piwik no script img

Bundeshaushalt 2012 beschlossenStaat macht weniger Miese

Die Neuverschuldung Deutschlands wird 2012 voraussichtlich sinken - sofern die Weltwirtschaft stabil bleibt. Doch das ist angesichts der Katastrophe in Japan ungewiss.

Einer der wenigen, die in diesen Tagen etwas zu Lachen haben: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei der Vorstellung des Bundeshaushalts 2012. Bild: dapd

BERLIN taz | Trotz allem will sich die Bundesregierung mal freuen. Deutschland sei "Vorbild" für Europa, heißt es im Finanzministerium. Auf den ersten Blick sehen die Eckwerte des Bundeshaushalts 2012, den das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat, tatsächlich gut aus. Die Verschuldung sinkt schneller als erwartet. Doch es gibt Fragezeichen.

Wegen der Katastrophe in Japan nimmt die Unsicherheit über die ökonomische Entwicklung zu. Dies kann auch Folgen für die öffentlichen Finanzen zeitigen. Werner Gatzer, Staatssekretär von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), unterstellt ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent für 2012. Dieser Zuwachs und die damit abnehmende Verschuldung sind fraglich, falls die Weltwirtschaft durch die Ereignisse in Japan in eine neue Krise geraten sollte.

Gegenwärtig plant Schäuble 2012, rund 304 Milliarden Euro auszugeben. Die Einnahmen sollen sich auf 272 Milliarden belaufen. Die Lücke von rund 32 Milliarden Euro wird durch neue Kredite geschlossen. Wegen der vergangenen Finanzkrise liegt diese Verschuldung immer noch auf hohem Niveau.

Allerdings hält Deutschland 2012 das Maastricht-Kriterium ein, demzufolge die Neuverschuldung 3 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Und die Nettokreditaufnahme soll weiter sinken: 2016 läge sie unter 10 Milliarden Euro, wodurch das Verfassungsgebot nahezu schuldenfreier öffentlicher Finanzen beinahe erreicht wäre. Ein weiteres Fragezeichen für die Finanzplanung setzt allerdings die Abschaltung der sieben älteren Atomkraftwerke, die Kanzlerin Merkel am Dienstag verkündete.

Erst im vergangenen Herbst hatte die Regierung die Laufzeiten auch dieser Kraftwerke verlängert und den Betreiberunternehmen im Zusammenhang damit eine neue Brennelementesteuer aufgebrummt, die 2012 gut 2 Milliarden Euro erbringen soll. Blieben die AKWs abgeschaltet, könnten die Unternehmen die Regierung drängen, auf die Steuereinnahmen zu verzichten. Auch die neue Finanzmarktsteuer ist bislang eine Luftbuchung - internationale Beschlüsse für die Umsetzung fehlen.

Trotzdem ist die Lage für Finanzminister Schäuble gut: Wegen der erstaunlich guten Konjunktur und der steigenden Steuereinnahmen hat er Spielräume. Deshalb kann er sich leisten, den Spardruck auf die Bundeswehr zu mildern. Gegenüber der alten Planung muss Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) nun bis 2014 rund 5,8 Milliarden Euro weniger sparen. Statt für solche Zwecke mehr Geld auszugeben, solle Schäuble besser die Schulden weiter drücken, kritisieren Carsten Schneider und Alexander Bonde, die Haushaltspolitiker von SPD und Grünen.

Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ist nächstes Jahr flüssiger. Er bekommt 114 Millionen Euro mehr als 2011, was das Finanzministerium zu der frohen Botschaft veranlasste, die deutsche Entwicklungshilfe steige um "750 Millionen Euro". Das stimmt jedoch nicht, wie Sergius Seebohm von der Entwicklungsorganisation One und der grüne Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe vorrechnen. Die Steigerung komme vor allem dadurch zustande, dass eine vorübergehend geplante Kürzung des Entwicklungsetats nicht realisiert werde.

Die von Deutschland zugesagte Erhöhung der Finanzen in Richtung 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung, die 253 Bundestagsabgeordnete auch der Regierungskoalition in ihrem "entwicklungspolitischen Konsens" verlangen, hält Niebel immer noch nicht ein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • F
    FAXENDICKE

    Vor dem Hintergrund einer Gesamtverschuldung von knapp 2 Billionen oder 2000 Milliarden Euro ist dieses Pseudogespare nur noch lächerlich.

    Deutschland wird aus eigener Kraft nie wieder schuldenfrei!

    Deshalb sind auch Sparmaßnahmen bei Hartz IV und Renten blanke Schikane, und dienen ausserdem der Zementierung von Dumpinglöhnen. Es gibt vielleicht eine knappe Million offener Stellen, die meisten in befristeter Zeitarbeit und Dumpinglohn, aber so tun als seien die Harzer nicht willig zu arbeiten, weshalb man sie noch mehr kürzen muß. Das ist im Grunde perverser Sadismus.

    Die Betrüger von Banken und Versicherungen bekommen hingegen Milliarden in den A.... geschoben, anstatt Haftstrafen nebst Haftung mit ihrem unredlich erworbenen Vermögen. Wer diese Lobbyistenknechte wählt, egal welcher Couleur, macht sich selbst schuldig!

  • H
    Hanna

    Wenn man Rentner und Hartz-IV-Empfänger auf Diät setzt, dann sieht das alles ganz gut aus.

    Tatsächlich wird in Deutschland einfach nur ungerecht besteuert. Ein Durchschnittsarbeitnehmer zahlt hier im Prinzip mehr als ein erfolgreicher Unternehmer, solange der seine Möglichkeiten nutzt. Die ganze Debatte ist m.M. deswegen scheinheilig und verlogen, die Statements von SPD und Grünen auch erhellend.

     

    Bislang sind Sparmaßnahmen bei Haushalten immer versucht worden, durch Einsparungen im Sozialen zu leisten, gleichzeitig hat noch keine Regierung seit 1990 konsequent versucht, die Schaffung von Arbeitsplätzen durch eine andere Wirtschaftspolitik voranzubringen.

  • H
    Hanna

    Wenn man Rentner und Hartz-IV-Empfänger auf Diät setzt, dann sieht das alles ganz gut aus.

    Tatsächlich wird in Deutschland einfach nur ungerecht besteuert. Ein Durchschnittsarbeitnehmer zahlt hier im Prinzip mehr als ein erfolgreicher Unternehmer, solange der seine Möglichkeiten nutzt. Die ganze Debatte ist m.M. deswegen scheinheilig und verlogen, die Statements von SPD und Grünen auch erhellend.

     

    Bislang sind Sparmaßnahmen bei Haushalten immer versucht worden, durch Einsparungen im Sozialen zu leisten, gleichzeitig hat noch keine Regierung seit 1990 konsequent versucht, die Schaffung von Arbeitsplätzen durch eine andere Wirtschaftspolitik voranzubringen.