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Olaf Scholz stellt seinen Senat vorEs ist die Wirtschaft, Dösbaddel

Olaf Scholz (SPD) hat entschieden: Hamburgs Umweltbehörde wird zu Gunsten von Wirtschaft gestutzt und fachfremd geführt. Im neuen Senat sitzen erfreulich viele Frauen - und wieder keine Migrantin.

Hätte wohl auch allein weiter gemacht: Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Bild: dpa

HAMBURG taz | Hamburg bleibt auf dem Scholzweg: Mit seinen Plänen für die Senatsbildung verfolgt der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) seinen Kurs weiter, nach dem Wirtschaft über alles geht.

Sofern am Sonntag der SPD-Landesparteitag zustimmt, werden die Kompetenzen der Behörde für Stadtentwicklug und Umwelt empfindlich eingeschränkt: Den kompletten Bereich Verkehr und Tiefbau muss sie abgeben - ausgerechnet an die Wirtschaftsbehörde mit dem parteilosen Frank Horch an der Spitze.

Der vormalige Handelskammer-Präses und Manager des Schiffbauers Blohm + Voss entdeckte zwar vor einigen Tagen den Atomkritiker in sich und sagte, privat habe er schon immer Bedenken wegen der "Langzeitauswirkungen" der Atomkraft gehabt. Er stänkerte aber, noch in alter Funktion, stets gegen alles, was irgendwie nach Umweltzone oder Citymaut klang.

Die gestutzte Umweltbehörde soll Jutta Blankau leiten, bislang Chefin des IG-Metall-Bezirks Küste. Damit ist der Anspruch des Gewerkschaftsflügels in der Hamburger SPD befriedigt.

Was Blankau zur Umweltsenatorin prädestiniert, ist unklar - wobei die IG Metall Küste immerhin stramm auf Anti-Atom-Kurs liegt. Scholz sagte am Donnerstag, ihre Erfahrung mit Umweltthemen beziehe Blankau aus ihrer Arbeit in Aufsichtsräten großer Unternehmen. Und: In der IG Metall Küste habe sie natürlich viel mit Windkraft zu tun gehabt.

"Hamburg hat die große Chance, die Ingenieurstadt zu sein, die dem Klimawandel wirksam entgegentritt", sagte Scholz. Blankau habe die dafür nötige "Führungskraft". Auch der Umweltschutz wird da also zuvörderst als Wirtschaftsförderung verstanden.

Den Verbraucherschutz hat man Blankau dann auch konsequenterweise gar nicht erst unterstellt: Er wird zwar aus der Sozialbehörde herausgelöst, aber einer neu zu schaffenden Gesundheitsbehörde zugeschlagen.

Bei deren Leitung setzt Scholz wiederum ganz auf Wirtschaftsnähe: Offenbar erst nachdem Carola Reimann, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, ihm einen Korb gegeben hatte, entschied er sich für Cornelia Prüfer-Storcks, Vize-Chefin der AOK Rheinland/Hamburg. "Man muss auch bedenken, dass zu dem Ressort die Krankenhaus-Aufsicht gehört und dass Hamburg Sitz vieler großer Kassen ist", begründete Scholz diese Personalie.

Frauenquote: 45 %

Fünf Frauen, fünf Männer - mit Stolz verwies Olaf Scholz auf die ausgeglichene Gender-Struktur seines Senats. Nur er selbst gibt den Ausschlag für eine männliche Mehrheit. Die Hamburger Verwaltung sei "immer noch eine ziemlich männliche Veranstaltung", sagte Scholz. "Das muss anders werden."

Sozi-Quote: 82 %

Auf ein Schattenkabinett hatte Scholz bewusst verzichtet, weil er Sorge hatte, dass sich die Besten dafür nicht hergeben würden. Nun stellt sich heraus: Von den Besten haben erstaunlich viele ein SPD-Parteibuch, nämlich alle bis auf die beiden bereits vorab bekannt gegebenen Parteilosen Frank Horch (Wirtschaft) und Barbara Kisseler (Kultur).

