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Kommentar Krieg in LibyenErst bomben, dann denken

Kommentar von Eric Chauvistre

Wer die beste moralische und rechtliche Begründung für einen Krieg hat, ist nicht davon entbunden, die Sache zu Ende zu denken. Und zwar vor dem ersten Schuss.

D ie Tomahawks haben ihre Ziele getroffen, eine Flugverbotszone ist durchgesetzt. Wer möchte, darf diese Bilanz der ersten zwei Luftkriegstage als Bestätigung für seine Kritik an der Abstinenz der Bundesregierung deuten. Ratsamer wäre es, mit dem Urteil eine Weile zu warten.

Es ist natürlich denkbar, dass es auch jetzt noch zu einer glücklichen Wendung in Libyen kommt. Bloß: mit Politik hat solch eine Haltung nichts zu tun. Wer militärpolitisches Handeln auf die vage Hoffnung stützt, dass schon alles einen glücklichen Ausgang nehmen wird, handelt verantwortungslos. Auch wer die beste moralische und rechtliche Begründung für einen Krieg hat, ist nicht davon entbunden, die Sache zu Ende zu denken. Und zwar vor dem ersten Schuss.

Für diesen Krieg aber gibt es weder ein klares Ziel noch eine stringente Strategie. Und wer einmal in einen Krieg einsteigt, der möchte ohne Gesichtsverlust wieder herauskommen. Im Zweifelsfall heißt das: immer weitermachen. Selbstverständlich haben Merkel, Westerwelle und de Maizière nicht allein wegen solcher Bedenken oder aus anderen edlen Motiven heraus eine Kriegsbeteiligung abgelehnt.

ERIC CHAUVISTRE ist freier Journalist und Autor.

Politische Entscheidungen sind immer das Produkt einer Vielzahl von Faktoren. Auch für Sarkozy spielten die viel gescholtenen innenpolitischen Gründe eine Rolle. Warum auch nicht. So etwas nennt man Demokratie.

Doch selbst wenn man der Bundesregierung Opportunismus, Inkonsequenz und alle verwerflichen Motive dieser Welt unterstellt, tut das nichts zur Sache. Auch Schröder entdeckte seine Kritik an einem Irakkrieg 2002 erst, als seine Umfragewerte im Keller waren. Falsch war sie trotzdem nicht. Es ist im Zweifelsfall besser, eine Bundesregierung tut aus den falschen Gründen das Richtige als aus den richtigen Gründen das Falsche.

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29 Kommentare

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  • I
    Interpretator

    Welcher Idiot sagt eigentlich, dass die Aufstaendischen besser sind als Gaddafi, dass sie Demokraten, weniger blutrünstig und gar westlich orientiert sind? Die Amis haben die Mudjahedin in Afghanistan unterstützt - die Folgen kennt man ja. Die Rebellen sehen nicht viel vertrauenserweckender aus. Ein Sieg gege Gaddafi könnte die Lıbyer teuer zu stehen kommen. Und man kann den Machiavelli stecken lassen und nehme lieber Bismarcks Realpolitik. Deutschland hat eine ideologische Aussenpolitik noch nie genützt, auch keine fragwürdige Menschenrechtsbeglückungspolitik.

  • H
    hajolino

    So Recht H. Chauvistre hat, ich hätte mir den Kommentar etwas ausgewogener gewünscht.

    Denn auch die anderen Optionen sind politisch nicht unproblematisch.

     

    Option 1: Man macht nichts.

    Das ist aus machiavellistischer Sicht sicher die beste und einfachste Lösung. Man wartet ab und spricht mit dem Sieger.

    Ich habe aber den Eindruck, das viele Menschen das Gefühl haben, das man sich danach nicht mehr im Spiegel ansehen kann. Ist es eine Option, zuzusehen, wie ein siegreicher Gaddafi Tausende von Aufständischen nachträglich erschießen lässt? (Soll in Libyen ja schon einmal vorgekommen sein.)

    Und ist das "eigentlich" nicht die ureigene Aufgabe der UN?

     

    Option 2: Man setzt nur die Flugverbotszone durch.

    Die Forderung, keine Bomben auf Städte zu werfen wäre immerhin eine dem internationalen Kriegsrecht(!) verpflichtete berechtigte Forderung gewesen und wäre eine einigermaßen unparteiische Position gewesen.

    Diese Option ist in einem längeren Bürgerkrieg schwierig zu halten, hat aber auch niemand versucht.

     

    Die 3. Option ist die tatsächlich angewendete:

    Die Eingreiftruppen haben sofort deutlich Partei ergriffen.

