piwik no script img

Dokumentation über die Moschee von KölnTalk um den Turm

Die Doku "Halbmond über Köln" (Sa, 16.55 Uhr, Arte) komprimiert den Konflikt um einen Moscheebau. Sie wird Befürwortern wie Kritikern gerecht, weil er sie ausreden lässt.

Der Streit um die Moschee wurde in Köln höchst emotional geführt. Bild: dapd

BERLIN taz | Mittlerweile hat die große Moschee ihr Richtfest hinter sich, der Rohbau steht, die Minarette ragen seit längerer Zeit fröhlich in den Himmel. An die Zeit der kleinen Hinterhofmoschee an der Ecke Innere Kanalstraße/Venloer Straße erinnert in Köln-Ehrenfeld nur noch wenig - genau wie an die Diskussion, die im Jahr 2007 die ganze Stadt beschäftigte und auch deutschlandweit Aufsehen erregte: Brauchen wir ein großes, repräsentatives Gotteshaus für unsere Mitbürger muslimischen Glaubens?

Obwohl Ehrenfeld als eher alternatives Viertel gilt, in dem multikulturelles Zusammenleben funktioniert, formiert sich früh unerwartet heftiger Widerstand gegen das muslimische Gotteshaus. Der Dokumentarfilm "Halbmond über Köln" von Birgit Schulz und Gerhard Schick zeigt, wie sehr sich an dieser Frage die (nicht nur) kölschen Geister scheiden. Es ist ein guter Film, denn er schafft es, in 52 Minuten der Komplexität des Konflikts gerecht zu werden, ohne die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen vorverurteilend zu behandeln.

Ralph Giordano, in Köln lebender Publizist und Träger des Bundesverdienstkreuzes, sieht die Integration als gescheitert an. Seine provokant geäußerte Angst vor einer muslimischen Parallelgesellschaft wird von aufgebrachten alteingesessenen Urehrenfeldern geteilt, die sich auf der Straße in Rage reden und Angst um das Klima in ihrem Veedel haben. Die rechtsextreme Partei Pro Köln tritt auf den Plan, kleistert die Stadt mit aggressiven Plakaten zu und warnt vor der Gefahr einer drohenden Islamisierung.

Auch die Befürworter der Moschee kommen zu Wort: Ehrenfelds Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD) und Kölns früherer OB Fritz Schramma (CDU) glauben beide, dass das Gotteshaus ein wichtiger Schritt für die Integration ist, Schramma kämpft dabei sogar gegen seine eigene Fraktion. Die teilweise seit Jahrzehnten in Köln lebenden Muslime nehmen die Ablehnung mit einer Mischung aus Unverständnis, Wut und Enttäuschung auf - ihnen steht ein repräsentatives Gotteshaus einfach zu, davon sind sie überzeugt.

Auf dem sogenannten Antiislamisierungsgipfel von Pro Köln kommt es im September 2008 zum vorläufigen Showdown. Viele Kölner protestieren, in einem einzigartigen Akt der Zivilcourage bekommen die rechtsextremen Veranstalter den Unmut der Kölner zu spüren. Erst lassen die Demonstranten den Rheindampfer nicht an Land, auf dem die Pressekonferenz stattfinden sollte, dann weigern sich die Taxi- und Busfahrer der Stadt kollektiv, die Funktionäre zu transportieren.

Es wäre für die Filmemacher sicher leicht gewesen, einen Film zu drehen, der die gängigen Klischees der Integrationsdebatte bedient. Dass sie das nicht getan haben, ist ein großes Verdienst. Stattdessen hält der Film einfach drauf, dokumentiert, mit welchen Argumenten die verschiedenen Seiten agieren und bricht mit stereotypen Erwartungshaltungen. Eine emotional gehaltene Predigt des Imam in der alten Moschee beispielsweise lässt Assoziationen zu Terror und Hasspredigern aufkommen, erst die Untertitel erklären, dass der Imam eine durchaus selbstkritische Predigt hält.

"Halbmond über Köln" endet mit dem ersten Spatenstich. Wieso der Film erst jetzt ausgestrahlt wird, ist die einzige kritische Frage, die sich Arte und WDR gefallen lassen müssen. Die Regisseure indes drehen weiter, eine abendfüllende 90-Minuten-Version ist in Planung.

Samstag, 26. März, 16:55 Uhr, Arte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • S
    Schneider

    „Integration islamischer Gläubiger in Deutschland“

     

    Zur Sendung von Arte am 26.3.11, gegen 16:45 Uhr

     

    Meine Grundposition zu diesem Thema ähnelt der von Herrn Ralph Gordano.

    In meinem jüngst erschienenen Buch „Die Erde hat Krebs“ setze ich mich als mitdenkender Normalverbraucher unter anderem mit den Religionen auseinander und versuchte Lösungswege aus dem ewigen Dilemma zwischen ihnen aufzuzeigen.

