piwik no script img

Altbesetzer und die Liebig 14Häuserkampf? War einmal!

Auch sie waren jung, haben Häuser besetzt, bekamen Unterstützung. Das ist jetzt 30 Jahre her. Mit der bedrohten Liebigstraße 14 haben die Altbesetzer nichts zu tun.

Wer früher Häuser besetzt hat, hat deshalb noch lange keine Lust, sich heute zwischen die Barrikaden zu stellen. Bild: reuters, Fabrizio Bensch

Gegen Stalinismus

"Soldidarität mit der Liebigstraße ist in unserem Haus kein Thema. Man hat sozial nichts mit den Leuten zu tun. Das sind ganz andere Lebenswelten. Das ist keine Frage des Alters. Aber die Leute in unserem Haus haben natürlich feste Berufe. Die Unterstützer der Liebstraße 14 praktizieren im Unterschied zu früher eine ganz andere Politikform. Früher haben wir auf der Straße auch Druck gemacht. Steine flogen, Barrikaden wurden gebaut. Aber die Aktion gegen das Bezirksamt Kreuzbgerg und der Drohbrief gegen den Bürgermeister löst Abwehr aus. Das ist stalinistisch. Da wird kein Unterschied zwischen der CDU und Schulz gemacht."

Journalist (46) ehemals besetztes Haus in Kreuzberg.

Nichts mitgekriegt

"Ich habe von den Problemen der Liebigstraße Null mitgekriegt. Zero. Wenn die Bewohner Solidarität wollen, müssen sie eine Öffenlichkeitsarbeit machen, die Leute wie mich erreicht. Auf unserem Hausplenum, das einmal im Monat stattfindet, ist Politik kaum Thema. Da geht es hauptsächlich um organisatorische Dinge. Zum Bespiel, ob die Heizung funktioniert. Über politische Fragen diskutierte ich sonntagsmorgens mit meiner Frau im Bett oder mit meiner Tochter am Frühstückstisch."

Schauspieler (55) ehemals besetztes Haus in Schöneberg

Osten ist weit weg

"Wir machen Hausplenum bei Bedarf. Geredet wird hauptsächlich über Hausverwaltungsbelange. Der politische Anspruch ist gering. Über die Liebigstraße weiß ich kaum Bescheid. Was das angeht, ist der Ostteil ganz schön weit weg. Nicht nur räumlich, auch von den Leuten her. Die Westhäuser sind einem näher. Das Wohnen in Selbstverwaltung verbindet. Im Unterschied zu früher wohnen die meisten in der Familie. Das ist eine ganz andere Lebensform als in der Liebigstraße. Aber das ist okay. Jetzt, wo ich so drüber nachdenke, finde ich es eigentlich schade, dass mich die Liebigstraße so wenig interessiert. Es wäre gut, wenn die Leute ein bisschen an unserer Verbügerlichung kratzen würden."

Elektromonteur (52) ehemals besetztes Haus Charlottenburg

Man wird älter

"Die Leute werden älter. Etliche sind immer noch im Kiez oder in politischen Initativen aktiv. Aber das nach außen gehen fällt schwerer. Das ist auch die Erfahrung in anderen Häuser. Reperaturarbeiten werden zunehmend an Handwerker außerhalb vergeben. Früher haben wir das in Selbsthilfe gemacht. In Kreuzberg gab es mal eine Initiative von den Hausbesetzern und anderen Engagierten, den Osthäusern mit einer Anschubhilfe unter die Arme zu greifen. Die Westhäuser hatten ja bessere Startbedingungen. Wir haben für die Sanierung unserer Häuser damals staatliche Unterstützung bekommen. Die Idee scheiterte daran, dass die persönliche Verbindung zu den Osthäusern fehlte."

Handwerkerin, 47, ehemals besetztes Haus Kreuzberg

Keine Antwort

"Es gibt keine Kontakte zu den Osthäusern. Wir haben das vor 20 Jahren mal versucht. Unser Eindruck war: Es besteht kein Interesse. Auf jeden Fall hat sich daraus nichts entwickelt. Vom Einzelwohnen über Familie bis zum Wohnen in Großgruppen gibt es bei uns noch alles. Die Hausbelange werden gemeinschaftlich diskutiert und entschieden. Wir haben einen gemeinsamen Briefkasten und wir haben einen E-mail Verteiler für politische Aktionen. Warum ich mich für die Liebigstraße nicht einsetze? Ich habe keine Antwort. Das ist eine andere Generation. Die soll das machen. Vielleicht liegt es auch am Alter. Vieles was ich früher gemacht habe, würde ich heute nicht mehr machen. Allein bei der Vorstellung, zu renovieren, krieg ich Rückenschmerzen."

Lehrer (55) ehemals besetztes Haus in Schöneberg

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • S
    Schweizer

    Grafinger,der Konflikt (oder das Thema) ist m.E. "generell" und "politisch". Die Frage ist, wie es begründet oder hergeleitet wird. Stehen "linke Freiräume" im Vordergrund? Soll "Gentrifizierung" aufgehalten, soziale Durchmischung hergestellt werden? Gibt es Bezüge zur Wohnungs- und Städtebaupolitik? (Kann das eigene Wohnen dabei ausgeklammert werden?)

    Dass Stalinisten keine "Gutmenschen" und korrumpierbar sind, ist bekannt. Und dass sie unter (ehemaligen)Hausbesetzern anzutreffen sind, ist leider auch so. Aber ein "Fall" von Hunderten? Das zu generalisieren geht gar nicht.

  • JB
    Jan B.