    Das zwingt die Beteiligten implizit zum Sieg, insoweit hat H. Chauvistre vollständig recht. Vor Allem insofern, dass der Sieg nun nach der - leider menschentypischen - politischen Logik nun unabhängig vom ursprünglichen Anlass zwingend ist. Das ist ein Risiko.

     

    Vielleicht ist es das Beste, zuzugeben, das es schwierig ist, in dieser Situation das Richtige zu tun. Letztendlich wird es die Zukunft entscheiden, nicht wir.

    Das Leben und die Politik enthalten Risiken.

     

    Zum Schluss noch ein Wort zur Strategie:

    Das H. Chauvistre (und ich) sie nicht kennen, bedeutet nicht, dass man sie nicht hat. Dies ist nicht der kaltblütige Einmarsch der USA (e.a.) in den damals "friedlichen" Irak. Dies ist ein Bürgerkrieg, der schon begonnen hat und der mit dem Tod von Gaddafi (+Söhne?) in dieser Form definitiv zu Ende sein wird. Wenn sich Eingreiftruppen den direkten Mord an Gaddafi als letztes Mittel zutrauen, ist dies eine Strategie.

    Den Rest muss man (glücklicherweise oder leider) den Libyern überlassen, denn die "neuen" Kräfte sind schon da und im Gegensatz zu Irak und Afghanistan können die USA (e.a.) sie sich nicht aussuchen.

    Das im Irak und in Afghanistan angewendete Konzept der Staatsbildung nach westlichem Muster geht nicht nur momentan komplett den Bach runter, sondern es ist in Libyen auch (glücklicherweise) nicht anwendbar.

  • Y
    york

    wenn ich sehe, dass ein irrer auf wehrlose schiesst, und ich habe eine knarre in der hand, dann schiesse ich auf den irren. und ich denke nicht mal hinterher darueber nach, was ich sonst haette tun koennen.

     

    und wenn mir spaeter jemand den vorwurf macht, der irre sei mein erbonkel gewesen, also habe ich nur aus eigennutz gehandelt, dann perlt das ziemlich spurlos an mir ab.

  • MS
    Michael Scheier

    So langsam kehrt wohl auch bei der TAZ wieder etwas Nachdenken ein. Eure Haudraufkommentare vom letzten Wochenende - und zwar Haudrauf auf jeden, der diesem Einsatz skeptisch gegenüber stand - fand ich nur noch abstoßend. Ich denke dann immer an die Kriegsbegeisterung zu Anfang des Ersten Weltkrieges: Wer kann eigentlich aus heutiger Sicht von sich sagen, dass er nicht dabei gewesen wäre? Dümmer als wir heute waren die Leute damals auch nicht.

  • EU
    Einfach Unmöglich

    es kann nicht sein daß so einfach die Souverintät eines Landes durch UN Beschluss verletzt wird, ohne die Möglichkeiten völlig auszuschöpfen.

    Putin hat recht, diese Art Einmischung, errinert den Verdacht eines Kreuzzuges. Klar ist jedoch, Gaddafi muss gehen.. Feuer löscht man nicht mit Benzin..

  • BA
    Big Auslaender

    Das problem mit aussagen von deutschen fuer oder gegen militaerische angelegenheiten wie diese ist, dass das thema ist extrem ideoligisiert wegen des zweitenweltkriegs. Dh. ob man tatsaechlich fuer oder gegen ist spielt keine rolle, weil sowas nicht existiert bzw. keine rolle spielt.

  • DP
    Daniel Preissler

    "Wer militärpolitisches Handeln auf die vage Hoffnung stützt, dass schon alles einen glücklichen Ausgang nehmen wird, handelt verantwortungslos."

     

    Wer immer nur zusieht und hofft, dass schon alles einen glücklichen Ausgang nehmen wird, handelt mitunter auch verantwortungslos - so pauschal lässt sich das nicht beurteilen!

     

    "Auch wer die beste moralische und rechtliche Begründung für einen Krieg hat, ist nicht davon entbunden, die Sache zu Ende zu denken. Und zwar vor dem ersten Schuss."

     

    Leider hat der Autor an dieser Stelle vergessen, dass er nicht über den Irak, sondern über Lybien schreiben wollte. Hier war der "esrte Schuss" schon längst gefallen; NATO-Staaten ergreifen Partei in einem Krieg, der schon im Gange ist, sie beginnen keinen Krieg. Das ist ein wichtiger Unterschied!

     

    Die Sache zu Ende denken, Exist-Strategie usw.: das sind richtige und wichtige Einwände. Dennoch hat man nicht immer beliebig viel Zeit für Braistorming und philosophische Betrachtungsweisen. Nimmt man sich die jedes Mal, so ist das in manchen Situationen - eben: Verantwortungslos.

