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GuttenPlag und VroniPlag WikiJäger der verlorenen Zitate

Prominente Doktoren wie Guttenberg und Koch-Mehrin pflastern ihren Weg: Auf GuttenPlag und VroniPlag werden Plagiate gesucht. Aber wer genau sucht dort?

Deutschland kann es besser - dieser FDP-Spruch trifft auch auf die offenbar plagiierte Doktorarbeiten von Frau Koch-Mehrin zu. Bild: dapd

Zuerst hat es zu Guttenberg erwischt, der musste abtreten. Dann Stoiber-Tochter Veronika Saß, da prüft die Staatsanwatschaft die Vorwürfe, sie selbst lässt ausrichten, sie äußere sich nicht zum Sachverhalt. Außerdem Mathias Pröfrock, Landtagsabgeordneter der CDU in Baden-Württemberg. Und jetzt FDP-Präsidiumsmitglied Silvana Koch-Mehrin.

Immer länger wird die Liste derjenigen, die sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, ihre Dissertation plagiiert zu haben. Das Aufdecken dieser Plagiate verdanken wir einer losen Gruppe von Aktivisten, die sich auf Wikis organisieren. Sie eint kein gemeinsames politisches Ziel, sie kennen sich meist nicht einmal persönlich.

Der Initiator des GuttenplagWikis, PlagDoc, antwortete einst auf die Frage, warum er auf seiner Anonymität beharre, er selbst schreibe gerade an seiner Doktorarbeit und wolle im Wissenschaftsbetrieb arbeiten: und da kommt es nicht gut an, wenn man als Nestbeschmutzer gilt.

Das mag für viele ein Motiv gewesen sein: Einer Online-Umfrage auf dem Guttenplag-Wiki zufolge haben über 60 Prozent der aktiven Nutzer des Guttenplag-Wikis ein Studium abgeschlossen, beinahe zwanzig Prozent haben selbst promoviert. Im Schnitt sind die 1034 Befragten 38 Jahre alt und zu 82 Prozent männlich. Zum Zeitpunkt der Umfrage hatte die Suche nach Plagiaten in der Doktorarbeit des damaligen Verteidigungsministers einen Höhepunkt erreicht. Inzwischen tummeln sich einstige Guttenplagger in einem anderen Wiki: VroniPlag.

Der Gründer von Vroniplag eröffnete die Seite für die Stoiber-Tochter Veronika Saß, in deren Doktorarbeit viele Guttenplagger kein öffentliches Interesse mehr erkennen mochten. Der Gründer von Vroni-Plag schreibt der taz, ihm gehe es nicht nur um die Enttarnung wissenschaftlichen Fehlverhaltens, sondern darum, "das System der Gefälligkeitspromotionen des politischen Nachwuchses aufzudecken. Doktortitel besitzen für einige Politiker offensichtlich nur den Wert, sich damit zu schmücken und Karriere zu machen.“

Degradierte Doktoranden

Der Schwarm selbst wehrt sich dagegen, als Gruppe wahrgenommen zu werden. "Niemand von uns kann für das Wiki sprechen", schreibt "Prof. Dr. Prometheus" auf eine taz-Anfrage im Vroniplag-Forum. Wer nach den Motiven fragt, stellt in der Tat fest, dass die Plagiatsjäger und -sammler von zum Teil widersprüchlichen Grundsätzen angetrieben werden.

Ein Aktiver, der sich wie das Wiki GuttenPlag nennt, sieht bei den Aktiven auf GuttenPlag und VroniPlag "entgegen mancher Behauptungen so gut wie keine politischen oder parteiischen Motive." Er selbst war seit Februar im Guttenplag-Wiki aktiv und begleitet nun Vroni-Plag. Nicht als Plagiatsjäger sondern um die Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern, erläutert er der taz.

Mit 27 Jahren ist er jünger als der Durchschnitt der Aktiven. Er schreibe zurzeit an seiner Bachelor-Abschlussarbeit. Kein Vergleich zu einer Doktorarbeit, räumt er ein: "Aber bei über 40 Stunden Arbeitsaufwand pro Woche habe ich absolut Verständnis dafür, wenn sich Doktoranden degradiert fühlen, weil sich Politiker und andere Personen mit einem Doktortitel schmücken, der auf einer plagiierten Dissertation basiert."

Mr._Nice:"Mr. Nice", um die 50 Jahre alt und "beruflich im Bereich des Journalismus verwurzelt", treibt dagegen die Wut über die "Arroganz einer abgehobenen Politiker-Kaste", wobei er da nicht unter den einzelnen Lagern unterscheiden will: nein, alle etablierten politischen Parteien hätten den Bezug zum Bürger verloren.

Aktueller Stand der Forschung in Sachen Silvana Koch-Mehrin. Bild: screenshot vroniplag

Meriten4Lau:"Meriten4lau" hingegen nimmt nicht nur die Politiker in die Pflicht: die Plagiate seien vielmehr ein "Symptom eines falschen gesellschaftlichen Umgangs mit dem akademischen Grad". Tatsächlich sei das soziale Kapital eines Titels unerheblich, außer im universitären Betrieb: und da sei ein Titel nur relevant als Gradmesser für die geleistete Arbeit, die man dahinter vermute.

Eine Sache der Glaubwürdigkeit

Zurzeit wächst eine nächste Welle von Detektiven heran. Nicht zuletzt, weil sie beeindruckt sind von der Arbeit der Vorgänger. So schreibt %C3%84rgerlich:"Ärgerlich", Religionswissenschaftlerin und knapp über 50, sie fasziniere, mit "welcher Sorgfalt und Ausdauer" in den Foren vorgegangen werde. Sie selbst habe Guttenberg "mehr als skeptisch" gegenübergestanden und sei schon immer der Meinung gewesen, "dass er eigentlich gar nichts geleistet hatte".