    "Aber die Aktion gegen das Bezirksamt Kreuzbgerg und der Drohbrief gegen den Bürgermeister löst Abwehr aus. Das ist stalinistisch. Da wird kein Unterschied zwischen der CDU und Schulz gemacht."

     

    Bin ich der einzige der diesesn Stalinismus-Vorwurf nicht versteht?

     

    Besonders als Hamburger fältt es mir tatsächlich schwer noch einen relevanten Unterschied zwischen CDU und Grünen zu finde.

  • G
    grafinger

    Sorry, Schweizer, ich kann der Argumentation nicht ganz folgen.

    Wenn es nur um das eigene Wohnen geht, warum wird dann unter Hinweis auf das "Projekt" und den "linken Freiraum" der Konflikt generalisiert und politisiert?

    Du willst wissen, was aus den ehemaligen Besetzern geworden ist?

    Nun, in einem Fall weis ich das ganz genau. Der nach eigener Aussage "Stalinist" ist Beamter geworden und meine zu seiner Vereidigung auf das Grundgesetz: "Für das Geld hätte ich auch auf geschworen."

  • S
    @Schweizer

    "Interessant für mich zu erfahren wäre z.B. was aus den vielen hundert anderen ehemaligen Besetzern geworden ist. Ein vermutlich sehr geringer Prozentsatz hat wohl die Beamtenlaufbahn eingeschlagen."

    Glaub ich auch nicht, das mit der Beamtenlaufbahn. Ich denke, die Vermutung von "Karl Nagel" unter diesem Taz-Artikel:

    http://www.taz.de/1/berlin/artikel/kommentarseite/1/zeiten-aendern-traeume/kommentare/1/1/

     

    kommt der Wahrheit schon näher.

  • S
    Schweizer

    "grafinger"

    Oh, großer Biographievorhersagemeister. Was wollen Sie uns letztendlich mit Ihrem "Bürgerkinder" Kommentar mitteilen?

    In fünf nicht repräsentativen Interviews berichten ehemalige Hausbesetzer über ihre aktuelle Befindlichkeit.

    Sie haben erreicht, was sie damals wollten, haben ihre Häuser legalisiert, sich etabliert usw. Das ist doch völlig i.O. und macht sie (aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet) eher sympathisch, weil sie eben keine vernagelten politischen Hardcore Aktivisten geblieben sind (wenn sie denn jemals welche waren). ICH möchte nicht darüber urteilen, ob jetzige oder ehemalige Besetzer "Bürgerkinder" sind/waren. Ich kenne die Biographien der Beteiligten gar nicht. Interessant für mich zu erfahren wäre z.B. was aus den vielen hundert anderen ehemaligen Besetzern geworden ist. Ein vermutlich sehr geringer Prozentsatz hat wohl die Beamtenlaufbahn eingeschlagen. Also, wozu Ihre Polemik? Es geht nicht um "Revolution".

  • G
    grafinger

    Noch Fragen zu meinem Kommentar über die "Beamtenkinder" in einem anderen Artikel über die Liebig 14?

    "...sie werden die Revolution stets mit Wohlwollen betrachten solange niemand an ihrer Besoldung rüttelt."

  • J
    Jonas

    Was zeigt uns das? Das die Jugendlichen, die heute Autos in der Rigaer Staße anzünden, in 30 Jahren auch Spießbürger sein werden, die statt über de Weltrevolution eher über den richtigen Dünger für die Balkonpflanzen nachdenken. Jeder wird Erwachsen, der eine früher der andere später.

  • E
    Ergo

    Da sieht man es deutlich! Die jungen, sogenannten "Krawallmacher" sind sehr wichtig!

    Man wird aelter, bequemer, das merke ich auch am eigenen Leib, und dann bleibt eben doch alles wie es ist. Ungeliebt zwar, aber eben bequemer. Wieder besseren Wissens und trotz anderer Meinung wird dann einfach nix gemacht.

    Fuer mich ist das die groesste Gefahr. So werden wir gelenkt und ueben unser Recht und unsere Pflicht als Buerger nicht aus.

    Ich jedenfalls fuehle mich nicht zu alt um Projekte wie die Liebigstrasse zu unterstuetzen, auch wenn ich nicht alle Aktionen 100% fuer gut heissen kann. Wert muss es uns allen allemal sein fuer unsere Ueberzeugungen einzutreten, selbst wenn es fuer mich "unbequem" ist.

  • MP
    Matt Penz

    linke spießer, schlimme spießer.

  • H
    HAHA

    Mit verlaub: meinen Sie das ernst?

     

    Die Zitierten Menschen beschreiben mehr oder minder alle, was aus ihnen Geworden ist. Sie haben sich in den Umständen eingerichtet. Politik spielt für sie eher eine Nebenrolle oder ist auf theoretische Überlegungen Sonntags morgens im Bett reduziert.

     

    Wer in Berlin lebt und von der anstehenden Räumung der Liebig14 nichts mitbekommen hat, ist politisch offenbar nicht(mehr) sonderlich interessiert. Das kann auch die taz kaum anders verkaufen, schreibt sie doch selbst schon seit einiger Zeit regelmäßig über die Entwicklung der Räumungs- und Antiräumungsprotestvorbereitungen.

     

    Es ist traurig, dass diese Menschen, die vermutlich einmal einen wesendlich praktischeren Bezug zur Politik hatten zu solchen Schlaftabletten geworden sind.

    Auf die Parallelen zur Grünen Partei muss ich hier wohl nicht weiter eingehen.

     

    In diesem Sinne: Wachen sie endlich (wieder) auf!

     

    Praktizierte Solidarität mit der Liebig14 tut Not!