    Anlass sind meine eigenen Erfahrungen aus einer Geschichte von 70 Jahren und die von Sarrazin ausgelöste Diskussion zum Thema „Integration“.

    Schon vor Sarrazin habe ich mich als Atheist systematsch – leider aber nicht immer streng wissenschaftlich - mit den Strukturen der Religionen und ihrem Zusammenwirken beschäftigt.

     

    Ich suchte nach dem oder den Göttern und ihrer Struktur und fand heraus, dass es nicht um diese oder jene Religion geht, sondern dass sich um jede Religion herum ausgeprägte „Gottkomplexe“ herausgebildet haben. Die Organisationen – bzw. Kirchen – die sich als Träger der Religionen verstehen, haben und sich in ihrem Wirkungsbereich als mächtige Organe mit den Machtgruppen der Wirtschaft und des Finanzkapitals verbündet. Sie werden durch Lebensregeln und Werte getragen und charakterisiert, die aus der jeweiligen Religion bzw. von dem “Willen“ des jeweiligen Gottes (der jeweils Mächtigen einer Gesellschaft) in grauer Vorzeit bestimmt wurden.

     

    Die wesentlichsten Gottkomplexe sehe ich im Herrschaftsbereich der Christen und der Mosleme, wobei es in beiden Gottkomplexen noch unterschiedliche, sich z. T. feindlich gegenüberstehende Gruppen (z. B. Katholiken, Protestanten, Ortodoxe, .....bei den Christen)

    Diese Gottkomplexe sind tatsächlich - jeder für sich – mächtige Organisationsstrukturen, die sich in der Welt um Menschen, Wirtschaftsgebiete und auch um Rohstoffquellen reißen. Diese Gottkomplexe sind dabei gar nicht lieb miteinander. Seit mehr als 2000 Jahren sind solche Komplexe – auch mit Mitteln des Krieges aktiv und haben sich auf allen Ebenen stets mehr oder weniger weiter entwickelt.

     

    Heute in der globalen Welt treffen nicht nur die „Gläubigen“ dieser Komplexe in größerer Zahl unmittelbar aufeinander. Sie bringen damit auch ihre Organisationen und die mit diesen verbundenen Wirtschafts- und Finanzstrukturen in fremde Länder/Staaten.

    Damit verändert sich das Bild: jetzt geht es nicht mehr darum, Immigranten die Freiheit ihres Glaubens nach unserem Grundgesetz zu gewährleisten. Vielmehr gestatten wir jetzt bisher fremdem „Gottkomplexen“ das Wirken auf unserem Territorium, das bisher ein anderer mächtiger Gottkomplex für sich beansprucht hat. Seit einigen Jahrhunderten hat sich hier in Europa auch der „Gottkomplex“ der Juden etabliert. Der Krieg zwischen diesen beiden Gottkomplexen ist uns allen noch in guter oder besser in schlechter Erinnerung.

     

    Wenn wir heute von Integration der Muslime sprechen, sollten wir deren Gottkomplex außen vor lassen. Wenn diese sich auf unserem Staatsterritorium einnisten wollen, dann können sich diese nicht auf Artikel 4 unseres Grundgesetzes berufen.

    Wir haben es hier nicht mit einer „kollektiven Integration“ sondern mit der Installation einer fremden Organisation zu tun.

     

    Die Lösung dieses Problems sehe ich darin, dass die betreffenden Menschen, die zusammen leben wollen, sich auf gemeinsame Werte, Regeln und Gesetze verständigen.

    Den Gott, an den dieser oder jener glaubt, sollten wir dabei außen vor lassen. Wenn die Kirchen oder „Gottkomplexe“ sich an dieser Verständigung beteiligen wollen, o. k. aber dann ohne die gefährlichen Machtspielchen.

     

     

    Ich habe in meinem o.a. Buch: „Die Erde hat Krebs“ 10 Gebote für die moderne Menschheit aufgeschrieben, die die Basis für eine Verständigung bilden könnten. Ich empfehle Ihnen diese einmal unvoreingenommen zu lesen.

     

    Ich freue mich immer wieder, wenn Sie in ihrem Sender mutig taburisierte Fragen und Probleme aufgreifen. Warum versuchen Sie aber niemals die Ursachen klar zu benennen und Wege zur Sicherung der Lebensbedingungen auch für unsere Enkel und Urenkel aufzuzeigen.

     

    Manfred Schneider

    Hauptstr. 2 b

    09437 Börnichen

    Tel. 037294 / 90524

  • W
    willy

    ...und in eure hohle Birne scheint fröhlich die Sonne!

  • G
    Gerald

    "Minarette ragen seit längerer Zeit fröhlich in den Himmel.."

     

    oje, die froehlichen Botschafter einer frauenfeindlichen Religion werden hier in der taz wohl als positiv angesehen; im gleichen Atemzug sollte man auch Toleranz fuer neonazis ('sind ja auch nur Menschen mit ein bisschen anderen Ansichten') einfordern.

     

    ich erwarte die Verbreiterung der Toleranzebene mit Spannung