Sogar der neue Senator für Arbeit und Soziales, Detlef Scheele, Scholz früherer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, war schon mal SPD-Kreisvorsitzender in Hamburg-Nord.

Migranten-Quote: 0 %

Der taz sagte Scholz im Dezember, in Hamburg sei die Zeit für Migranten in der Regierung "längst gekommen". Gefunden hat er offenbar keine geeigneten. Was auch Pech ist: Aydan Ösoguz ließ ihrem Ehemann Michael Neumann den Vortritt, der Innensenator werden soll. Das andere Polit-Talent der Elb-SPD hieß einmal Bülent Ciftlik. Der wurde soeben verhaftet. Wegen elf Tatvorwürfen, darunter die Fälschung von Wahlunterlagen.

Versorgungsquote: 36 %

Die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass Dorothee Stapelfeldt mit dem Posten als Wissenschafts-Senatorin entschädigt werden musste: für die Stimmzettel-Affäre bei der Kür der Spitzenkandidatin zur Bürgerschaftswahl 2008. Sie wird deshalb obendrauf noch Zweite Bürgermeisterin.

Jutta Blankau soll die Loyalität des Gewerkschaftsflügels in der SPD sichern. Jana Schiedek (Justiz/Gleichstellung), Ties Rabe (Schule), Peter Tschentscher (Finanzen) und Michael Neumann (Inneres/Sport) sind ein Signal an die Fraktion: Jahrelange Fleißarbeit lohnt sich. Sie alle haben sich aber vor allem über die Sache empfohlen.

Scholz-Quote: 91 %

Detlef Scheele und Jutta Blankau sind langjährige Getreue des Bürgermeisters, aber auch auf die SenatorInnen aus der Fraktion kann er sich hundertprozentig verlassen. Barbara Kisseler und Cornelia Prüfer-Storcks sind berechenbare Pragmatikerinnen - wie Scholz selbst.

Einziger Risikofaktor ist Frank Horch: Wird sich der Wirtschaftskapitän, der kaum durch sozialdemokratische Positionen aufgefallen ist, einbinden lassen? Die letzten Signale deuten auf ein Ja hin.

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8 Kommentare

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  • B
    Bert

    von vic:

     

    Wofür sich die Wähler Hamburgs auch entscheiden.

    Am Ende erhalten sie CDU-Politik.

     

    So kurz lässt sich Hamburger Lokalpolitik zusammenfassen.. Schade - dass es stimmt.

  • H
    Hanna

    @Oli

    Und so sieht Scholz dass: ... Detlef Scheele sei der beste Mann, den man in Deutschland für das Amt des Sozialsenators bekommen könne. Bin gespannt, wie die Arbeitslosen ihn in vier Jahren finden werden.

  • P
    pablo

    Da hat sich der Scholz die richtigen Bauernopfer gesucht und gefunden..... mal sehn wer als erstes den Hut nehmen muss weil er nicht mehr auf Scholz kurs ist...

  • O
    Oli

    Sorry - mir fehlt der Optimismus.

     

    Gut, eine Halbösterreicherin ist auch schon ein Schritt nach vorne (für die SPD), aber insgesamt riecht dieser Senat nach einer kruden neo-liberalen Wirtschaftspolitik, im Zweifel gepaart mit harten Maßnahmen gegen Arbeitslose.

    Und Detlev Scheele hat noch vor 15 Jahren ganz andere arbeitsmarktpolitische Positionen vertreten als heute, was er 2011 machen wird? Nun er hat es zuwege gebracht, dass am Berliner Tor ihm das Jobcenter lange Leistungen abgekauft hat, die eigentlich nicht zum Verkauf standen. Entsprechend ist die Hamburger Arbeit dort auch verschwunden:

    Nämlich die Vermittlung in den 1-EURO-Job - und mit dieser vollkommen unproduktiven und nervigen Maßnahme hat Scheele damals der CDU hübsche Arbeitsmarktzahlen produziert, denn er schaffte einen Rekord an Zuweisungen (und eine Prozesslawine gleichermaßen) - freilich zu Lasten dieser Arbeitslosen, die bei diesem 1-EURO-Job selbst mit abgeschloßenem Studium nur zu 16 Prozent (2006) einen echten Job fanden. Bei Jugendlichen (16-24) lag die Zahl bei ungefähr 0.

