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Streit um Verschleierung am ArbeitsplatzMit der Burka ins Bürgerbüro

Die Stadt Frankfurt am Main verbietet einer Frau, mit Burka zu arbeiten. Die nimmt sich einen Anwalt. Hessen will das Burka-Tragen im Büro nun per Erlass verbieten.

Voll verschleiert soll eine Mitarbeiterin der Stadt Frankfurt nicht zur Arbeit erscheinen. Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN taz | Mit der Burka zum Dienst ins Bürgerbüro? Eine deutsche Staatsbürgerin muslimischen Glaubens mit Wurzeln in Marokko, die seit rund zehn Jahren bei der Frankfurter Stadtverwaltung arbeitet, hatte genau das ihrem Arbeitgeber für den Dienstantritt nach einer Elternzeit angekündigt.

Doch nachdem die Stadt der 39-jährigen Mutter von vier Kindern umgehend untersagte, voll verschleiert zu arbeiten, verzichtete die Angestellte am Dienstag darauf, im Bürgerbüro Mitte in der Innenstadt zum Dienst zu erscheinen. Auch am Mittwoch blieb die Frau, die sich bislang "aus religiösen Gründen" mit dem Tragen eines Kopftuchs beschied, daheim.

Weil die Stadt weiter Hartbleiben signalisierte - auch die grüne Dezernentin für multikulturelle Angelegenheiten, Nargess Eskandari-Grünberg, ist "strikt" gegen die Burka im öffentlichen Dienst -, wollte die Muslimin zunächst offenbar den Job quittieren. Sie verlangte am Dienstag die Auflösung ihres Arbeitsvertrags und eine Abfindung von rund 18.000 Euro.

Die Stadt will darauf nicht eingehen. Die Frau könne kündigen oder weiterarbeiten, "allerdings nur ohne Burka", hieß es aus dem Büro der Oberbürgermeisterin. Solange sie nicht zur Arbeit komme, ruhe ihr Gehalt.

Die Betroffene nahm sich einen Anwalt, der ihr "Recht auf freie Religionsausübung" verteidigen soll. Dazu sagte der Vorsitzende der Kommunalen Ausländervertretung, Enis Gülegen, dass "das Tragen der Burka in keiner Weise religiös begründet" werden könne, sondern ein Relikt aus patriarchalischen Gesellschaften sei, "die Frauen auf ein Besitzverhältnis reduzierten". Um Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, kündigte Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) einen Erlass an, der Beamtinnen und im öffentlichen Dienst Beschäftigten das Tragen der Burka während der Dienstzeit verbietet. Dieser Personenkreis sei "zur politischen und religiösen Neutralität verpflichtet".

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11 Kommentare

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  • W
    Wilhelm

    Der Mitgliederschwund in den Christlichen Kirchen wird durch derartige Unfälle ,bzw. Verbote nicht aufzuhalten sein .

    Religionsfreioheit ist durch das Grundgesetz geschützt.

    Jeder Bürger hat die Pflicht gegen Gesetzesverstöße mit rechtlichen mitteln vorzugehen .Dieses Burkaverbot ist ein Angriff gegen die Gestzlich geschützte Religionsfreiheit .

  • P
    Pragmatiker

    Es darf und soll in dieser Diskussion nicht um das Verbot religiöser Symbole am Arbeitsplatz gehen. Niemandem wird das Tragen eines Kreuzes, eines Davidsterns oder eines Halbmondes an einer Halskette (o.ä.) verboten.

    Aber man wage doch einfach mal folgendes Gedankenexperiment: Herr K. ist ein riesiger Star Wars Fan und möchte ab jetzt nur noch mit Darth Vader Maske Arbeiten ...

  • N
    Nasowas

    ... da will also die Stadt Frankfurt die 18 TEUR nicht rausrücken, um die es geht. Denn um die Verschleierung geht es nicht. Eine Frau, die die Burka o.ä. akzeptiert, wird wohl kaum einer Arbeit nachgehen dürfen. Schon gar nicht, wenn sie jüngst Mutter geworden ist. Aber abgesehen davon: Ich würde sie arbeiten lassen. Die Distanz der Kollegen und Bürger werden den Rest schon erledigen. Und die paar Wochen bis zum nächsten Mutterschutz sind eh abzusehen...

  • T
    Thine

    Das wirklich traurige ist, dsss die Burkaträgerinnen sozial geächtet werden. Sie werden doppelt abgekanzelt, einmal durch die Burka und dann nochmal durch die Kritiker selbst. Besser wäre da Aufklärung und der Versuch, Gleichbehandlung von Frauen auch dortt durchzusetzen, wo es noch nicht vorgedrungen ist. Nur leider kann sich Deutschland da imer noch schön an die eigene Nase fassen.

  • A
    Alter-Alter

    Die ganze Diskussion ist doch vollkommen unnötig. Ich möchte das Gesicht meines Gegenübers sehen. Punkt. Gerade auf einer Behörde. Von mir aus kann die ab dem Hals abwärts sonstwas tragen. Könnte ja auch ein Mann, ein Kind oder ein Besen drunterstecken. Ehrlich, dass sowas überhaupt ein Thema ist. Religion hin oder her, wen interessierts. Ist einfach ein Gebot der Höflichkeit (so ein Satz aus meinem Mund, auweia).

