Gewalt gegen Gaddafi?: Unsere innere Merkel
Viele Deutsche sind für einen Einsatz gegen Gaddafi, aber gegen eine Beteiligung der Bundeswehr. Ist das okay - oder einfach nur erbärmlich inkonsequent?
"Das Böse hat viele Gesichter und eins davon ist für mich das fürchterlichste; und das ist die Gleichgültigkeit guter Menschen." (Aus "The Boondock Saints)
Vor den Bomben war alles so schön klar. Im Kopf, im Bauch war für nichts anderes Platz als Zorn, gerechter natürlich - auf Gaddafi, weil er schon besiegt schien und nun wieder gewann, auf die Rebellen, weil sie es selbst nicht geschafft hatten und nun den Westen um Hilfe bitten mussten.
Und vor allem auf den Westen, weil er diese Hilfe nicht gewährte. Was sollte dieses leere Gerede von Menschenrechten und Freiheit, wenn man nicht dafür einstand. Auch in Europa wurde Demokratie schließlich nicht mit Appellen errungen, dafür mussten schon Könige und Untertanen fallen.
Als französische Bomben auf Libyen fielen, verschwand auch die Klarheit. Hatte es nicht in Afghanistan genauso angefangen? Man wollte nur kurz den Kämpfern von der Nordallianz helfen und zehn Jahre später talkt Johannes B. Kerner am Hindukusch. Und hatten sich die Gegner der Taliban nicht später als genauso korrupt und gewalttätig entpuppt wie selbige? Was weiß man eigentlich über die libyschen Rebellen - abgesehen von dem, was wir uns von ihnen wünschen? Was passiert, wenn die Rebellen mehr Waffen fordern - Stichwort Mudschaheddin? Oder westliche Truppen?
Es merkelt in mir. Die Kanzlerin versucht ja gerade, ihre Ablehnung nun als Mut verkaufen. Die Botschaft ist: Gaddafi vernichten, aber keine Gewalt. Und wenn, auch gut, aber nicht mit uns. Auch SPD und Grüne finden schlimm, was der Diktator macht, aber sie hätten ihn in Bengasi wohl wüten lassen. Die Zeitungen und Fernsehsendungen sind voll von Häme über dieses Herumeiern.
Und klar mag Baden-Württemberg für Merkel gerade eine größere Rolle spielen als Libyen, ebenso wie für die rot-grüne Konkurrenz. Aber den meisten von uns geht es offenbar genauso. Über 60 Prozent sind für den Militäreinsatz gegen Gaddafi. Und 65 Prozent finden es gut, dass die Bundeswehr dabei nicht mitmacht. Erbärmlich inkonsequent, oder?
Oder die für Deutsche einzig mögliche Haltung. Klar, auch wegen dem Zweiten Weltkrieg und der faktischen jahrzehntelangen Antikriegsdoktrin der BRD und DDR. Die Führung des Arbeiter-und-Bauern-Staates hatte zwar aufgerüstet bis zum Anschlag, aber dem Volk stets erzählt, man brauche das nur, um einen Angriff der Imperialisten zurückzuschlagen. Auch wenn die Leute Honnecker und seiner ergrauten Garde sonst nichts glaubten, das glauben sie bis heute. Gegen den Krieg sind Ost und West vereint.
Aber das ist die Historie. Was uns heute heute von Diktaturen wie Libyen unterscheidet, ist doch eben die Freiheit, sich nicht entscheiden zu müssen. Zur Eindeutigkeit zwingt nur der Tyrann, zum Schwarz und Weiß, zum Dafür oder Dagegen. Eine Gesellschaft, die wirklich wählen darf, zeichnet sich auch dadurch aus, dass ihre Mitglieder nicht wählen müssen. Auch nicht aus noch so hehren Gründen. Klingt gut, was? Oder einfach nur nach einer billigen Ausrede?
Offenbar wissen viele von uns nicht, wie sie sich zu dem Libyen-Einsatz positionieren sollen. Fatal wäre an dieser Haltung nur eines: zu glauben, nichts zu tun befreie von Schuld. Gaddafi wäre der Täter gewesen bei einem Massaker in Bengasi. Aber der Westen hätte beinahe dabei zugesehen. Dafür kann man sich entscheiden in einer Demokratie, als sogenannter mündiger Bürger - zum Glück. Aber nicht ohne sich bewusstzumachen, dass wir auch an diesen Toten unseren Anteil hätten.
In dem anfangs zitierten Film "Boondock Saints", erheben zwei junge Iren aus gerechtem Zorn die Waffen gegen die Mafia. Sie agieren dabei so unbedarft und unvorbereitet wie der Westen jetzt. Weil niemand damit rechnet, geht alles gut aus. Vielleicht haben wir ja Glück.
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