     

    Grüße, DP

  • DP
    Daniel Preissler

    @Jenseits von...

    "Dagegen steht meine Überzeugung, dass Freiheit selbst erkämpft und verteidigt werden muss - man bekommt sie nie geschenkt. Das ist kein Argument dagegen, solidarisch zu sein, sondern ein Argument gegen falsche Freunde."

     

    Weißt du, ich bin wirklich froh, dass deutsche Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden die Freiheit nicht alleine erkämpfen mussten. Wenngleich ich beispielsweise die Amis auch nicht einfach als die glorreichen Befreier sehe, die hatten natürlich ihre (ökonomischen) Interessen und sind zudem von Japan und Deutschland zu diesem Krieg gezwungen worden (also eine etwas andere Ausganslage als in Lybien). Dennoch, dein Argument verfängt nur in manchen Situationen. Jeder muss für sich entscheiden, welche Situation er wann erkennt.

    Grüße, DP

  • V
    Volker

    Die trübe Einheitsnachrichtensuppe kommt doch alles aus einer Quelle.

    Wenn man die verschiedensten Zeitungen quer liest, erlebt man ein Dauerdejavue oder anders ausgedrückt copy and paste ist schwer in Mode gekommen.

     

    Macht sich den niemand selbstständig Gedanken darüber das britische Spezialeinheiten bereits Wochen vor dem Kriegseinsatz in Libyen waren und Ziele markierten?

     

    Was ist wenn es gar nicht um Gaddafi oder Öl geht sondern vielleicht um etwas anderes?

     

    http://www.politaia.org/kriege/die-libysche-revolution-und-die-gigantischen-libyschen-wasserreserven-politaia-org/

  • JK
    Jürgen Kluzik

    Und nun ein paar Worte zur deutschen Außenpolitik: Die Geschäfte mit Mubarak, Ben Ali und Gaddafi brachten Arbeitsplätze, billige Urlaubsorte, Öl und Geld. Und jetzt diese blöde Solidarität mit arabischen Demonstranten, Rebellen und Flüchtlingen. So hab ich mir das nicht vorgestellt. Tschüß

  • T
    tystie

    "Auch für Sarkozy spielten die viel gescholtenen innenpolitischen Gründe eine Rolle. Warum auch nicht. So etwas nennt man Demokratie."

     

    Wenn Sarkozy den Kreigseinsatz dazu benutzen will, sich für die Präsidentschaftswahlen zu positionieren, dann ist das keine 'Demokratie', sondern massiver Machtmissbrauch!

  • JV
    Jenseits von Böse

    Befreiung von Diktatur ist gut. Auch ich konnte mir den klammheimlichen Wunsch nicht verkneifen, der liebe Gott oder die Nato möge eingreifen, bevor die Aufständischen von der Gaddafi-Sippe massakriert werden.

     

    Dagegen steht meine Überzeugung, dass Freiheit selbst erkämpft und verteidigt werden muss - man bekommt sie nie geschenkt. Das ist kein Argument dagegen, solidarisch zu sein, sondern ein Argument gegen falsche Freunde.

     

    Gerade die gibt es im Fall Libyen zuhauf: Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, die - immer noch - bushigen USA, die grenzdemokratischen Zwerge Berlusconi und Sarkozy...

     

    Von Deutschland müssen wir nicht reden, eine Aussenpolitik findet derzeit nicht statt. Unter Rot-Grün sagten wir Nein zum Irakkrieg: Richtig so! Enthauptungsschläge gegen blutrünstige Diktatoren, die ihren ehemaligen Kumpels nicht mehr ins Konzept passen, machen ein Volk doch nicht frei, sondern kopflos.

     

    Im Irak geht die immer noch mörderische Gewalt nicht mehr von Saddam, sondern von diversen Interessengruppen mit höchst zweifelhaften Motiven aus. Gut für den Zugriff der "Befreier" auf die Ölquellen, aber kein Gewinn für's Volk, das mit über 100000 Toten (lt. Iraq Body Count) bezahlt hat.

     

    Wieso sollte das in Libyen anders sein? Den falschen Freunden kann ich getrost die richtig falschen Motive unterstellen, geschenkt. Aber ob es sich im Land um einen demokratischen Aufstand gegen Despotismus oder um einen Machtkampf zwischen rivalisierenden Stämmen handelt, weiss ich nicht. Von einer alternativen tageszeitung hätte ich mir darüber Aufschluss erwartet.

