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Kommentar Militäreinsatz LibyenEinsatz nicht zu Ende gedacht

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Alle beteiligten Mächte handelten bisher aus innenpolitischen Motiven. Was das Ziel des Angriffs sein soll, ist nicht klar. Am Ende könnten Merkels Bedenken noch bestätigt werden.

F rankreich, Großbritannien und die USA haben mit ihren Luftangriffen vom Wochenende auf Waffen und Infrastruktur der libyschen Regierungsstreitkräfte wahrscheinlich verhindert, dass diese Bengasi erobern und dort ein Blutbad anrichten. Damit war das dringlichste humanitäre Ziel der UNO-Resolution vom Freitag erreicht. Doch wie soll es nun weitergehen?

Darüber herrscht unter den bislang an der Militäraktion beteiligten westlichen Staaten in Nato und EU sowie unter den arabischen Nachbarländern Libyens große Uneinigkeit. Soll Gaddafi gestürzt werden? Das hatten zwar die EU und US-Präsident Obama verlangt, nicht aber der UNO-Sicherheitsrat in seiner Resolution zur Autorisierung der militärischen Maßnahmen. Was geschieht, wenn tatsächlich tausende Stammesangehörige dem Aufruf Gaddafis folgen und mit Ölzweigen und vielleicht auch Gewehren in der Hand nach Bengasi pilgern? Sollen die dann aus der Luft bombardiert werden? Und falls die Aufständischen versuchen, Städte zurückzuerobern, oder auf die Hauptstadt Tripolis marschieren - sollen sie dann aktiv militärisch unterstützt werden?

Es zeigt sich, dass keiner der Beteiligten die Operation mit dem euphemistischen Namen "Odyssee Morgendämmerung" zu Ende gedacht hat. Weil alle vorrangig aus innenpolitischen Motiven und Kalkülen handelten. Frankreichs Präsident Sarkozy preschte politisch und militärisch vor, um sein miserables Image zu Hause wie in den ehemaligen nordafrikanischen Kolonien zu verbessern. Obama vollzog seinen abrupten Schwenk hin zu militärischen Maßnahmen unter dem Druck des Kongresses und gegen anhaltende Bedenken der Streitkräfteführung. Und die 17 Regime der Arabischen Liga, die zunächst eine Flugverbotszone über Libyen forderten, inzwischen aber die Angriffe westlicher Luftstreitkräfte vom Wochenende als "maßlos" kritisierten, handelten in beiden Fällen mit dem Kalkül, die Opposition im eigenen Land zu beruhigen.

kristin flory

Andreas Zumach ist taz-Korrespondent bei den Vereinten Nationen in Genf.

Auch das Nein von Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle zu militärischen Maßnahmen und die Enthaltung der Bundesregierung im UNO-Sicherheitsrat erfolgten in erster Linie aus innenpolitischen, wahltaktischen Motiven. In der Sache könnten ihre Bedenken allerdings schon bald durch die weitere Entwicklung des Libyenkonflikts bestätigt werden.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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13 Kommentare

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  • H
    hto

    Ob Atomkraft, Gentechnik oder ..., es wird doch nie etwas zu Ende gedacht - konfusionierende Überproduktion von Kommunikationsmüll, so funktioniert nun mal das "gesunde" Konkurrenzdenken im "freiheitlichen" Wettbewerb!?

  • J
    JaneO.

    Seit wann können Menschenrechte durch Krieg importiert, exportiert, garantiert, gesichert oder wiederhergestellt werden?

  • S
    Stefan

    Wie man als Bedenkenträger siegen kann und die anderen Parteien vor sich hertreibt, zeigen gerade die Grünen ganz deutlich. Bedauerlich, dass zurzeit alle Parteien versuchen, die besseren Grünen zu sein und sogar Merkel versucht links zu überholen.

