Blauer Engel: Der Pümpel mit dem Öko-Label
Der Blaue Engel ist das älteste Öko-Label. Er zeichnet Saugglocken aus, weil sie ohne Chemie verstopfte Klos reinigen, und verbietet Nazis, Recyclingpapier kenntlich zu machen.
Der Pümpel ist ein gutes Beispiel, um zu verstehen, wie das Umweltzeichen Blauer Engel funktioniert. Worin man ihm vertrauen kann - und worin nicht. Pümpel sind Saugglocken zur Rohrreinigung.
Wer einen verstopften Abfluss hat, kann chemischen Reiniger in den Abfluss gießen und somit das Grundwasser um eine weitere Dosis Gift belasten. Oder er kann manuell arbeiten - mit einem Pümpel, Muskelkraft und Unterdruck. Das ist umweltfreundlicher.
Das Umweltzeichen Blauer Engel wird für Produkte vergeben, die sich im Vergleich zu anderen, dem gleichen Gebrauchszweck dienenden Gegenständen durch ihre besondere Umweltfreundlichkeit auszeichnen.
Beim Gebrauchszweck Rohrreinigung heißt das: Den Blauen Engel gibt es, wenn ein solches Sauggerät Verstopfungen ohne chemische Zusätze beseitigen kann und in Bezug auf Konstruktion und Handhabung den einschlägigen Vorschriften und technischen Normen entspricht.
opentaz – Der Wunsch: Seit vier Monaten gibt es in der taz einen zentralen Ansprechpartner für Informanten, die uns brisante Dokumente aus dem Innenleben von Behörden oder Unternehmen überlassen wollen. Weil solche Personen oft mit erheblichen Nachteilen rechnen müssen, wenn ihr Name bekannt wird, sichern wir volle Anonymität zu.
***
Der Weg: Haben Sie Zugang zu internen Unterlagen, die dringend an die Öffentlichkeit gehören? Sie erreichen unseren Redakteur Sebastian Heiser per E-Mail unter open@taz.de oder postalisch: die tageszeitung, sonntaz, Rudi-Dutschke-Straße 23, 10969 Berlin.
***
Diesen Text über den Blauen Umweltengel und andere interessante Geschichten lesen Sie in der sonntaz vom 26./27. März 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de erhältlich. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo
Kurzum: Jeder Pümpel könnte theoretisch den Blauen Engel bekommen, ganz egal aus welchem Holz und Silikon er gefertigt ist. Hauptsache, er funktioniert ohne Chemie.
In der unübersichtlichen Welt der Öko-Labels nimmt der Blaue Engel eine Sonderstellung ein. Er ist das weltweit erste Umweltsiegel und stammt aus einer Zeit, als Umweltschutz zunehmend in das öffentliche Bewusstsein geriet und erstmals zu einem politischen Thema wurde.
Eingeführt wurde das Label 1978 vom damaligen FDP-Bundesinnenminister Werner Maihofer, einem Juristen und ehemaligen Eisschnellläufer mit Hornbrille und Seitenscheitel. Gemeinsam mit den Ministern der Länder wollte er mit dem Zeichen umweltfreundlichere Produktalternativen sichtbarer machen.
Prinzipiell können Dinge jeder Art für die Vergabe vorgeschlagen werden: Schulhefte, Baumaschinen und Mehrwegflaschen tragen den Blauen Engel ebenso wie Flachbildschirme. Insgesamt steht das Zeichen auf über 10.000 deutschen Produkten.
Und es hat eine weitere Besonderheit: Das Label kostet. Neben einer einmaligen Bearbeitungsgebühr von 250 Euro wird ein Jahresbetrag für die Benutzung des Zeichens erhoben.
Dieses richtet sich nach dem Umsatz des Unternehmens, das das Produkt herstellt. Die Spannbreite der sieben Entgeltklassen bewegt sich dabei zwischen 270 und 6.000 Euro pro Jahr.
Zum Vergleich: Für das Biosiegel der Europäischen Union muss nichts gezahlt werden, das Siegel des Verbrauchermagazins Öko-Test, das ebenfalls Produkte auf ihre Umweltfreundlichkeit untersucht, dürfen Hersteller für einmalig 300 Euro auf allen Produktverpackungen und Publikationen abdrucken.
Warum kostet der Blaue Engel jährlich? "Selbst das höchste Jahresentgelt ist noch vergleichsweise niedrig, wenn man es mit sonstigen Werbebudgets vergleicht", sagt Ines Oehme vom Umweltbundesamt.
Mit dem eingenommenen Geld werde hauptsächlich die Öffentlichkeitsarbeit des Blauen Engels finanziert, anteilig aber auch das Personal des Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V., das die Produkte überprüft. "Diese Personalressourcen müssen über die Gebühren finanziert werden, weil wir nicht über ausreichende öffentliche Gelder verfügen", sagt Oehme.
Das Verfahren ist teuer, denn es sind gleich vier Institutionen am Vergabeprozess beteiligt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mit seinen beiden Dienstsitzen in Berlin und Bonn ist lediglich Zeicheninhaber, während das Umweltbundesamt in Dessau die Anträge entgegennimmt.
Die Überprüfung, ob ein Produkt den Anforderungskriterien genügt, ist ausgelagert - das Institut im rund 500 Kilometer entfernten Sankt Augustin übernimmt sie. Das letzte Wort im Vergabeprozess hat schließlich aber die sogenannte Jury Umweltzeichen.
Sie tagt in Berlin und ist ein unabhängiges Beschlussgremium, das sich unter anderem aus Vertretern aus Umwelt- und Verbraucherverbänden, Gewerkschaften und der Industrie zusammensetzt und die eigentliche Vergabeentscheidung trifft.
Auch wer nicht Produkthersteller ist, sondern lediglich kenntlich machen will, dass seine Publikation auf Recylingpapier gedruckt ist, das den Blauen Engel trägt, muss zahlen.
"Wenn Sie ein Druckerzeugnis herstellen, muss dies als solches noch einmal dem Institut zur zweifachen Prüfung vorgelegt werden - und da diese Prüfung aufwendig ist, muss dafür gezahlt werden", erklärt Hans-Hermann Eggers vom Umweltbundesamt. Einerseits werde überprüft, ob die Publikation tatsächlich auf solchem Papier gedruckt wurde, andererseits aber auch, ob der Inhalt der Publikation mit dem Siegel in Übereinstimmung zu bringen sei.
"Wir haben eine Generalklausel in unseren Vergabegrundsätzen. Diskriminierende, politisch bedenkliche oder pornografische Publikationen erhalten den Blauen Engel nicht", sagt Eggers. Das bedeute etwa: Kein Umweltzeichen für Nazis.
Pümpelproblem, Kosten, Gesinnungskontrolle - kann man dem Blauen Engel vertrauen? Zumindest lässt sich am Label jenes Kritierium ablesen, aufgrund dessen ein Produkt ausgezeichnet wurde. Etwa: "Umweltschonend, weil aus 100 % Altpapier". Man findet die Information, wenn man genau hinschaut. Klein, in der Siegelunterzeile.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
AfD-Verbotsantrag im Bundestag
Wahlkampfgeschenk für die AfD
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?