     

    In der konkreten Situation fühle ich mich hilflos. Solidarität hätte für mich geheissen, die Waffenexporte aus unserem Land zu unterbinden, dazu all die anderen schmutzigen Deals mit dem Regime. Das erfordert jahrelange Arbeit, aber die Mühen der Ebene sind wir doch z.B. aus der Anti-AKW-Bewegung gewohnt.

     

    Billiger ist Freiheit nicht zu haben - auf keinen Fall durch das plötzliche Segnen der Nato-Waffen. Es geht doch nicht nur darum, auf wen sie zielen, sondern auch darum, wer schießt. Es ist höchst verdächtig, wenn es sich um dieselben Leute handelt, die zuvor die Waffen der Gegenseite geliefert haben.

     

    Dann nämlich handelt es sich bei der ganzen Geschichte um ein schmutziges Geschäft, das wie üblich auf dem Rücken der Völker ausgetragen wird. Es ist zum Schreien, aber ganz sicher hilft ihnen und uns die Nato nicht aus der Scheiße. Eine nachdenkliche Analyse der gänzlich anderen Rolle der ägyptischen Armee in den Tagen des Zorns hätte der taz gut zu Gesicht gestanden.

     

    Es gibt die Perlen noch, aber man muss sie immer länger suchen. Stattdessen springt mir das Dschungelcamp aus "meiner" taz mit nacktem Arsch ins Gesicht. Mal ehrlich, Genossen: die Seiten hättet ihr lieber dem Karim gegeben, dann wüsste ich jetzt, auf wen ich die Schuhe schmeissen muss. Einen hebe ich mir auf: für die Chefredaktion, wenn das so weiter geht.

     

    Ein Ehrenschuh geht an die schlichten Gemüter, die in diesem Forum das Denken durch Notwehr aushebeln wollen: Mit solch einer schrägen Argumentation hat man mir damals den Kriegsdienst schmackhaft machen wollen. Wer sich den Schuh nicht anziehen will, kann ja hier reinhören:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=nRHnPDDIi5E

  • R
    Rolf

    Vielen Dank für diesen Beitrag. Nach der Kriegsbegeisterung in den letzten Tagen ist dieser eine Wohltat.

     

    Zu den TAZ Berichten vom Wochenende meine ich:

     

    Es gab mal eine Zeit in Deutschland, da war es ein breiter Konsens in unserer Nachkriegsgesellschaft: „Krieg ist kein Mittel der Politik“. Ausgerechnet unter rot-grün wurde dieser aufgebrochen. Wir beteiligten uns an einem völkerrechtswidrigen Krieg. Und all jenen die jetzt sagen es sei Alternativlos gewesen und die Gegner dieses Einsatzes schlicht unrealistische Träumer, seien daran erinnert, dass zu diesen auch Helmut Kohl und Helmut Schmidt gehörten.

     

    Ab da also gehört Krieg wieder zum Mittel der Deutschen Außenpolitik. In Afghanistan (um nur ein Beispiel zu nennen) konnte die Internationale Militärallianz schon nach wenigen Wochen die Menschenrechte durchsetzen und Frieden bringen. So war es jedenfalls gedacht (bzw. gesagt worden). Es hat nicht geklappt, in Afghanistan nicht, im Irak nicht, und anderswo auch nicht.

     

    Immerhin mussten die Regierenden in den letzten Jahren noch sagen Krieg käme nur als „Ultima Ratio“ in Betracht. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Beim Lesen der TAZ wurde mir in den letzten Tagen unwohl angesichts der „Kriegsbegeisterung“ etwa von Deniz Yücel und (abgeschwächt) von Dominic Johnson. Das dieser meint, die Resolution des UNO-Sicherheitsrats würde nicht zu einem Krieg führen ist seltsam blauäugig. Und von „Ultima Ratio“ keine Rede mehr; lediglich die Bundeskanzlerin meinte am Sonntag sie wolle nichtmilitärische Mittel nutzen.

     

    Das die aktuelle Regierung für Ihr Nein zu einer Kriegsbeteiligung von Rot-Grün attackiert wird, man sollte es sich merken wenn beide sich mal wieder als Friedensparteien verkaufen wollen. Ich höre sie schon sagen: Aber im Irak haben wir nicht mitgemacht. Wir wissen zwischenzeitlich, dass es richtig heißen müsste: Da haben wir nicht OFFEN mitgemacht. Und ich bin fest davon überzeugt, dass Schröder nur deshalb gegen eine Beteiligung war weil er dies als einzige Chance sah, die bevorstehende Wahl zu gewinnen.

     

    Alle (sollten) wissen: bei diesem Krieg, wie bei allen, werden viele Zivilisten auch von „den Guten“ getötet werden und gigantische Umweltschäden entstehen.