  • H
    Hugin

    Die Närrische Zeit ist angebrochen. Versucht sich deshalb Boris Rhein als Til Eulenspiegel oder als wahlkampfgeleiteter Hassprediger? „Der Innenminister Boris Rhein will Rechtsunsicherheit beseitigen“. Dies ist in Hessen, seit dem Wortbruch der CDU/FDP-Landesregierung zum versprochenen Nachtflugverbot, eine feststehende Größe, wenn die Obrigkeit Politik gegen ihre Bürgerinnen und Bürger macht.

    Nicht nur bezogen auf die Burka-Kleidung gilt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen, soll heißen ohne Beeinträchtigung des Geschäftszieles und -ablaufes des Arbeitgebers, zur Arbeit kommen. Zuwiderhandeln gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten wird mit Ermahnung, Abmahnung oder gar Kündigung sanktioniert. Das ist arbeitsrechtliche Praxis. Ein Arbeitgeber würde nie ein allgemeines Badehosenverbot fordern, weil der Angestellte aufgrund seiner Lebensauffassung glaubt, in der Badehose seine Kunden bedienen zu müssen. Ein Innenminister würde nie nachdem so ein Fall aufgetreten ist, umgehend ein allgemeines Badehosenverbot in Betrieben verordnen. Warum? Weil er sich lächerlich machen würde.

    Warum macht sich also Herr Rhein lächerlich? Spaß zur Karnevalszeit oder doch eher schüren des Hasses einer fehlgeleiteten Volksseele? Diese umgehende Reaktion unseres Innenministers sah man nicht als Polizisten auf Anordnung gemoppt und Steuerfahnder auf kriminelle Art als geistig nicht zurechnungsfähig erklärt wurden. Es ist unselig und unchristlich, wie diese Landesregierung von Ihren Skandalen zu Lasten von Bürgerinnen und Bürgern ablenken und ein Klima des Hasses erzeugen will.

    Es ist wahr der Wahlkampf steht bevor. Doch, statt sich in einer fairen politischen Auseinandersetzung zu stellen und seine Taten und Untaten sachlich zu vertreten, werden banale Probleme einer Kommune auf Landesebene gezogen, um das Leben derer, die nicht zu „Bürgergesellschaft“ gehören, weiter zu erschweren und die Integration zu stoppen. Wehret den Anfängen!

  • H
    Hatem

    Ich denke, es gibt gar keine Burkaträgerinnen in Deutschland?

  • S
    Stefan

    Ich bin ja auch gegen das Tragen einer Burka an der Arbeitsstelle - einer öffenlichen zumal. Allerdings finde ich, dass sich diese beiden Begründungen gegenseitig ausschließen:

     

    ""das Tragen der Burka in keiner Weise religiös begründet" werden könne"

     

    Dieser Personenkreis sei "zur politischen und religiösen Neutralität verpflichtet".

     

    was denn nun? Ist die Burka ein religiöses Symbol, wie das zweite Zitat unterstellt? Dann kann die Fra sehr wohl ihr Argument anbringen und auf Religionsfreiheit klagen. Oder aber es ist eben keines, dann bringt auch ein entsprechender Erlass mit der Begründung der religiösen Neutralität nichts. Wenn die Burka nicht religiös motiviert wäre, wäre es ein einfaches Kleidungsstück.

    Ein Erlass müsste vielleicht eher dahin zielen, dass ein Vermummungsverbot für Arbeitnehmer während der Arbeitszeit erlassen wird. Die Religion sollte eher außen vor bleiben...

     

    vg, stefan

  • H
    hoko

    typisch taz, kein kritisches wort gegen diesen auswuchs an islamophobie. auch der öffentliche dienst muss sich interreligiös öffnen.

  • MM
    Marion Manneck

    In städtischen Schulen dürfen keine Kreuze mehr hängen. In einigen Gerichtsgebäuden verzichtet man auch auf die Kreuze. Jetzt wollen Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst mit Burka od. Nicap arbeiten.

    Das die Stadt Frankfurt das Kopftuch erlaubte ist schon an der Grenze des Erträglichen.

    Ich belästige niemanden mit meiner religiösen Einstellung und ich möchte im öffentlichen Leben auch nicht mit religiösen Symbolen belästigt werden.

    Vor einigen Wochen sagte mir eine Kollegin, die aus Namibia stammt: "Wer sich dafür entschieden hat nach Deutschland zu kommen, um hier zu leben und zu arbeiten, der hat sich auch dem hier herrschenden Lebensstil anzupassen. Wenn ich das nicht will oder kann, bin ich hier fehl am Platz. Niemand kann erwarten, dass die Einheimischen sich mir anpassen."

  • F
    Fatima

    Einfach eine Unverschämtheit gegen diese Frau so hart vorzugehen. Auch Unglaublich das eine Politikerin (hoffentlich nicht die ganze Partei) auf den Zug der Islamophobie aufspringt.