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EU-Parlament beschließt LobbyregisterEin bisschen Transparenz

Lobbyisten bekommen in Zukunft nur noch einen dauerhaften Hausausweis, wenn sie sich in ein Transparenzregister eintragen. Den Grünen reicht das nicht.

Aktivisten von "Friends of the Earth" bei einer Aktion in Brüssel. Zur selben Zeit wurde der "Worst Lobbying Award" verliehen. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Das Europaparlament zieht Konsequenzen aus dem Bestechungsskandal, der die Straßburger Kammer im Frühjahr erschüttert hat. Künftig erhalten Lobbyisten nur noch einen Dauerausweis für die Gebäude des Parlaments, wenn sie sich in ein sogenanntes Transparenzregister eintragen. Das Register soll bereits im Juni arbeiten und auch die EU-Kommission einbeziehen, nicht jedoch den Ministerrat.

Brüssel gilt als europäische Hauptstadt der Lobbyisten; zum Europaparlament haben mehr als 1.700 Interessengruppen Zutritt. Im März hatten Reporter der Sunday Times mehrere Europaabgeordnete mit Geld geködert, um die Käuflichkeit der Parlamentarier zu belegen. Die umstrittene Aktion führte zum Rücktritt des früheren österreichischen Innenministers Ernst Strasser - und zur Forderung nach einem verbindlichen Lobbyregister.

Allerdings trat die EU-Kommission sofort auf die Bremse. Sie wollte sich nur auf ein unverbindliches Register einlassen, da eine Rechtsgrundlage für ein härteres Vorgehen fehle. Die informelle Einigung zwischen Kommission und Parlament sieht denn auch keine Registrierungspflicht vor. Interessenvertreter sollen sich zwar in das Register eintragen und ihre finanziellen Interessen offenlegen. Wenn sie es nicht tun, droht jedoch keine Strafe. Im schlimmsten Fall kann der Zutritt zum Parlament verweigert werden.

Die Grünen hatten schärfere Regeln gefordert

Die Grünen hatten schärfere Regeln gefordert – waren jedoch an der konservativen Mehrheit im Parlament gescheitert. Der grüne Abgeordnete Gerald Häfner zeigte sich dennoch zufrieden. "Die Bevölkerung hat ein Recht, zu erfahren, wer in Brüssel in wessen Interesse auf die Abgeordneten Einfluss auszuüben versucht", sagte Häfner. Es sei ein "Erfolg, wenn es jetzt endlich gelingt, dem Missbrauch von Macht durch Lobbyisten und willfährige Politiker einen Riegel vorzuschieben". Neben einem verbindlichen Register mit detaillierten Angaben zu finanziellen Interessen der Lobbyisten fordern die Grünen aber auch Sanktionsmöglichkeiten bei Missbrauch, etwa bei der Bestechung von Abgeordneten, sagte Häfner der taz.

Widerstand kommt unter anderem von Anwälten, die in Brüssel oft große Konzerne in Wettbewerbsfällen vertreten und sich weigern, ihre Klienten offenzulegen. Auch die FDP im Europaparlament schießt quer. Eine "öffentliche Buchführung" über Lobbyisten-Termine sei abzulehnen, sagte die liberale Abgeordnete Alexandra Thein. Sie führe nur zu einer "Scheintransparenz", schließlich könnten sich Abgeordnete und Lobbyisten ja immer noch in einer Gaststätte treffen.

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1 Kommentar

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  • D
    demokratiefreund

    Das Heer der Lobbyisten ist so groß wie die Wirtschaft vielfältig.

    Es geht nicht nur um Energiekonzerne, die Gewinnmaximierung vor Sicherheit stellt.

    Wie plündern Öl- und Gaskonzerne die Erde, Staaten und die Kunden aus, ohne daß ihnen jemand in den Arm fällt? Welche Schäden richten sie an?

    Banken haben die Politik im Griff, oder warum regt man sich um „läppische 22 Milliarden“ für den EU Rettungsschirm auf, während die Banken weltweit Billionen auf Kosten der Steuerzahler verdaddelt haben und schon lange – nach einer gezielten Ruhephase – wieder Boni in obszöner Höhe untereinander verteilen.

    Die Pharmaindustrie gaukelt der Öffentlichkeit vor, daß sie neue Produkte entwickelt, statt dessen etikettiert sie Altes um, um dann den 100-fachen Preis von Patienten / Kassenmitgliedern zu realisieren.

    In der medizinischen „Versorgung“ werden an jeder Ecke werden sündhaft teure Geräte beschafft, die dann natürlich auch „ausgelastet“ werden müssen um sich zu amortisieren. Da ist dann jeder Patient recht, den ,an so „verarzten“ kann. Zugleich geht die humanitäre Ärzteschaft nur dann aufs Land, wenn die 40 Std. Woche garantiert ist, das kleinste Dorf mit Oper, Theater, Spaßbad und Spielbank usw. aufwarten kann.

    Die Automobilindustrie blockiert sinnvolle, teils sogar alte aber bewährt Produkte, die Energie und andere Ressourcen einsparen und macht sich mit Mäusekinos und ähnlichem Schnickschnack in jeder Karre die Taschen voll.

    Was Lebensmittel betrifft, kann so gut wie niemand mehr manipulierten, wertlosen bis schädigenden Produkten entrinnen. Beginnend auf Wiesen und Feldern, die hemmungslos mit Fungiziden und Herbiziden traktiert werden, über die Tiere, die vom Tierschutz so gut wie nie belästigt werden. Kleinbauern sind so gut wie chancenlos.

    Die Lebensmittelindustrie lebt vielfach davon, den schönen Schein zu verhökern. Monsanto und andere ehrbare Kaufleute vernichten Boden, Ernte, Bauern und Kunden gleich mit. Wissenschaftler, die sich diesen Machenschaften entgegen stellen, macht man fertig.

    Das ist – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die „freie Wirtschaft“, die von äußerster Gier getrieben, einen zügellosen, gewissenlosen Krieg gegen Land und Meer, Flora und Fauna, Konkurrenten und Kunden, ja gegen die Staaten der Welt führt.

    Die Wirtschaft ist so frei, einer allzu willfährigen Politik in allen Bereichen die Hand zu führen.

    Da fällt mir ein, was war das noch gleich? Ach so: man nannte es wohl „Demokratie“ = Herrschaft des Volkes.

    Daran sollte man sich nicht nur in Brüssel erinnern.