     

    Ich bin übrigens der Meinung, dass wir etwas tun sollten. Was das sein kann? Nun, es wären viele TAZ-Seiten wert friedliche Handlungsmöglichkeiten zu erörtern. Wir könnten beispielsweise damit aufhören mit unseren Exportsubventionen die Märkte in Afrika und anderswo zu zerstören. So sind wir für den Hunger und die Not vieler Menschen dort verantwortlich.

  • C
    CassXI

    Hallo,

     

    der Einsatz in Libyen ist nicht zu vergleichen, mit irgendwelcher Zivilcourage in irgendeiner deutschen U- oder S-Bahn. Ebensowenig kann ich den Einschätzungen irgendwelcher Medien nicht glauben, welche mir Bilder von verwundeten Kindern und ähnlichem zeigen. Ich weiss auch nicht, wie viele Menschen Gaddafi unterstützen oder welche politischen Machtspiele innerhalb Libyens gespielt werden. Die Lage wird man nur nach dem vergehen einiger Zeit einschätzen können, vorher nicht.

    Zu glauben dass die USA, Frankreich und Großbrittanien aus reiner Nächstenliebe, Humanität oder Zivilcourage handeln, ist wohl ein lächerlicher Gedanke.

  • E
    egal

    Bei Al-Jazeera gibt es eine etwas ausführlicher begründete Meinung (von vor der Verabschiedung von Resolution 1973):

     

    http://english.aljazeera.net/indepth/opinion/2011/03/201132093458329910.html

  • KM
    Kritischer Mensch lässt sich nix vormachen

    Wenn ich in der S-Bahn damals bei Dominik Brunner gewesen wäre, hätte ich auch nichts gemacht. Ich hätte mir gedacht, "das ist wohl so eine Schlägerei unter Kriminellen". "Nicht eingreifen ohne klares Ziel", hätte ich gedacht. "Morgen überleg ich mir mal eine Strategie, und dann komme ich wieder zum Bahnhof, und guck mal, ob sich die Lage nicht schon geklärt hat. Ansonsten ermahne ich dann beide Parteien zur Zurückhaltung, und weise auf die Gesetze hin."

     

    Hätte ich aber dann eine Gruppe von anderen Leuten gesehen, die gerufen hätten "He, sofort aufhören!", die da hingelaufen wäre und die dann die Angreifer weggezerrt hätten, wäre meine erste Vermutung gewesen: "Die wollen den Jungs doch nur an die Brieftasche!". Ich hätte diese Eingreifer dann lauthals als Verbrecher beschimpft, aber hätte mich dazu hinter einer Säule versteckt, vorsichtshalber. Tja, ich bin eben links, Leute. ich weiß Bescheid und handle immer richtig. Für die Menschlichkeit! Venceremos!!

  • L
    Linsenspaeller

    Im Krieg wird eben häufig mit Bomben gedacht. und wenn eine deutsche Regierung meint, daß ihr das nicht gut zu Gesicht steht, dann sollte das wenigstens hier breite Akzeptanz finden. Kritiken wie die von R. Herzinger in der "Welt" sind völlig neben der Realität. Wegen diesen Situationen habe ich immer davon abgeraten, einen Sitz im UN-Sicherehitsrat anzustreben.

     

    Das eigentliche Problem mit den Arabern sind nicht ihre Diktatoren, sondern die Tatsache, daß man dort unter Freiheit und Demokratie noch lange Zeit nicht dasselbe verstehen wird wie in Europa. Und eine Ansammlung von Staaten nach libanesischem Muster rund um das Mittelmeer wird sich doch hier niemand wirklich wünschen.

  • FL
    Frederick Leister

    Sehr geehrter "Sicherheitsexperte" CHAUVISTRE,

     

    wie stellen sie sich ihre Floskel "die Sache zu Ende zu denken" eigentlich genau vor? Wie wollen sie denn einen militärischen Einsatz vor seinem Ausgang "zu Ende denken"? Glauben sie die Gegner des deutschen Vernichtungskrieges haben vor dem "ersten Schuss" die Sache bis zum letzten Nagel "zu Ende gedacht"?

     

    Es sag schon einiges aus wenn Sie das feige, populistische und in letzter Konsequenz antiamerikanische Handel eines Putinkameraden als das "Richtige" bezeichnen. Die Menschenrechte mit Gewalt und der Waffe zu verteidigen gehört für Sie anscheinend nicht zum "Richtigen".

     

    Haben Sie ihre europäisch-selbstgefällige Argumentation eigentlich mal "zu Ende gedacht"?

