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Was bleibt nun als Essenz der Kriegstreiberei in den deutschen Medien und Kommentarspalten? Keiner der kriegsfreunde weiß, wofür die NATO wirklich Krieg führt. Was wollen diese Länder USA. Großbrittanien, Frankreich wirklich bewirken?
Das UN-Mandat wurde durchgesetzt, die Flugverbotszone verhängt.
Ab sofort sind die Willigen der UN und NATO eine gewöhnliche Söldnertuppe.
Die aktuelle Luftwaffe Libyens zerstören um der neuen Regierung eine neue verkaufen zu können. Nebenbei Russland aus dem Servicevertrag drängen!
Kapitalistisches Blutmarketing!
Mir bleibt völlig unverständlich, wie man zu der
Auffassung gelangen kann, in Libyen sei ein
Bürgerkrieg ausgebrochen. Der Gewaltherrscher
Gaddafi ist durch nichts legitimiert, Krieg gegen
die Libysche Bevölkerung zu führen. Er ist durch
einen Militärputsch zur Macht gelangt und konnte
diese über Jahrzehnte mit Milliarden aus Deutschland
und anderen öl/ sowie exportabhängigen Nationen
sichern.
Wir stehen hier in der Verantwortung, ein jeder von
uns, weil wir libyschen Sprit getankt haben, unsere
Playstations und Fernseher Gehäuse besitzen, die
aus libyschem Erdöl gefertigt sind, wir unsere
expansive wirtschaftliche Prosperität ganz zentral
dem seit Jahrzehnten funktionierenden Öl/Deal
verdanken, der Duldung von Fundamentalismus,
wahnsinniger Diktatorenschaft, Folter, Mord und
Unterdrückung dafür, das es uns, jedem Mann, jeder
Frau, jedem Kind und jedem Haustier, hier gut geht,
wir es warm haben, fünfmal im Jahr in Urlaub fahren,
etc...
In Nordafrika ist etwas aufgebrochen, um die Stimme
zu erheben, das, was Hardt/Negri als "Multitude"
bezeichnen, etwas, das sich von innen heraus
demokratisiert hat, das die neuen Medien nutzt,
um sich zu konsolidieren. Endlich passiert es, und
es wirft ein Schlaglicht auf uns verrottete
Profiteure. Wir könnten uns schämen, dann aufraffen,
uns kritisch hinterfragen, was für Typen wir uns da
am Leben halten, die uns Öl liefern, Wohlstand, wer
es dort ist, der unsere "Leitkultur" gewährleistet,
unsere Debattenkultur vor den Fernsehern und
Monitoren mit Strom und Reizwörtern versieht.
Wir könnten uns schliesslich in die
Mitverantwortung stellen, uns als Mitverursacher
definieren für all das Leid, das dort über die
kommt, die gegen einen Diktator aufstehen, ihr
Leben einsetzen, das ihrer Familien und Kinder,
um frei zu sein. Natürlich, auch frei von uns,
denn wir sitzen ja mit am Tisch bei den
Massenmördern, wir gehören zu denen, für die,
die dort sind, wir sind Teil des ausbeuterischen
Krebses, der an ihnen frisst.
Was tun wir aber?! Klar, wir haben unsere Mutti,
die rechnet das erstmal hoch und sagt, das wird
aber teuer, Jungens, da bleiben vielleicht nur
dreimal Urlaub übrig, auch nur Nordsee oder
Westerwald. Klar, es muß gebombt werden, wollen
wir uns das echt geben, im Fernsehen, diese
verbrannten Kinderarme und /Beinchen?!
Sind wir denn wirklich an allem Schuld, was in
der Welt an Mist geschieht, nur, weil wir mal
den Adolf hatten?!
Die Welt ist nun mal nicht so toll, sagt die Mutti,
aber uns geht es doch noch gut, wir können auch fast
alles haben, selbst die Hartzer kriegen ihre Ration,
und können gemütlich ihr Bier zischen am Kiosk. Wir
brauchen sie nunmal, um diesen Status Idem zu
halten, die öl/und exportbasierte Wirtschaft, und
es wird nunmal so sein, das Gaddafi das Rennen
macht, und dann können wir uns ganz vorne in die Reihe stellen, und Gaddafi wird uns einen Rabatt
reinrechnen, das den Franzosen das Blech wegfliegt.
Klar, so läuft das. Ist nur wichtig, das wir uns
alle vormachen, das in Libyen ein Bürgerkrieg tobt,
in so etwas darf man sich unter souveränen Staaten
ohnedies nicht einmischen, so haben wir wieder eine
schöne weiße Halskrause um, egal, wie es kommt.