  • F
    FRITZ

    Tja, so ist das mit Bedenken. Ab und an haben die Bedenkenträger Recht. Aber wenn diese Welt von Bedenkenträgern geformt würde, würden wir wahrscheinlich noch auf Bäumen leben (wer wusste damals schon, ob es nicht schrecklich scheitern würde, vom Baum zu klettern und es mal mit dem aufrechten Gang zu probieren...die möglichen Rückenprobleme, die Säbelzahntiger, etc. pp.). Das ist halt der Unterschied zwischen tatkräftigen Politikern und unserem durch die Landtagswahlen völlig verängstigten Politikhasen (womit nicht gesagt ist, dass auch tatkräftige Politiker noch eine eigene Agenda verfolgen können). Entscheidungen trifft halt man fast immer unter Ungewissheit. Aus Angst vor dem ungewissen zehnten Schritt den ersten richtigen Schritt erst gar nicht zu unternehmen, das ist einfach nur führungsschwach und peinlich.

  • B
    BiBo

    Hmmm... ich bin im Zwiespalt. Daniel Cohn-Bendit hat ja im SPON Interview die Position von Joschka Fischer unterstrichen, die da ist, die Entscheidung Merkel/Westerwelle (aus welchen Motiven auch immer) sei falsch. Der anschliessende Satz, damit hat sich D einen staendigen Sitz verspielt, ist genauso ein bescheuertes Argument, denn nur um einen staendigen Sitz zu bekommen, muss man nicht jeden quatsch mitmachen.

     

    Meine 2cents, ich finde den Angriff auf die Truppen Gaddafis im Grunde genommen fuer richtig, denn es waren wirklich Menschen in dieser Stadt in Gefahr. Grundsaetzlich begruesse ich solche schnellen Entscheidungen der Uno und der entsprechenden Umsetzung um schlimmes zu verhindern. ABER die Frage ist, ob dies nicht eine nur schnell dahin gerotzte resolution ist, die auf Draengen der Franzosen und der USA zustande gekommen ist. Die Querelen, die jetzt einsetzen, zeigen doch, hallo, da ist was nicht zu ende gedacht worden.

     

    Nun ist die Frage, gibt es da eine Loesung. Was ist, wenn sich ein Machthaber jeglicher Rationalitaet entzieht und menschliche Schutzschile fuer Massenmord einsetzt. Da haben wir RatzFatz ein Problem mit unserer Ethik, diese Fragen koennen wir mir unseren Mitteln nicht beantworten.

     

    Deutschland hatte also 2 Moeglichkeiten, entweder Ja sagen aber keine Truppen schicken (was ja zuvor durch den Bundestag beschlossen werden muss, und ich weiss immer noch nicht, ob das GG so einen Noteinsatz abdeckt) oder aber sagen, moment, die Resolution ist nicht so dolle, wir enthalten uns. Ich hab die Begruendung der beiden leider nicht gelesen, kann daher nicht sooo viel zu sagen. Letzendlich finde ich eine Enthaltung gut, denn so ne Resolution haette auch noch in der gegebenen Zeit mit ein wenig nachdenken erweitert und zumindest stabiler gemacht werden koennen.

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Die deutsche Führung tut derzeit das, was das Volk eigentlich am meisten hasst: Trittbrettfahren. Während die anderen Westmächte nun alleine gegen Gaddafi kämpfen, offenbart sich in der Politik, wer Heuchler, Mundtoter oder Träumer ist:

    http://bit.ly/fcvTX2

  • K
    KFR

    Ach ne ? kapieren wir langsam, Staaten und Grenzen und Seilschaften sind nur virtuelle Konstrukte ? Blut ist dicker als intellektuelle Höchstleistungen ?

  • S
    Schroedingers

    Vorneweg: Bei so einem Szenario gibt es keine einfache Loesung.

     

    Die Antworten auf die im Artikel aufgeworfenen Fragen ergeben sich jedoch aus dem Beginn des Konfliktes:

     

    Kampfflieger gegen unbewaffnete Demonstranten

     

    Das war der Ausloeser, um die Hemmschwelle, in die Angelegenheiten eines souveraenen Staates einzugreifen, zu ueberwinden. Und das bleibt auch die Legitimation fuer alle weiteren Aktionen:

     

    Wo das militaerische Ungleichgewicht daraus entsteht, dass ein offensichtlich Irrer sein Gewaltmonopol (auf schwere Waffen) missbraucht, sollten ihm diese schweren Waffen weggenommen werden. Das Resultat ist ein Kampf mit weniger hochgeruesteten Waffen. Und das waere dann tatsaechlich eine innerlybische Angelegenheit.