  • SH
    son hals

    Ich hoffe, die Leute, die bis zum heutigen Tag unter dem Gaddafi-Clan leiden müssen, haben eines Tages die Gelegenheit, Ihnen einmal ins Gesicht sagen, was sie davon halten, wenn Zeitungsbüroler wie Sie in der Situation der Not und der Bedrohung - politisch suuuuperkorrekt - zum "Denken" auffordern, Herr CHAUVISTRE. Machen Sie sich ruhig nen Yogitee und diskutieren Sie mit Ihren Freunden und Bekannten bei einem Stück Bioapfelkuchen mit Sahne, wie Sie das alles so finden und was man so tun könnte. Die Menschen in Lybien haben Zeit.

  • CK
    carin k

    Natürlich sind militärische Einmischungen und Luftschläge keine schöne Sache und sollten nur in Einzelfällen und als letzer Ausweg gesehen werden, ABER bei diesem Diktator, der sogar begonnen hat, auf sein eigenes Volk Bomben werfen zu lassen, gab es herzlich wenig Möglichkeiten/Altenativen ihn mit schönen Worten zu stoppen. Und niemand der Kritiker ist hier fähig eine konkrete Alternative zu nennen, sondern flüchtet sich nur in Fundamental-Ablehung, weil Krieg eben schlecht ist. Ja Krieg ist natürlich schlecht und schmutzig und fordert immer auch Opfer, aber ist Völkermord besser oder das tatenlose Zusehen beim Abschlachten der Menschen wirklich so viel "moralischer"?

     

    Wenn im Hintergrund eine Völkermord am eigenen Volk stattfindet, macht ihr es euch verdammt einfach, einfach zu fordern, dass man sich doch erstmal schön gemütlich für die nächsten 5 Monate auf Treffen und Verhandlungen hätte einigen sollen.

     

    Wenn ihr an deren Stelle wärt und in einer Diktatur leben würdet, wie würdet ihr es dann sehen? Hätte man sich vielleicht auch nicht bei Hitler einmischen dürfen und gegen ihn einen Krieg führen dürfen, da durch diesen Krieg ja ebenso tausende Unschuldige gestorben sind? Wäre es moralischer gewesen, man hätte Hitler weitermachen lassen ohne sich einzumischen? Der feine Herr Gaddafi ist ja genauso wenig für Argumente zugänglich und war auch niemals durch Embargos zu stoppen.

     

    Mich würde also interessieren, warum ihr euch einbildet, ihr wärt bessere Menschen, wenn ihr euch "schön friedlich" das Massaker und dem Volkermord eines Diktators anseht? Bei solchen Themen gibt es leider kein einfaches Schwarz/Weiß oder Ja/Nein, das Thema ist eine extrem problematische und moralische Grauzone und mann muß auch mal den Mut haben "Ja, aber.." zu sagen.

  • S
    Stefan

    Stimmt schon. Immer alles erst schön zu ende denken, vor allem, wenn man selber mal ansonsten handeln müßte. Das denken sich die Passanten/Zuschauer diverser Schlägereien an S- und U-Bahnen sicherlich auch immer: lieber erstmal nichts tun, mir könnte ja der Anzug schmutzig werden oder sogar die Nase blutig geschlagen werden. Und was gehen mich die Probleme anderer Leute an...?

     

    Manchmal hat man leider nicht genügend Zeit zum Nachdenken. Manchmal ist einfach nur handeln angesagt.

     

    vg, stefan

  • F
    Fordler

    Vergleichen wir das doch mal mit der immer wieder von uns Bürgern verlangte Zivilcourage.

    Nicht wegsehen, eingreifen, helfen usw. ist doch die Devise. Wenn man dann "alles zu Ende denken" würde, wäre es meistens zu spät. Stellen Sie sich vor, jemand wird in der U-Bahn angegriffen. Ein couragierter Helfer fordert Sie auf mit zu helfen. Sie sagen dann wie Deutschland:"Ich enthalte mich, aber die Aktion begrüße ich, doch ich mache nicht mit".

    Stattdessen bieten Sie einem anderen Fahrgast an seine Tasche zu halten, damit er mitmachen kann. Das ist nämlich das Gleiche was Merkel mit dem angebotenen AWACS Einsatz in Afghanistan meint.

  • C
    Critter

    Schwach, das soll eine Analyse sein?

    Woher weiss Herr Chauvistre eigentlich, dass die Allianz über keine Strategie verfügt?

    Was der Autor der UN-Allianz empfiehlt, sollte er besser selbst beherzigen:

    "Ratsamer wäre es, mit dem Urteil eine Weile zu warten."