Und was tun wir, das Volk, der Teil der Multitude
mit Anspruch auf Kilometergeld und qualitätsoptimierter Tiefkühlkost? Wir kotzen nicht über den Tisch, rennen empört auf die Strasse, um uns mit anderen gemeinsam aufzuregen, starten einen
Bezinboykott, usurpieren die sozialen Netzwerke mit
Versicherungen unserer Solidarität! Nein, wir denken
ein bisschen nach, ziehen dann, noch weiterhin
kontemplativ gestimmt, bedächtig eine Schublade auf,
in der sich George W. Bush gemeinsam mit Guttenberg,
Westerwelle und Walt Disney befinden, versichern uns vor dem Spiegel, Auge in Auge mit uns selbst, nochmals, das wir gegen den Krieg sind, setzen uns
an den Computer, Twittern kurz mit einem anderen
Pazifisten, und spielen dann eine Weile, der
Fernseher läuft schon ohne Ton, WoW bis zum Beginn
von Maybrit Illner.
Klar, manchmal merkeln wir, das uns das aufregt,
weinende Greise, Kopftuchgattinnen, die sich über
die Leiber toter Jünglinge werfen, Explosionen,
Schreiende, die Kalaschnikows oder andere
Sturmgewehre bedrohlich vor der Kamera schwenken.
Dann brauchen wir ein emotionales Upgrade, etwas,
das man früher Feindbild nannte, und wir zappen,
wählen aus aus den Angeboten, was uns behagt:
Broder, der zottelige Unjude, Fischer, der fiese
Fettsack, Cohn/Bendit, der nicht mal richtig Deutsch
kann, Sarkozy, die Mensch gewordene Dauererektion.
Könnten nicht diese ausgewiesenen Unsympathen, diese
Kriegstreiber, dran Schuld sein? Oder Obama, der
falsche NobelpreisFuffziger?!
Zum Glück gibt es auch diesmal Intellektuelle genug,
die den soften Common Sense, dieses Gefühl von
gelungen vermiedener Involviertheit, diesen Eindruck
von Radikalität beim lauten Rufen eines "Nein"
angesichts eines brennenden Ölfeldes oder in
Betrachtung des Preisetiketts auf einem
Marschflugkörper, melkend streicheln, sogar
Staatsrechtler, die nachweisen, das die Koalition
der Nichtwilligen im Rechte steht. Lobt mir den
Westerwelle, wir hatten noch gar nicht gemerkt,
was für ein patenter, besonnener Kerl das ist.
Gäbe es nicht wie immer so viele Unschuldige,
Wehrlose, tatsächlich nicht involvierte, manchmal
glaube ich, wir würden uns heute besser stehen,
hätten es damals, unter Reagan oder Bush Senior, eine amerikanische Invasion gegeben.
Soll der Ukraine erlaubt werden, Ziele tief in Russland mit westlichen Raketen und Marschflugkörpern anzugreifen? Ein Pro und Contra.
Kommentar Luftangriffe auf Libyen: Nato wird zur Bürgerkriegspartei
Libyens Luftwaffe soll zerstört sein. Was dann als plausibles Ziel der Angriffe bleibt, ist die Unterstützung einer Bürgerkriegsparte - die nicht von der UN-Resolution gedeckt ist.
Die Nato-Mitglieder hatten ihren Sandkasten-Streit über die Führungsrolle bei der Durchsetzung der Flugverbotszone noch nicht beendet, da verkündete der Kommandeur der britischen Luftstreitkräfte schon Vollzug. Die libysche Luftwaffe sei keine kämpfende Kraft mehr. Das Thema Flugverbot ist also erledigt.
Es gibt jetzt kein Vorbeimogeln mehr an der Frage nach dem Ziel der Luftangriffe. Der Verweis darauf, dass die UN-Sicherheitsresolution auch den Angriff auf Bodentruppen zum Schutz von Zivilisten erlaube, reicht dabei nicht aus. Schon deshalb, weil der Krieg auf Seiten der Rebellen zwangsläufig auch von Zivilisten geführt wird: Menschen, die mitunter täglich an die Front pendeln und verständlicherweise den Schutz der Städte suchen.
Und da die Rebellen, ebenso logisch, jede von den ausländischen Flugzeugen erbombte Schwäche des Regimes zum Vorrücken nutzen, werden die Luftangriffe auch nicht zu einem Waffenstillstand führen. Was als plausibles Ziel der Angriffe bleibt, ist folglich die massive - von der UN-Resolution übrigens nicht gedeckte - Unterstützung einer Bürgerkriegspartei.
Auch das lässt sich natürlich als humanitäre Befreiungstat verklären. Der Unterschied zu George W. Bushs Doktrin des militärischen Regimechange ist dann aber nicht mehr erkennbar. Zwar werden keine fremden Bodentruppen in Libyen zum Einsatz kommen, doch Waffenlieferungen, logistische Hilfe, verdeckt agierende Spezialtruppen und eben weitere Luftangriffe auf Bodentruppen werden den Ausschlag geben.
Dann allerdings bleibt die Frage, ob es tatsächlich so viel ehrenwerter und moralischer ist, einen Haufen unerfahrener Männer mit Pickups und leichten Waffen gegen Panzer fahren zu lassen als, wie Bush es im Irak tat, den Krieg mit gut ausgerüsteten Truppen zu führen. Und es bleibt die Frage, ob man den arabischen Demokratisierungsbewegungen mit einem von außen herbeigebombtem militärischen Sieg einen Gefallen tut.
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Kommentar von
Eric Chauvistré
Autor*in