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Wechsel bei Turbine Potsdam"Es liegt in der Natur der Sache"

Nach dem Einzug ins Finale der Champions League sorgt Fatmire Bajramaj bei Turbine Potsdam für Aufregung. Ihr Abgang nach Frankfurt wird kleingeredet.

Ihr Wechsel betrübt den Trainer nicht, wie er sagt. Bild: dpa

BERLIN taz | Eine knappe Stunde nach dem erneuten Einzug ins Champions-League-Finale hatte Bernd Schröder, der Trainer von Turbine Potsdam, ein Buch von einem Physikprofessor in der Hand, das er den Umstehenden wärmstens empfahl. Der Titel: "So werden wir Weltmeister: Die Physik des Fußballspiels". Schröder lobte: "Da steht alles drin, was Sie wissen müssen."

Bestens gelaunt war der 68-Jährige nach dem 1:0-Erfolg im Halbfinalrückspiel gegen den FCR Duisburg, der nach dem 2:2 in der ersten Partie die Potsdamerinnen nicht mehr ernsthaft fordern konnte. Schröder steht nun vor seinem zweiten Champions-League-Triumph. Eigentlich brauchte es keine wissenschaftlichen Buchtipps mehr, um seinen Ruf als Fußballgelehrter in Potsdam zu untermauern.

Sein Faible für die Naturwissenschaften erklärt aber ganz gut, weshalb er wohl der Einzige war, den der an diesem Tag verkündete Wechsel von Fatmire Bajramaj zum 1. FFC Frankfurt nicht sonderlich betrübte. Das Turbine-Team muss sich seit je Schröders Gesetzen unterordnen, die er, wie er meint, aus der "Natur des Fußballs" ableitet. Die beste Spielerin seines Teams ist aus seiner Sicht auch nur ein austauschbares Teilchen im großen Ganzen.

"Auch im nächsten Jahr um Titel mitspielen"

"Sie können sich sicher, sein, dass wir auch im nächsten Jahren um Titel mitspielen", erklärte Schröder unbeeindruckt. Er hatte indes auch gewisse Zeit gehabt, zu überlegen, wie er die Bedeutung dieses Abgangs am besten kleinreden kann. Schröder betonte, er habe bereits seit einem halben Jahr von dem Vorhaben seiner Spielerin gewusst.

Am Sonntagnachmittag ragte aus dem Potsdamer Kollektiv Bajramaj in der Tat nur insofern etwas heraus, als sie besonders viele der unzähligen Torchancen vergab. Allerdings hätten auch Anja Mittag und die Torschützin zum 1:0, Yuki Nagasato, an diesem Nachmittag mehrfach treffen können. Nach anfänglicher Konfusion in der Abwehr kontrollierte Turbine die Partie recht sicher. Die Gäste konnten keine unvorhersehbaren Kräfte mobilisieren.

Auch wenn man von dem Erfolg gegen Duisburg nicht sicher ausgehen konnte, ist der Frauenfußball in der im letzten Jahr neu geschaffenen Champions League nach wie vor recht kalkulierbar. In den ersten Runden der europäischen Königsklasse wirken sowieso zu viele Laien mit. Ernsthaften Wettbewerbssituationen sind die großen Klubs nicht ausgesetzt. Die Frauen von Turbine Potsdam überrannten ihre bemitleidenswerten Gegnerinnen in den ersten Spielen und trafen nach Belieben: 9:0, 7:0 und 6:0. Selbst im Viertelfinale gegen den französischen Vertreter FCF Juvisy Essonne stand es in der Endabrechnung nach Hin- und Rückspiel 9:2.

Turbine Potsdam trifft auf Olympique Lyon

Wie bei der Premiere des Wettbewerbs trifft Turbine Potsdam nun am 26. Mai im Endspiel auf Olympique Lyon. Mittags Bekenntnis ("Ich würde im Finale schon mal gern gegen jemand anderes spielen") bleibt vorerst Wunschdenken. Andere wie die Japanerin Nagasato haben sich scheints schon seit Längerem nach diesem Wiedersehen gesehnt. Auf den Gegner angesprochen, antwortete sie freudestrahlend: "Dieses Mal wollen wir zeigen, dass wir auch in 90 Minuten gewinnen können."

Das Finale damals war im Gegensatz zu den einseitigen Erstrundenbegegnungen an Spannung kaum zu überbieten. Die Torhüterin Anna-Felicitas Sarholz wurde bundesweit bekannt, weil sie im Elfmeterschießen nicht nur glänzend parierte, sondern auch noch nervenstark den entscheidenden Elfer verwandelte. All dies wurde damals vom ZDF zu besten Sendezeit in die deutschen Haushalte übertragen.

Dieses Jahr dürfte die Aufmerksamkeit und damit auch die Bühne für das Finalspiel in London im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland noch größer sein. Das ZDF sendete bereits am Sonntag das Halbfinale in voller Länge. Die Pressetribüne war nicht nur proppenvoll, sondern hatte auch noch ein breites Spektrum aufzuweisen.

Sowohl der Freitag als auch die SuperIllu schickten ihre neuen Experten aus. Aber auch wenn der Frauenfußball zuletzt von seinen Wiederholungen lebte, sollte man laut Sarholz nicht zu konsequent von der Wiederkehr alter Geschichten ausgehen: Auf die Frage, ob sie im Finale wieder mit einem Elfmeterschießen rechne, antwortete Sarholz forsch: "Natürlich nicht."

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1 Kommentar

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  • H
    herbert

    "einem Physikprofessor"...

     

    den Namen hätte man ruhig auch nennen können! Es ist der hochgeschätzte Prof. Dr. Metin Tolan von der TU Dortmund, der neben der Tatsache, dass zu den besten in seinem Forschungsgebiet gehört auch noch einen der besten und fantasievollsten Didaktiker Deutschlands ist.

     

    Wer seine Bücher noch nicht kennt hat was verpasst!