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EIN-EURO-JOBSEin Euro wird gekürzt

In Bremen werden die Kürzungen der Gelder für die Eingliederungshilfen als "zynisch" abgelehnt und auf dieser Basis im Konsens mit den Betroffenen umgesetzt

Die heftigen Dezemberproteste waren erfolgreich Bild: kawe

"Ich bin sehr froh, dass das so geklappt hat", erklärte Uwe Mühlmeyer, Sprecher des Verbandes der Beschäftigungsträger (Vadib) gestern im Rathaus. Der Staatsrat für Soziales, Joachim Schuster (SPD), hatte eingeladen, um die frohe Botschaft zu überbringen: Der Konflikt um die Senkung der Mittel für 1-Euro-Jobs ist gelöst. Im Dezember noch hatte es Demonstrationen gegeben.

"Zynisch" seien die Kürzungen durch das Bundesarbeitsministerium, denn der Aufschwung sei nicht spürbar bei den Langzeitarbeitslosen angekommen, an die sich das Programm der 1-Euro-Jobs wende, erklärte der Staatsrat. In Bremen ging es darum, sie möglichst schonend umzusetzen. Die Beschäftigungsträger hatten zunächst gefordert, die Kürzung von 29 auf 20 Millionen Euro durch fünf Millionen aus dem Staatshaushalt zu kompensieren. Nun bekommen sie 1,9 Millionen aus dem Topf des Europäischen Sozialfonds und streichen die teuren 1-Euro-Jobs für Jugendliche ohne Hauptschulabschluss ganz, weil diese Zielgruppe durch andere Maßnahmen erreicht werden sollen.

Gemeinsam haben die Beschäftigungsträger darüber beraten, wer wo wie viel kürzen kann - und sind zu einem Ergebnis gekommen. Von derzeit 2.906 1-Euro-Job-Stellen sollen Endes des Jahres noch 2.300 übrig sein, sagt Mühlmeyer, und die "Maßnahmekostenpauschale" wird gekürzt, das ist das Geld, was die Beschäftigungsträger direkt für die Betreuung und Qualifikation pro Monat bekommen. Ohne diese Kürzung hätten 300 1-Euro-Jobs mehr gekürzt werden können. Auch die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse werden reduziert - von 1.000 auf 700.

Damit ist ein Grundsatzstreit beigelegt, der vor einigen Monaten noch für heftige Wortwechsel sorgte: Die rot-grüne Koalition wollte 1-Euro-Jobs abbauen zugunsten von mehr sozialversicherungspflichtigen Stellen. Die Träger hielten dies für unrealistisch. Inzwischen ist auch Mühlmeyer grundsätzlich für die rot-grüne Zielsetzung. Konkret werden aber die sozialversicherungspflichtigen Stellen zusammengestrichen, weil sie für die Kommune deutlich teurer wären - bei den 1-Euro-Jobs ist der Finanzierungsanteil des Bundes größer.

Wie es nach dem Jahr 2011 in weitergehen wird, weiß bisher niemand. Die Bundesregierung will weiter kürzen, in Berlin und in Nürnberg gibt es Grundsatzdebatten über die Arbeitsmarktpolitik und viel Kritik an dem derzeitigen System. Das Bundesarbeitsministerium experimentiert derzeit mit dem Projekt "Bürgerarbeit", auch finanziert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. 200 Stellen sollen in Bremen so eingerichtet werden, 210 in Bremerhaven. Das Programm richtet an Arbeitslose, die Chancen auf einen "richtigen" Job haben. In der Agentur für Arbeit wird das Programm als "Rosinenpickerei" betrachtet und skeptisch gesehen, das Bundesarbeitsministerium lässt es von seinem "Bundesverwaltungsamt" (BVA) mit Sitz in Köln durchführen. Das BVA hat sonst mit Arbeitsmarktpolitik nichts zu tun - es ist für diverse Dinge zuständig, etwa die "Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse". So ist die Handhabung in jeder Kommune anders - in Bremen soll es 200 Stellen geben, "kommunennahe" Arbeitgeber müssen einen Lohnanteil von 25 Prozent auf den öffentlichen Teil (900 Euro bei 30 Stunden) draufzahlen. In Bremerhaven soll es 210 Stellen geben, um die sich Beschäftigungsträger und Wohlfahrtsverbände bewerben können und keinen Lohnanteil zuzahlen müssen. Bei der Bundesagentur herrscht die Sorge, dass bei diesem Modell die fitten Arbeitslosen, die vermittlungsfähig wären, zu Dumping-Löhnen angeboten werden.

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7 Kommentare

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  • R
    Ralph

    Ich war selber über MAE(freiwillig) in einem Hospiz beschäftigt.Ich übte Tätigkeiten Nachmittags und am WE aus.Soweit mir bekannt ist,dürfte dies nicht zulässig gewesen sein...

    Über den Träger der MAE wurde..?Druck auf das Hospiz ausgeübt..? und ich bekam eine Feststelle,über die ich mich zuerst freute.Aber sogleich wurde der druck auf mich auf der Arbeit deutlich erhöht und ich verlor den Job,den ich zuerst gerne ausübte und ich wurde gekündigt.

    Ich könnte mir durchaus vorstellen,dass eine Vernetzung von MAE,Jobcenter usw vorliegt.

    Aber beweisen kann ich es nicht.

  • R
    Ralph

    Ich war selber über MAE(freiwillig) in einem Hospiz beschäftigt.Ich übte Tätigkeiten Nachmittags und am WE aus.Soweit mir bekannt ist,dürfte dies nicht zulässig gewesen sein...