  • PS
    Post Scriptum

    Adorno hat mal geschrieben (in einem bestimmten Zusammenhang, den heute kaum noch jemand liest – wahrscheinlich denkt man, das sei das Kleingedruckte, das sowieso nicht so wichtig sei), es gebe kein Gutes im gesamten Falschen (paraphrasiere). Über das Große und Ganze, das falsch ist, weiß man heute, und andauernd immer ein bisschen mehr. Das falsche Gute/Richtige (in den USA nennt man das Backlash, Adorno hat übrigens sehr lange in den USA gelebt, aber das blendet man heute gerne aus: im Unterschied zu Adorno, möchte und möchte man sich wohl in anderen einfach nicht wiedererkennen, als ob das keine Menschen wären, Gleichartige) geben wohl einige Ansichten wieder, die sich (vielleicht zufälligerweise) mit Entscheidungen einiger Politiker decken. Weil wahrscheinlich keine würdigen Interessen dahinter stehen (Warum hat man denn nicht Regierungen und politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Eliten unterstützt, die 100% vertrauenswürdig und richtig sind? Die 100% nicht aus solchen Interessen handeln? In den westlichen Demokratien hat man die einmalige historische, nicht selbstverständliche Gelegenheit, das auch zu tun; etwas besser, wenn es das gibt, müsste erst noch zu Ende gedacht werden und dann, sehr langwierig, Wirklichkeit werden) und weil man selbst die Lage vor Ort nicht versteht oder auch nicht verstehen möchte, sollen die Menschen dort ruhig weitersterben. Nur damit die westlichen Regierungen keine imperialistischen Ziele verfolgen können (die zufälliger- und ausnahmsweise diesmal tatsächlich der Zivilbevölkerung helfen könnten), obwohl die gleichen Regierungen bisher offenbar in friedlichen Zeiten zuließen, bzw. gerne auch mithalfen, Gaddafi zu bewaffnen (wer soll das ändern, wenn nicht der Bürger der westlichen Demokratie – Sie müssen das Falsche im Großen und Ganzen richtig angehen, denn solange es das gibt und Sie es nicht angehen, sind Sie auch nicht richtig, und schon erst recht nicht gut, vor allem wenn Sie glauben, dass Sie keine Verantwortung tragen und kein Teil des Großen und Ganzen sind; das ist nämlich auch Adorno, lesen Sie immer auch das vermeintlich Kleingedruckte).

     

    Man wundert sich über Japan, wie sie die Atombombe ablehnen können, aber auf Atomenergie setzen: dabei haben die meisten Gesellschaften Europas auch keine Atombomben, aber einige oder verhältnismäßig viele AKWs. Wo ist der Unterschied? Dass die Atombomben über Japan und im Pazifik hinuntergeworfen wurden? Man wundert und entrüstet sich über Libyen, dabei produziert die eigene Gesellschaft munter Waffen weiter, die dorthin verkauft werden, wo es morgen das gleiche Szenario geben könnte. Man entrüstet sich über die Bankenkrisen, fragt sich aber kaum, wer kann das (wirklich) anders machen und wie kann ich meinen Beitrag leisten, wenn ich denn kann. In Frankreich hat man sowas mal "mauvaise fois" genannt.

  • FS
    Frau Smilla

    Danke, Herr Chauvistre!

     

    Gut dass es noch besonnene Journalisten gibt, die bei der allgegenwärtigen Kriegspropaganda nicht mitmischen.

    Die parallel eskalierenden Situationen in Japan und Libyen haben übrigens einen gemeinsamen Nenner. General Electric lieferte nicht nur tödliche Technik für Fukushima sondern profitiert auch vom Geschäft mit "Marschflugkörpern", die seit gestern in Libyen einschlagen. Der weltweit führende Hersteller von Atomkraftwerken, das deutsch-französisches Joint Venture Areva NP/Siemens war am 11.3. mit einem Team vor Ort. Im Kraftwerkskomplex Fukushima Eins hatten sie im abgeschalteten Block 4 ein Prüfverfahren für Schweißnähte vorgestellt, als das Erdbeben begann. Areva stoppte mittlerweile eine Plutoniumlieferung an das AKW Fukushima: Die dort von Areva gelieferten Mox-Elemente könnten die Katastrophe verschlimmern. Siemens verkauft zudem effiziente militärische Logistik, mit deren Hilfe Kriege organisiert werden, aber offensichtlich keine humanitären Einsätze bei Reaktorkatastrophen.

  • BK
    Bernd Kudanek

    @Bascha, bis auf Ihr "Da sind mir sogar Merkel und Westerwelle sympathisch" volle Zustimmung!

  • J
    Johanna

    Ich wollte ja eigentlich die Grünen wählen, hab mich jetzt aber doch noch umentschieden und der CDU meine Stimme gegeben.

