu formulieren, die es den Staaten einerseits erlaube, zu wachsen, andererseits aber die Schulden wieder auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Snower schlägt vor, von der Politik unabhängige Schuldenkommissionen zu berufen, die die Maßnahmen überwachen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • I
    Illoinen

    Sparen an sich ist ja nicht schlecht, aber es fragt sich wofür? Weiterhin für das Investment Banking? Hedge Fonds und Co. oder in die Realwirtschaft, um Arbeitsplätze zu schaffen? Es ist schon ein Unterschied, ob ich für "sog. Spekulanten spare welches mit rund 800 Trillionen weltweite Spekulationen betreiben und deren Gewinne in Steueroasen verschwinden, oder dagegen für die Realwirtschaft mit gerade einmal 60 Trillion

  • K
    Kaboom

    Gerade in diesem Land sollte dem Bürger klar sein, dass exzessives Sparen in einer extreme Rezession führt. Denn dieses Land hat das erlebt. Die Brüning'sche Sparpolitik brachte Millionen Arbeitslose und letztlich die Braunen an die Macht. Die von Merkel verordnete exzessive Sparpolitik wird diesen Kontinent in eine Rezession stürzen, gegen die jene von 2008/9 ein Kindergeburtstag ist.

  • AG
    Anja Günther

    Heißt unser Wirtschaftsminister nicht Rösler?

  • NM
    Noch müde

    Hab doch tatsächlich verschlafen, dass es schon wieder einen Wechsel im Wirtschaftsministerium gegeben hat ...

  • A
    A.Grech

    "Ohne zusätzliches Wachstum sei es den hoch verschuldeten Eurostaaten Portugal, Spanien und Italien nicht möglich, ihre Schuldenlast zu verringern."

     

    Was von diesem mit billigem Geld induzierten (Fake-) "Wachstum" zu halten ist, ist wohl in den letzten Jahren offenbar geworden.

     

    Wenn Roubini's Einschätzung von Spanien als noch schlechter dastehend als Griechenland sich als wahr erweist, dürfte es mit dem Euro vorbei sein - da helfen dann auch keine Euro-Anleihen oder größere Rettungsschirme mehr.

  • JV
    Jenseits von Böse

    Darüber, wie "hochkarätig" unsere Regierung in Davos anreist, will ich nicht streiten, aber sicherlich ist sie mit Brüderle für den allabendlichen Umtrunk der neoliberalen Glaubensgemeinschaft bestens gerüstet. Ganz gewiss wird sie auch mehr Geld - also das ihrer Bürger - in Umlauf bringen.

     

    Mir fehlt bei den klugen Vorschlägen der Davos-Teilnehmer allerdings eine Variante: Warum die Staaten nicht einfach pleite gehen lassen? Banken und Anleger hätten dann das Nachsehen, aber darüber würde ich nicht weinen. So wäre aber zu verhindern, dass mit unserem - nicht vorhandenen - Geld eine Spekulation am Rennen gehalten wird, die vor lauter Gier sowieso irgendwann platzen muss.

     

    Die Mischpoke in Davos will den Zeitpunkt natürlich hinauszögern - ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber eines ist sicher: je länger man sie machen lässt, desto teurer wird es für uns.

  • FR
    Frank Roger

    Kann mich meinem Vorredner nur anschließen. Es ist schon frappierend: die Amerikaner sind fast pleite und dieser Herr Chefökonom und andere Kollegen seiner Zunft meinen, Ratschläge geben zu können. Nach dem Schlamassel der letzten zweieinhalb Jahre sollten sie eigentlich vor Scham im Erdboden versinken oder wenigstens einfach mal den Mund halten...

  • AB
    Augustin Bleak

    Es sind in Ländern wie Spanien in erster Linie die Banken und Hedgefonds gewesen, die mit leichtfertigen Krediten die Krise verursacht haben, nicht die Regierungen.Seriöse, sozial verantwortliche Politiker dieser Regierungen müssen nun für die Kapitalisten ihre Haut zu Markte tragen.

    Das gefällt den Geizkragen und Reaktionären in der BRD sehr gut; sie wollen die PIGS-Länder durch ihre Sparpolitik erwürgen. Das Land mit den niedrigsten Schulden in der gesamten EU, ich glaube 28% - Luxembourg - hat die EUROBONDS vorgeschlagen. Sie wären eine verantwortliche, solidarische Methode, um jenen, die vom Untergang Europas profitieren würden und jetzt ihr letztes Geld darauf wetten, das Wasser abzugraben.

    Roubini hat teilweise Recht; er war es im übrigen, der vor der Weltwirtschaftskrise gewarnt hat - im Gegensatz zu den drei Affen, die sich hierzulande so als große Ökonomen aufgespielt haben. Der gerade präsente Januar-Optimismus wird spätestens im März verflogen sein, wenn sich u.a. Portugal und Irland refinanzieren müssen und es in Italien explodiert.

  • JS
    Jan Sebastian

    Schon bei seinem ersten Interview vor einigen Wochen in der TAZ wurde deutlich, dass Roubini ausschließlich amerikanische Wirtschaftsinteressen verfolgt.

     

    Mir kommen immer gleich die guten amerikanischen Tipps für afrikanische Länder in den Sinn: Liberalisierung der Wirtschaft und der damit einhergehende Ruin der beratschlagten Länder.

     

    Amerikas Wirtschaft ist kein Musterbeispiel für Stabilität mehr. Das was sie immer gemacht haben, mehr Geld ausgeben, funktioniert nicht oder kauft höchstens Zeit zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung.