Rechtsanwalt über verdeckte Ermittlungen: "Romeos sind verboten"
Nach dem Auffliegen eines britischen Spitzels: Bürgerrechtsanwalt Udo Kauß über den Einsatz von Sex, Liebe und Freundschaft bei verdeckten Ermittlungen.
taz: Herr Kauß, gerade wurde der Polizeispitzel Mark Kennedy enttarnt, er soll sich der linken Szene auch sexuell genähert haben. Dürfen verdeckte Ermittler, während sie spitzeln, Liebesbeziehungen und sexuelle Affären beginnen?
Udo Kauß: Nein. Wenn ein Polizist Liebesgefühle vorspielt, um seine Zielperson besser aushorchen zu können, kann diese existenziell verunsichert werden. Das verletzt den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit. BKA-Chef Jörg Ziercke hat recht, wenn er sagt, "das geht gar nicht."
Wo ist das geregelt?
Gesetzlich ist das zwar nicht ausdrücklich untersagt. Aber vermutlich nur, weil bisher niemand auf die Idee gekommen ist, dass Polizisten gezielt Affären anfangen könnten, um sich das Vertrauen bestimmter Personen zu erschleichen. Ich halte es aber für sinnvoll, dies in den Einsatzanordnungen für verdeckte Ermittler ausdrücklich festzuschreiben.
Was gilt, wenn sich der Ermittler an jemanden aus dem Umfeld der Zielperson ranmacht?
Das ist natürlich genauso schlimm und gar nicht so selten. Die persönliche Beziehung wird hier zum Teil der Tarnung, die neue Zugänge ermöglichen soll. Hier werden sogar offenkundig Unbeteiligte instrumentalisiert und in ihren Rechten verletzt.
Ist denn so ein Verhalten auch strafbar?
Nein. Das Vorspielen falscher Gefühle ist nicht strafbar. Auch nicht die auf einer Täuschung beruhende sexuelle Beziehung. Wenn aber ein verdeckter Ermittler solche unzulässigen Methoden intensiv einsetzt, kann der Vertrauensbruch die Betroffenen auf Dauer psychisch beeinträchtigen. Dann können sie Schadenersatz in beträchtlicher Höhe verlangen.
Bei der Spionage wurden schon immer Sex und vermeintliche Liebe eingesetzt, um Zielpersonen auszuhorchen …
Die Spionage im Ausland wird traditionell als ein Bereich gesehen, in dem Grundrechte nicht gelten - was ich aber für sehr zweifelhaft halte. Jedenfalls muss die Polizei im Inland die Grundrechte streng beachten. Methoden à la Mata Hari oder der Einsatz von Romeo-Agenten sind der Polizei verboten.
Wo ist die Grenze? Ist nur Sex und Liebe tabu?
Nein, auch Freundschaften, die so tief gehen, dass man sich alles, auch intimste eigene psychische Probleme erzählt, darf ein verdeckter Ermittler nicht knüpfen, um seine Szene besser ausforschen zu können.
Kann die Polizei überhaupt noch verdeckte Ermittler einsetzen?
Ja. Ein geschickter Ermittler kann sich auch umhören, ohne dabei das Innerste seiner Zielpersonen zu erforschen. Er soll schließlich Straftaten aufklären und nicht Psychodossiers erstellen.
Was ist, wenn sich ein Ermittler unabsichtlich verliebt?
Das ist vermutlich gar nicht so selten. Immerhin lebt der Ermittler rund um die Uhr in seiner Rolle und steht in engem Kontakt zu den Beobachtungspersonen.
Muss ein Ermittler sich outen, wenn er merkt, dass er sich im Einsatz verliebt?
Das halte ich nicht nur für moralisch geboten, sondern auch für eine rechtliche Pflicht. Wenn ein Einsatz aus dem Ruder läuft, muss er abgebrochen werden. Genauso wie ein verdeckter Ermittler keine Straftaten begehen darf, darf er mit den Zielpersonen und deren Umfeld auch keine Liebesbeziehungen führen.
Leser*innenkommentare
Sam Lowry
Gast
...als ob sich irgendein Schwanz daran halten würde.
NaBoHi
Gast
Wortklauberei macht die Sache auch nicht besser! Jeder hier weiß, wie es gemeint ist!
Querulant
Gast
@Hannes
Na ja, aber "DER Szene" ansich kann man sich ja kaum sexuell nähern... immer nur jeweils Personen aus der Szene... man kann ja auch schlecht sagen, jemand habe sich Deutschland oder der deutschen Gesellschaft sexuell genähert... ;-)
Hannes
Gast
Wenn ein Einsatz aus dem Ruder läuft ... die meisten Einsätze laufen aus dem Ruder, nicht nur die verdeckten oder per Spitzel-Methode. Und natürlich gehen solche Leute auch mit ihren Zielpersonen ins Bett, ins Kino oder in die Kneipe, das ist pure Naivität oder Rechtsfreundlichkeit, die uns Udo Kauß hier unterjubeln will.
Warum sie das machen ist leicht zu verstehen: Sie sollen in die Szene, an die Leute, in den engsten Kreis vordringen. Das geht nur durch Nähe und Itimität.
Alle Spitzel würden jede sexuelle Praktik, jede Romantik und jede Freundschaft bemühen, um so nah wie es geht an die Leute ranzugehen.
Es wundert nicht, dass ein Joseph D. Pistone am Ende nicht mehr fürs FBI arbeiten konnte. Wer sich auf die Menschen einlässt, nimmt auch deren Denk- und Verhaltensmuster zu einem großen Teil an sich.
Und Pistone ist genauso ein Fall: Der sollte ein oder zwei Jahre in die Szene gehen, blieb fast vier Jahre und stand kurz davor gemacht zu werden.
Und das ist ein Beispiel aus der Polizeiarbeit, bei der politischen Szene ist die Verderbtheit m.M. noch drastisch größer, weil viele Leute nicht unbedingt kriminell sind, sondern aus welchem Grund auch immer in politischen Kreisen sich bewegen. Die sind häufig auch einsam und suchen Liebe und Freundschaft - da setzen verdeckte Ermittler gezielt an.
Tja, @Querulant, die wilden Zeiten sind in der Tat vorbei, aber in der linken politischen Szene gab es früher schon eine ganze Palette an offenen Beziehungen etc. - das BKA hat bis heute aber nicht offengelegt, ob sie das benutzt haben oder nicht. Die meisten Aussagen wurden ja auch von Abtrünnigen genommen und die hatten dann ihren Sex, Freundschaftund Romantik hinter sich.
bountyhunter#77
Gast
viel ausdauer und standfestigkeit!
Geschüttelt
Gast
Wow! Ich finde, das hört sich an wie: britische Agenten sind sexy und total sinnvoll, mehr davon! Der Film wird echt.
Querulant
Gast
Wie kann man sich denn einer ganzen Szene sexuell nähern? ;-)