"Wie glaubwürdig sind diese Personen im öffentlichen Leben?", fragt sich auch "Guttenplag". Er erwarte von den Betroffenen zumindest Ehrlichkeit – ein Schuldeingeständnis. "Aber zu Guttenberg und Pröfrock machen stattdessen von der 'Salamitaktik' Gebrauch. Während die Stoiber-Tochter Veronica Saß als Rechtsanwältin immer noch am Doktortitel in ihrem Namen festhält, hüllt sich Frau Koch-Mehrin in Schweigen. Das empört mich und treibt mich an weiterzumachen."

Den idealtypischen Wikiplag-Bearbeiter gibt es wohl nicht, die Selbstbeschreibungen sind nur kleine Fenster in eine Welt, die divers und bunt ist, das aber nicht vor sich herträgt. "Alle gemeinsam, jeder für sich", das scheint das Motto zu sein: so arbeiten sie zusammen, ohne ein gemeinsames Ziel auszuformulieren, ohne einen konkreten Zweck zu verfolgen, ohne sich vereinnahmen lassen zu wollen.

Und wenn doch mal einer im Namen der Gruppe spricht, Klicken/Was_wir_fordern:widerspricht sofort ein anderer: "Wir haben keine Anführer und keine Sprecher. Deswegen heißt es ja Wiki."

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7 Kommentare

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  • H
    Harald

    kein kommentar, sondern eine frage :

    was muss ich tun um die dissertation eines '' doktors'' auf plagiatsinhaltze prüfen zu können ?

  • KD
    Konrad D.

    "... da prüft die Staatsanwatschaft ..."

     

    Jungs, ihr solltet mehr abschreiben, zum Beispiel aus dem Duden. Oder fragt euren "anwat"

  • E
    Eridanos

    An Guttenbergs Verhalten war schlicht nichts ehrenhaft. Er hat immer nur dann zugegeben und zurückgesteckt, wenn bereits die Fakten auf dem Tisch lagen, er also gar nicht anders konnte. Ehrlichkeit sieht anders aus.

    Beispiel: Ich stehle etwas, werde darauf angesprochen. Ich sage: Nö, hab ich nicht. Dann wird das Gestohlene bei mir gefunden. Jetzt gebe ich es zurück und erwarte dafür Lob. Als mein Arbeitgeber mich daraufhin herauszuschmeißen droht, gehe ich von mir aus - und will dafür Lob. Und dann stelle ich mich vor die Öffentlichkeit, beklage den fiesen Umgang mit mir, dass ich ach so fertig bin wegen dieser Angelegenheit und eigentlich nur die Schuld sind, die es an die Öffentlichkeit gebracht haben.

    Wo bleibt da auch nur ein winzigster Funken Anstand? Übrigens: Ich habe auch die Pressekonferenz am Tag der Vorwürfe verfolgt. Der einzige, wirklich der einzige der an diesem Tag selbst überhaupt kein Wort über die gefallenen Soldaten verloren hat, war Guttenberg. Und auch das wollte er heuchlerisch anderen anhängen. Soviel zu Ehre, Anstand, Moral und Gewissen. In allen vier Punkten: Güttenbersche - Zero Points!

  • BV
    Bert von Wigeln

    >

     

    Genau, darum geht es. Deshalb wäre es auch wichtig, nicht bei der Entlarvung der Verlogenheit einzelner Marionetten stehen zu bleiben, sondern dies lediglich als Einstiegspunkt für eine Entlarvung der Verlogenheit des ganzen Systems inklusive seiner Ideologie zu nehmen. Es geht um die Frage, ob wir die Entwicklung in Richtung einer Diktatur à la Orwells 1984 noch stoppen können, die von den Strippenziehern hinter Schlechtenthal & Co. angestrebt wird. Und selbst wenn uns das erspart bleibt, geht es um die Frage, ob wir den Abschied von den ganzen Lügen und Illusionen auf halbwegs geordnete Weise über die Bühne kriegen, bevor das System von selbst implodiert.

     

    Sie als taz sollten sich an diesem Prozess beteiligen. Bislang geht die Aufklärung insbesondere hinsichtlich der Kernlügen (Geldillusion, "Mehrwert"-Lüge, "Marktwirtschaft", "Arbeitslosigkeit", "Wachstum" usw.) viel zu schleppend voran. Warum bloß?

  • HB
    Holger Barth

    K.-T. zu Guttenberg hat noch vergleichsweise ehrenvoll gehandelt, indem er nach Verdichtung des Schwindelverdachts recht bald darauf verzichtet hat, seinen Doktorgrad weiter zu führen. Das Verhalten einer Rechtsanwältin, sich unverändert in der Außendarstellung der Kanzlei Raupach & Wollert-Elmendorf mit dem sehr wahrscheinlich unredlich erworbenen "Titel" zu schmücken, erscheint demgegenüber von wenig Unrechtseinsicht geprägt. Eine "Emmely" in vergleichbarer Situation sähe sich längst einer Verdachtskündigung seitens ihres Arbeitgebers ausgesetzt.

  • DI
    Dr. in spe

    Liebe taz, danke für die Recherche!

     

    Mich hat schon länger interessiert, wer eigentlich hinter den Plag-Wikis steckt. Ich kann das Ansinnen absolut nachvollziehen, da auch ich bald meine Doktorandenstelle antreten werde und aus dem Bekanntenkreis weiß, wie viel Arbeit in einer "echten" Diss steckt. Ich hoffe sehr, dass durch die Enttarnungen der wilden Titelschmückerei ein Ende gesetzt wird.

  • A
    atypixx

    Das Profil von "Meriten4Lau" ist falsch verlinkt (mit einer abschließenden Klammer am Ende).