Grüne Positionen: Klar links oder CDU light?
Die integrationspolitischen Grundsätze, die die Grünen am Wochenende beschlossen haben, stoßen in und außerhalb der Partei auf Kritik
Der Streit der Grünen um den integrationspolitischen Passus in ihrem Wahlprogramm 2011 lässt auch Vertreter von Migrantenorganisationen nicht kalt. "Einseitige Schuldzuweisungen" würden dort gemacht, kritisiert etwa Safter Cinar, Sprecher des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg (TBB). Was die Grünen in ihrem Programm formulierten, klinge wie "CDU light: Das können andere besser", so Cinar.
"Integration heißt Anstrengung aller" ist das Kapitel überschrieben, das auf dem Grünen-Parteitag am Wochenende für Streit sorgte. Hindernisse der Integration gelte es abzuräumen. Schlagworte wie "verbrecherische Familienclans, so genannte Ehrenmorde, Drogenhandel und islamischer Fundamentalismus" seien zwar "Zerrbilder", doch "wo immer solche Probleme bestehen, müssen sie konsequent angegangen werden - und zwar mit den MigrantInnen, nicht gegen sie."
Die Landesarbeitsgemeinschaft Migration der Grünen hatte beantragt, den Passus, der diese Sätze enthält, zu streichen und gegen einen anderen zu ersetzen. In dem ist auch von Integrationsproblemen und -hindernissen die Rede, die als "Zerrbilder" bezeichneten Schlagworte tauchen aber nicht auf. Der Antrag wurde auf dem Parteitag nach heftiger Debatte mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Monika Herrmann, grüne Stadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg, gehörte zu den BefürworterInnen der Änderung. Sie glaube, dass "die Partei da ein bißchen dem Mainstream aufgesessen ist", so Herrmann am Montag zur taz: "Da wird eine Schwarzweiß-Debatte aufgemacht." Die eine Seite behaupte, "zu sagen, wie es wirklich ist", so Herrmann, "und unterstellt der anderen, wir wollten die Probleme nicht sehen und betrieben Sozialromantik." Das gehe an der Sache vorbei: "Sozialromantik kann ich mir in meinem Bezirk gar nicht leisten", so Herrmann. Für falsch hält sie aber, konkrete Integrationsprobleme "immer wieder in engen Kontext mit Islamismus oder Ehrenmorden zu bringen." Das sei verallgemeinernd und ausgrenzend: "Wir bringen ja auch sexuelle Gewalt gegen Kinder nicht grundsätzlich mit der katholischen Kirche zusammen."
Auch Canan Bayram, migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hat den Antrag der LAG Migration unterstützt. Auf dem Parteitag hatte sie kein Stimmrecht. Als jemand, "der als Abgeordnete Anträge zu Themen wie Ehrenmord und Zwangsverheiratung einbringt und als Anwältin oft Frauen vertritt", verstehe sie die Position von Renate Künast, die den Parteitag letztlich zur Zustimmung gebracht hatte. Ehrenmorde, Gewalt gegen oder Chancenungleichheit für Frauen könne sie als Frau nicht hinnehmen, hatte die grüne Spitzenkandidatin dort gesagt. Die Mehrheit habe solche Probleme eben konkret benennen wollen, sagt Bayram zum Parteitagsergebnis. Die Grünen hätten in Sachen Integrationspolitik aber "immer noch ein klar linkes Profil".
"Wir wollen das nicht so stehen lassen", sagt dagegen Stadträtin Herrmann: "Wir in den Bezirken erleben eine Realität, bei der wir mit solcher Ausgrenzung nicht arbeiten können." Sollten die Grünen an die Regierung kommen, "werden sie ihr Programm auch an dieser Realität messen müssen", so Herrmann. Sie wolle aber lieber nicht so lange warten, sondern das Thema zuvor "noch mal in kleinerem Rahmen diskutieren. Nicht bei so aufgeregten Großveranstaltungen."
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