    Das sind glaube ich, echte Argumente, um diesem Scheele alles Gute zu wünschen. (Und den Sozialrichtern eine Gewerkschaft gegen Überstunden)

     

    Und - bei so einer Knalltüte wie Detlev Scheele sind die anderen dann schon ein echter Fortschritt, der Finanzsenator ein Chirug vom UKE und Ties Rabe Stadtteiljournalist aus Bergedorf. Da kann ja nur alles schief gehen, bzw. besser werden, man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben.

  • V
    vic

    Wofür sich die Wähler Hamburgs auch entscheiden.

    Am Ende erhalten sie CDU-Politik.

  • E
    Edelgard

    Immerhin macht er mit Carola Veit (Vater: Österreicher) eine Migrationshintergründige zur Bü-Präsidentin. Und die Ehe von Aydan Ö. und Michael "Stummel" N.: Na ja.

  • W
    Wenningstedt

    Doch eine Migrantin!

     

    Barbara Kisseler kommt aus Düsseldorf und war die beste Kulturamtschefin, die wir hier je hatten!!! Viel Glück in HH!

  • HA
    Hans a

    Die SPD heißt jetzt Scholz und der heißt Wirtschaft, absolut zutreffend hier beschrieben: Wenn also die SPD in Berlin mit der Agenda 2010 aufgefallen ist, heißt sie in Hamburg Agenda Scholz 2020 und besteht fast nur aus ihm: Scheele und Horch sind verlängerte Arme des Bürgermeisters, Blankau ist fachfremd und die anderen sind auch keine Stars, die keinen Schatten werfen können.

     

    Aber Scheele und Horch sind Augen und Ohr von Scholz und in der Partei sind sie selber eher schwach oder gar nicht eingebunden (Horch ist Parteilos). Ein paar Leute aus den Kreisen sind als Fachleute getarnt, aber auch die sind zur Not schnell für ein Bauernopfer geeignet und mindestens der Finanzsenator hat eine Aufgabe, die sich gar nicht lösen lässt.

     

    Seit Henning Vorscherau hat es kaum so ein Personaltableau gegeben, dass so auf den 1. Bürgermeister zugeschnitten war und ist.

     

    Der Bürger wird aber schnell die Probleme dieser One-Man-Show erleben: Wo Scholz drauf steht, ist auch nichts anderes drinnen. Im Kontrast zu den verlorenen Jahren mit der CDU ist das möglicherweise schon ein Fortschritt, für die Probleme der Stadt wird sich das hier als Bumerang erweisen. Besonders der Mangel an alter SPD und sozialer Einfärbung plus neutraler Wirtschaftslobyismus könnte bald schon ziemlich übel stinken.

     

    Sollte Japan eine Wirtschaftskrise auslösen, könnte diese Scholz-Manschaft schnell einem Härtetest unterzogen werden und die Wahrscheinlichkeit, dass Scholz bei armen Hamburgern einen Rotstift plus massiven Jobterror ansetzt, ist ziemlich groß. Dass Scholz und Scheele ein Hartz-Duo erster Güte ist, konnte der geneigte Beobachter in Berlin bereits beobachten.

     

    In ihrer Zeit wurde nicht mal im Ansatz versucht, die Miesere und die vielen Fehler des Gesetzes zu beseitigen oder wenigstens zu verbessern. Schlechte Aussichten für Arme und Arbeitslose - die harte Linie der Agenda-2010-SPD ist wieder da. Scholz und Scheele hätten 2,50 EURO als Regalsatzerhöhung gefordert ...