  • BP
    Bernhard Pangerl

    Sehr geehrter Herr Chauvistre,

    die erste für mich zugängliche Analyse eines kompetenten Sicherheitsexperten zu diesem Thema, die auch noch als richtig zu bezeichnen ist.

     

    Die deutsche Regierung hat die Entscheidung mitgetragen, damit war sie nicht unsolidarisch. Sie muss sich daher auch nicht rechtfertigen, warum sie wochenlang den Freiheitskampf des libyschen Volkes zwar hochgehalten, am Ende aber nicht teilgenommen habe, wenn es galt, diese Freiheit notfalls mit Waffengewalt durchzusetzen.

    Das Argument, dieses Ziel hätten auch die arabischen Staaten selbst mit Waffengewalt durchsetzen können, wurde – so wahr es auch ist - nicht gehört. Nachdem das Argument, die arabischen Nachbarstaaten könnten wesentlich schneller und problemloser den bedrängten Revolutionären beistehen, sich nicht durchsetzen konnte, wäre es Unfug gewesen, sich daraufhin am Militäreinsatz aktiv zu beteiligen. Sie sah sich also keineswegs – wie der SPIEGEL kommentiert - als Oberpazifist und würde sich auch sicher nicht in dieser Rolle gefallen.

    Während nun die Allianz an Stelle der arabischen Nationen den libyschen Revolutionären beisteht, basteln die arabischen Staaten in Bahrain im Windschatten der Schlagzeilen an der UNO vorbei an einem religiös motivierten Krieg zwischen Sunniten und Schiiten. Es wird sich zeigen, dass im Zuge des fortschreitenden Steppenbrandes im arabischen Raum – in Hoffnung auf westliche Unterstützung – nun auch noch andere bedrängte Gruppen anderer islamisch geprägter Nationen in verzweifelten Situationen auf Grund des nun erfolgten Einsatzes in Libyen entweder einem Irrtum unterliegen werden, der ihnen wie den westlichen Nationen Schaden zufügen wird, oder die westlichen Nationen in eine Art „arabischen Krieg“ zieht.

     

    Eine an Trivialität nicht zu überbietende Art von kurzsichtigem „Humanismus“ ließ auch die Tatsache übersehen, dass diese Revolutionäre, den Gebräuchen dieses Wüstenvolkes nachgehend, alles andere als zimperlich sind, wenn sie einen– ob nun nur vermuteten oder tatsächlichen – Gegner in die Finger bekommen. Revanche ist in diesem Land das vorherrschende Prinzip und die bisherigen Nachrichten belegen bereits, dass die Führung der Revolution ihre Anhänger in keinster Weise im Griff hat.

     

    Der militärische Einsatz im Namen der UNO war schon von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wie zu erwarten war, stellt Gaddafi nun von konventioneller Kriegsführung auf Volksarmee um. Damit gehen der alliierten Technologie die Angriffsziele entweder verloren oder vermehren sich auf eine nicht mehr kontrollierbare Weise. Gaddafi hat André Beaufre's Buch „Die Revolutionierung des Kriegsbildes“ sehr gut studiert. Ein Vorsprung, den die Allianz schnellstens aufholen sollte, wenn es dazu nicht schon zu spät ist.

    Die Allianz steht nun vor dem Problem, entweder die Kampfhandlungen unverrichteter Dinge einzustellen, oder in das offene Messer von Russland und China zu rennen, die schon darauf warten, ihre verbalen Attacken wegen „Krieg gegen zivile Bevölkerung“ zu reiten.

    Die arabischen Nationen werden ihnen darin beipflichten. Die Tatsache, dass Dänemark mit Kampfflugzeugen arabisches Territorium angreift, aus welchen Beweggründen auch immer, hat dem Ansehen der Allianz in der arabischen Bevölkerung endgültig das Genick gebrochen, und die arabische Liga weiß das.

    Die Allianz ist dem intelligenten Kalkül der arabischen Liga wie dem skrupellosen Kalkül des Gaddafi auf den Leim gegangen. Klappe zu, Affe tot.

  • B
    Bascha

    Herr Chauvistre ist einer der wenigen Lichtblicke, die der Kriege befürwortenden taz noch geblieben sind.

    Ach ja: die taz, die Grünen und große Teil der SPD als Kriegsfans-die derzeitige Regierung gegen diesen neuen Krieg, wer hätte dies gedacht. Da sind mir sogar Merkel und Westerwelle sympathisch. Drum prüfe nochmals, wer in diesem Lande sich bereits die nächste SPD/Grünen-Regierung herbei wünscht...