     

    Die Alternative ist zu sagen: Gaddafi stellt mit seinen bisherigen Taten gegen sein eigenes Volk endgueltig als Kriegsverbecher am Pranger - und muss weg. Aber solch eine Argumentation ist heikel und sollte nicht ohne Einbeziehung der anderen arabischen Staaten fallen - sonst ist das Geheul ueber den boesen Westen wieder mal gross.

     

     

    Die Alternative, auf die der Autor dieses Artikels hinauswollte, ist nicht wirklich eine Alternative: einfach Gaddafi machen zu lassen, wie es ihm fuer richtig duenkt.

  • U
    Uli

    Au weia, das schlimmste am Denken ist etwas zu Ende zu denken. Marx, Bloch, und andere drehen sich gerade im Grabe herum!

  • JK
    juhu kontrolle???

    Wo sind denn all die kommentare von heute nachmittag hin...werden kritische kommentare, die nicht ins Weltbild der Taz passen gelöscht?Wäre sehr enttäuschend.Gruß

  • PS
    Post Scriptum

    Ja, Innenpolitik und Außenpolitik, es wird auch immer wieder die „ethische“ Frage gestellt. Was wem zu Gesicht steht und wer recht hat, also Ethik, wenn es um derzeitige Regierungen Europas geht, ist einfach eine absurde Frage. Vor vier Jahren schon wurde in Frankreich bekannt, dass ein geheimes Abkommen mit Gaddafi beschlossen wurde, das u.a. Waffenlieferungen an den libyschen Diktator zusicherte. Auch aus Deutschland flossen in den letzten Jahren Waffen direkt und indirekt nach Libyen. Deswegen: von Gesichtswahrung und richigem Handeln zu sprechen ist irgendwie pervers. Weder Sarkozy noch Merkel werden mit ihren Ja und Nein die Vergangenheit abschütteln können, aber solange ein solches Politikverständnis von den Wählern mitgetragen wird, wird es auch solche Doppelspiele geben, so ist es halt.

     

     

    Bei all diesen überlagerten Spielchen geht die Tatsache verloren, dass Menschen vor Ort sterben, und zwar durch diese Waffen. Die Risiken des internationalen Eingriffs sind die, die sie sind. So zu tun, als ob diese Risiken auf einmal so ernst genommen werden, dass sie ein Nichteingreifen berechtigen, obwohl die gleichen Risiken kurz vorher nicht ernst genug waren, um Gaddafi die Waffen nicht zu verkaufen (bzw. überhaupt Waffen herzustellen und zu verkaufen, bzw. mit Gaddafi grundsätzlich nicht zu kooperieren), das ist einfach verlogen. Genauso verlogen wie durch ein energisches Eingreifen über die Tatsache hinwegtäuschen zu wollen, dass man eigentlich dabei gegen Waffen vorgeht, die man kurz zuvor höchstpersönlich Gaddafi verkauft hat, der ja als guter Partner gegen die Flüchtlinge usw. galt.

     

    Also, wie gesagt, von Ethik zu sprechen, wäre pervers. Trotzdem sterben die Menschen dort, und aus dieser Perspektive (die einzige m.E., die noch nicht pervertiert wurde, aber das kommt auch sicher noch) kann das (späte) Eingreifen begrüßt werden.

  • M
    mux

    Es GIBT kein humanitäres Ziel bei dieser Mission. Wer so etwas glaubt, dem ist nicht mehr zu helfen, oder der lügt bewusst.

  • M
    Monti

    Und was wäre die Alternative?

    Gaddafi frei Bahn lassen um die lybische Bevölkerung weiterhin zu massakrieren?