    Über den Träger der MAE wurde..?Druck auf das Hospiz ausgeübt..? und ich bekam eine Feststelle,über die ich mich zuerst freute.Aber sogleich wurde der druck auf mich auf der Arbeit deutlich erhöht und ich verlor den Job,den ich zuerst gerne ausübte und ich wurde gekündigt.

    Ich könnte mir durchaus vorstellen,dass eine Vernetzung von MAE,Jobcenter usw vorliegt.

    Aber beweisen kann ich es nicht.

  • O
    Oli

    Ich finde Joachim Schuster (SPD) hat eine verdrehte Sicht der Sachlage: Der 1-EURO-Job (AGH) bringt gar nichts für die Arbeitslosen. Mag sein, dass Arbeitslose Anschub und Möglichkeiten brauchen, aber dann doch gerade nicht diese Jobs. Was soll es bringen, wenn Leute teilweise 9 Monate ausgebeutet werden und dafür praktisch weniger erhalten, als die Nachbarsfrau, die einen 400-EURO-Job beim Discounter macht? Die kann satte 220 bis 260 einfach in die Tasche stekcne und nicht für eine 30-Stunden-Woche.

    Das empfinde ich als zynisch!

    ... denn welcher Normalmensch kann wirklich von 359 (bzw. 309) EURO im Monat leben? Auch wenn's darauf 150 bis 180 EURO durch diese AGHs gibt, ist das ein Verarmungsprogramm und genau diese Träger laben sich am Elend der Betroffenen, die nicht mal einen Betriebsrat wählen dürfen, keine Interessenvertretung haben - deswegen ist auch von ihnen hier nicht die Rede. Wenn man die Betroffenen fragen würde, aber das ist bei einem SPD-Politiker wohl nicht drinnen.

  • RW
    Ralf Wünsche

    Es kann einen schon verwundern das dieses noch gelobt wird in diesem Artikel.

     

    Eine Gesellschaft sperrt hier bewusst ein Drittel aus um die Exportchancen auszubauen ( eben das die Arbeitskosten und Sozialausgaben gesenkt werden können um dieses zu ermöglichen ) und bietet diese Form von moderner Sklaverein an.

     

    Wir haben heute Holocoust - Tag und dieses erinnert schon sehr an die " Verdienstmöglichkeiten " der

    KZ - Häftlinge die damit Ihre Tracht , schmutziges

    Esssen und letztlich Ihre Kugel durch einen kargen

    " Lohn " noch erhalten haben!

     

    Alles andere ist das nicht was ein IG - Metall -

    Funktionär und Personaldirektor + SPD - Mitglied

    hier initiert hat.

     

    Schande auf dem DGB und SPD !

  • ET
    Erwin Thomasius

    Ich finde es sehr gut,

    dass Zwangsmassnahmen gegen Arbeitslose wie MAE

    abgebaut werden. Wer sich als Arbeitsloser weigerte, MAE zu machen, bekam das Arbeitslosengeld 2 gekürzt.

    Ich habe, als ich MAE machte, einen Euro und fünfzig Eurocent pro Stunde zusätzlich zum Arbeitslosengeld 2 bekommen.

    Die MAE-Firma bekam jeden Monat vom Staat 500 Euro für mich. Davon leitete sie etwa 180 Euro pro Monat an mich weiter. Die restlichen 320 Euro behielt die MAE-Firma.

    Nach meiner Einschätzung handelt es sich bei MAE um eine überflüssige Schikane gegen Arbeitslose.

    Gut ist MAE nur für die überflüssigen Firmen, die die Zwangsmaßnahmen gegen Arbeitslose für die JobCenter durchführen. Da die Geschäftsführer dieser Firmen mutmaßlich gut mit leitenden Menschen in den JobCentern, in den Parteien und in den oberen Etagen der Gewerkschaften "vernetzt" sind, dürfte es nicht mehr möglich sein, diese Schikane gegen Arbeitslose wieder abzuschaffen.

  • E
    Ernst

    Fördermaßnahmen mit 1-Euro-Jobbern haben sich als ein profitables Geschäft für sogenannten gemeinnützigen, karitativen Gesellschaften herausgestellt. Sie bekommen für jede eingestellte Arbeitskraft im Monat bis zu 500 Euro an Sachmitteln zusätzlich vom Staat. Seit der Einführung von Hartz IV sind solche Projekte wie Pilze aus dem Boden geschossen. Sie schaden den regulären Arbeitsmarkt. Caritas und Diakonie und sonstige "gemeinnützigeGMBHs" sind Nutznießer dieser Maßnahmen. Sie kassieren nicht nur die Sachmittel, sondern haben gleichzeitig billige Arbeitskräfte zur Hand. Warum sollen sie noch einen teuren Handwerker beauftragen, wenn sie es billiger bekommen? Wenn jetzt öffentliche Gelder zur sogenannten Betreuung von Langzeitarbeitslose heruntergefahren werden, dann trifft das hauptsächlich solche Maßnahmeträger, die selbstverständlich um jeden ihrer betreuten Kunden weinen - aus Betroffenheit.

  • M
    Mario

    Ich finde es interessant, dass in der ganzen Auseinandersetzung keine einzige Zahl oder Quote zum Erfolg der Maßnahmen (AGH) genannt wird. Praktisch geht es nur um das Überleben der Träger. Und was leisten die?

    Ich habe das Gefühl, dass die Träger mit falschen Karten spielen und nicht wirklich offenlegen, wie schlecht AGHs laufen - selbst mit Leuten, die eine lange Erwerbsbiographie und gute Qualifikationen haben. Nach diesem Bericht war das den Verantwortlichen Bremen am Ende auch nicht mehr wichtig.