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Schuldenkrise in GriechenlandMacht es doch wie in Ecuador!

Angesichts der Schulden wird in Athen über Alternativen diskutiert - etwa eine Umschuldung nach lateinamerikanischem Vorbild. Geht das im Euroraum?

Griechenland muss seit der Schuldenkrise einige Blessuren verkraften. Bild: dapd

ATHEN taz | Der mexikanische Wirtschaftsprofessor Oscar Ugarteche bringt es auf den Punkt: "Mit der Umschuldung ist es wie mit der Ehescheidung - es reicht nicht, schreiend aus dem Haus zu rennen, man muss auch wissen, wo es dann hingeht." Der Entschuldungsberater lateinamerikanischer Regierungen referiert vor einem jungen Publikum an der Athener Universität.

Dort waren am Wochenende hunderte Vertreter von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und NGOs aus aller Welt zusammengekommen. Sie fordern ein Schulden-Audit, das zu einer partiellen Umschuldung Griechenlands führen soll.

"Bis Oktober wollen wir die Legitimität aller Gläubigeransprüche untersuchen", erklärt Giorgos Mitralias, Mitglied im Komitee für die Streichung der Schulden. Nicht mehr zurückgezahlt würden Schulden, die unter dubiosen oder rechtswidrigen Umständen entstanden sind, etwa durch Spekulation oder Korruption.

Reparationsansprüche gegen Deutschland aus dem Zweiten Weltkrieg sollten ebenfalls berücksichtigt werden, sagte Mitralias der taz. Der Bundestagsabgeordnete der Linken, Andrej Hunko, wurde mit Kritik gegenüber Deutschland konfrontiert, obwohl er selbst Sympathie für Griechenland äußerte.

Vorschlag: Staatsanleihen mit Abschlägen zurückkaufen

Ecuadors Präsident Rafael Correa habe es allen vorgemacht, wie es funktioniert, meint Eric Toussaint von CADTM, einem Netzwerk zur Schuldenstreichung in der Dritten Welt. 2008 erklärte die ecuadorianische Regierung, dass "illegale" Zinszahlungen in Höhe von ca. 60 Millionen Dollar nicht bedient würden, und schlug Privatgläubigern vor, ihre Staatsanleihen mit Abschlägen zurückzukaufen. Auch Griechenland könnte von einer solchen Zahlungsverweigerung profitieren, meinen die Referenten aus Südamerika.

In diesem Zusammenhang wird allerdings nicht erwähnt, dass Ecuador immerhin über eine florierende Erdölindustrie verfügt, die Budgetlücken refinanzieren könnte. Und auch die Frage, ob eine Umschuldung innerhalb der Eurozone überhaupt möglich ist, wird nicht erörtert.

Selbst ein Großteil der griechischen Linke ist wohl gegen den Austritt aus der Eurozone und die Wiedereinführung der Drachme. Dennoch: Ein Schuldenschnitt sei wünschenswert, erklärt der griechische Ökonom Kostas Lapavitsas. Privatgläubiger müssten dann eben auf 50 Prozent verzichten. Es sei aber wichtig, dass die griechische Regierung nicht von den Märkten getrieben wird, sondern selbst die Initiative ergreift und mit den Gläubigern über eine Umschuldung verhandelt, erklärt Lapavitsas der taz.

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8 Kommentare

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  • R
    reblek

    "Nicht mehr zurückgezahlt würden Schulden, die unter dubiosen oder rechtswidrigen Umständen entstanden sind..." Mit Verlaub: Da nicht Schulden, sondern Kredite aufgenommen werden, werden auch Kredite zurückgezahlt und nicht Schulden. Die werden getilgt. Aber wen interessiert das in einer Wirtschaftsredaktion schon?

  • EA
    @Enzo Aduroe

    Die meisten Leute in Griechenland arbeiten in denselben Jobs wie in Deutschland, meist völlig sinnfrei und unproduktiv: Im Büro.

    Ob das wirklich "Arbeit" ist, sei mal dahin gestellt, aber wie überall in der modernen Welt gibt es dafür wesentlich mehr Geld als für wirkliche Arbeit: 25 Euro am Tag für den "illegalen" Flüchtling, damit die Erdbeeren und Weintrauben im Diskounter stehen oder damit der brave Herrentourist schön billig "urlauben" kann, ist jeder dritte Job im Tourismus unterbezahlt, schwarz und unversichert. Dafür darf man dann auch bei Lidl das Doppelte ablatzen, dafür, daß griechisches Gemüse durch Plastik ersetzt wurde und von den sonstigen Preisen nur soviel:

    Weil die Regierung die Spritpreise limitiert hat, sollen Kleinpächter jetzt unter Einkaufspreis verkaufen.

    Natürlich machen Griechen das nicht, sondern lassen immer mehr Tankstellen geschlossen. Zumindest dort, wo kontrolliert wird. Wo die Kontrolleure nicht so schnell hinkommen, wird's richtig teuer.

