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Kommentar ArbeitsagenturWie man Sachzwänge schafft

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Der Bund hat den Kommunen zugesagt, stufenweise die Kosten der Grundsicherung für Rentner zu übernehmen. Letztlich werden alle Arbeitslosen die Zeche für den Hartz-Kompromiss bezahlen.

S o viel Selbstbedienung war selten: Der Bund finanziert den Kommunen künftig die Ausgaben für verarmte Rentner, eine an sich sinnvolle Entscheidung. Allerdings greift die Regierung für dieses Angebot, mit dem sie sich Ruhe im Hartz-Streit erkauft hat, wieder einmal tief in die Taschen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die in den nächsten Jahren ein Milliardendefizit aufhäufen wird.

Was als Wohltat daherkommt, entpuppt sich als Kürzungsprogramm: Da Beitragserhöhungen zur Arbeitslosenversicherung und Kürzungen beim Arbeitslosengeld I nicht populär sind, wird man den Rotstift vor allem bei den Fördermaßnahmen ansetzen, mit denen Hartz-IV-Empfänger wieder in Jobs gebracht werden sollen. So konterkariert Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) alle Beteuerungen, sich verstärkt um die Problemfälle am Arbeitsmarkt kümmern zu wollen: um Langzeitarbeitslose etwa oder um Alleinerziehende.

Doch das Problem reicht weiter: Vor der Finanzkrise hatte die BA Rücklagen von rund 17 Milliarden Euro. Durch die steigende Arbeitslosigkeit und die Finanzierung der Kurzarbeit wurde aus dem Plus rasch ein Minus. Mit dem Geld der Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung, das den größten Teil der jährlichen BA-Einnahmen ausmacht, wurden die Folgen der Wirtschaftskrise beglichen. Und bereits seit 2008 nimmt sich der Bund jährlich fünf Milliarden Euro an Beitragszahlungen und leitet sie in das eigentlich steuerfinanzierte Hartz-IV-System um. Gleichzeitig rutschen immer mehr Arbeitslose direkt in das Hartz-IV-System - auch, weil die Zugangsregeln für das Arbeitslosengeld I verschärft wurden.

Eva Völpel

ist Redakteurin für Arbeit und Soziales bei der taz.

So bezahlen letztlich alle Arbeitslosen die Zeche für den Hartz-Kompromiss. Und ein Ende ist nicht in Sicht: Wenn die BA 2011 die ersten Defizitmilliarden einfährt, werden die Rufe lauter werden, weitere Leistungen zu kürzen. So schafft man scheinbare Sachzwänge, die dann immer weiter bedient werden wollen.

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Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften
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3 Kommentare

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  • O
    Oli

    "Was als Wohltat daherkommt, entpuppt sich als Kürzungsprogramm ..."

     

    Und ist damit ganz in der Tradition der Hartz-Gesetze. Es ist eine perfide, zynische Strategie, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik als Sanktionierung und Belohnung von Gruppen zu praktizieren. Spalten, Herrschen und Ausgrenzen ist das Motto der CDU-Regierung.

  • G
    Greenhorn

    Die Politik zeigt immer deutlicher ihr Gesicht. Die arbeitenden Massen werden rücksichtslos um alle ihre kläglichen Sicherheiten gebracht, die sie gerade gegen die allgemeine Profitgier in Jahrzehnten mühsam haben durchsetzen müssen. Das Arbeitslosengeld war nur eine der Versicherungen gegen die "Wechselfälle" der ökonomischen Natur. Unter dem parlamentarischen Regenbogen wird wieder krasser Sozialdarwinismus praktiziert. Ein solches Regime ist nur noch als verbrecherisch zu bezeichnen.

  • S
    sloopy

    Wie lange soll man diese Trickser noch ertragen? Die Verursacher der Wirtschaftskrise sollen bezahlen-, auch mit ihrem unseriös erwirtschafteten Eigenkapital.Die Menschen, die bewusst abgezockt wurden, sollten ihr "geraubtes Geld" zurückbekommen.Die Regierung, besonders die Schröder-Gang, hat das Zocken hoffähig gemacht und jetzt sollte die Politik das bereinigen. Aber es darf weiter gezockt werden, die Folgen trägt ja wieder "Der kleine Mann"!