    Auf der anderen Seite bezahlen Fluggesellschaften wähjrend der Saison keine Flughafengebühren mehr, aber offensichtlich wird diese Ersparnis nicht an deutsche Kunden weiter gegeben.

    In Polen und Rußland scheint das anzukommen, denn von da kommen immer mehr Touristen.

  • DW
    D. WOLF

    Griechenland kann es nicht wie Ecuador machen:

     

    Ecuador hat einen "Papi" der alles bezahlt:Hugo Chavez.

  • H
    horstschwabe

    Langfristig wird Griechenland nur über die Runden kommen, wenn es sich von der EU-Währung löst. Gleiches gilt für Irland und Portugal. An Rückzahlung auch nur eines Bruchteiles der erhaltenen Kredite ist nicht zu denken. Merkel und Schäuble sollten das als Lehrgeld verbuchen, sofern es auch Lern-Charakter für die Euro-Fanatiker hat.

  • T
    tourie

    Es gibt fett Öl und Gas in der Ägais und in der Lybischen See.

    Wenn Griechenland da ran geht, braucht es allerdings noch mehr Bewaffnung, denn griechische Ausbeutung von griechischen Bodenschätzen, bis zu 300 Kilometer weg von ihrer Küste, bedroht die Türkei mit Krieg.

    Also, Westerwelle, versuch's doch nochmal mit deinem Eurofighter und danach kannste dich da unten zu Ruhe setzen.

    Aber vielleicht ist es so besser für die Besitzer des Meeres, die Fische! Die einzigen Fischgründe, die sich dort stabilisieren, sind die bei den umstrittenen Inseln wie Imia....

  • J
    jujlo

    Ich verstehe nicht, weshalb ein haircut/Schuldenschnitt ethisch gerechtfertigt werden muesste mit grossen Toenen ("illegal", "Legitimitaet pruefen", etc)?

     

    Ab einem gewissen Punkt ist er im Interessae aller Beteiligten. Selbst wenn es keine Probleme mit der Legitimitaet der Zinszahlungen/Schulden gibt, werden doch Verhandlung ueber eine Restrukturierung mit haircut sinnvoll fuer die restlichen Staaten der EU?

     

    Man moechte doch einen geordneten Weg aus der Situation finden, schon im Hinblick auf Spanien, Portugal,Irland?

  • G
    grafinger

    Richtig, Jannis, das Prinzip der Staatenimmunität gehört abgeschafft.

    Dann können alle Opfer des II.Weltkrieges und deren Nachkommen von Gerichten ihre Forderungen durchsetzen.

    Aber...warte mal, dann bekommen ja auch die 13 Millionen deutschen Vertriebenen ihr Vermögen wieder, Beneschdekrete hin oder her. Polen, die Tschechische Republik und Russland werden da ganz schön blechen müssen...

    Und was ist eigentlich mit den konfiszierten Auslandsvermögen Deutscher Bürger im ersten und zweiten Weltkrieg?

    Ich denke, das wird für manche Staaten ganz schön teuer.

    Man könnte ja auch einmal berechenen, was die napoleonischen Kriege die heutige Republik Frankreich kosten werden.

  • EA
    Enzo Aduroe

    Natürlich muss Griechenland einen Cut machen und sagen. Es gibt nur die Hälfte wieder, und erst in 2 Jahren und nur zu 5%.

     

    Ist doch klar.

     

    Nur alle trauen sich nicht. Aus Angst es würde dir Refinanzierungsfähigkeit Spaniens treffen.

     

    Und hier ist der Unterschied zu den Lateinamerikanischen Ländern. Die haben oder mussten auf solche Wechselwirkungen keine Rücksicht nehmen.

    Und europa drängt wegen Spanien das ganze auf die lange Bank. Und GR muss auf die EU rücksicht nehmen, sonst gibs kein cent mehr aus Brüssel. Und Griechenland wird ja qusie seit den 70ern aus brüssel durchgefüttert. Der einzige Grund warum die Wohlhabender sind als die Türkei oder Albanien.

     

    Ob Sie aus den Euro raussolten ist eine andere Frage. Das würde helfen abzuwerten. Schlaudeutsch für Löhne senken durch einen inflationsschock. Ich würde sagen das geht aber auch so.

     

    Es ist einfach so das Griechenland einfach zu teuer ist, auch was die löhne angeht. Ein Land das nicht reicher ist als Estland, kann auch keinen höheren Lebensstandart haben.

     

    Wenn die Löhne etc. sinken und das ganze Niveau dort sinkt, dann würden auch wieder mehr Touristen hinfahren. Weil so ein Griechenlandurlaub ist ja über die Jahrzehnte eine ganz schöne Luxusangelegenheit geworden. Auf dem gleichen Niveau wie ein Frankreichurlaub fasst. Nur das man weiter reisen muss. Kann es eigentlich nicht sein.

     

    Und die Korruption muss beendet werden. Eine Gesellschafft die Ihre Reichen nicht besteuer WILL, und das ist es, darf nicht erwarten das es von anderen hilfe erhällt.