piwik no script img

Grönland genehmigt TiefseebohrungenSo tief wie bei Deepwater Horizon

Erstmals genehmigte Grönland Offshore-Ölbohrungen in 1.500 Metern Tiefe. Umweltschützer warnen: Wenn da was schiefgeht, würde es schlimmer als bei Deepwater Horizon.

Türkisfarbene arktische See bei Grönland. Weiter draußen soll bald gebohrt werden. Bild: Adrian Boliston | CC-BY

STOCKHOLM taz | Erstmal sollen in diesem Sommer Offshore-Ölbohrungen in arktischen Gewässern in einer Tiefe von bis zu 1.500 Metern stattfinden. Eine entsprechende Genehmigung erteilte die grönländische Selbstverwaltungsregierung jetzt der schottischen Ölgesellschaft Cairn Energy. Diese will vor der grönländischen Westküste Bohrungen in vier Feldern niederbringen.

1.500 Meter war die Tiefe, in der die "Deepwater Horizon"-Plattform im Auftrag des Ölkonzerns BP im Golf von Mexiko gebohrt hatte, als es im vergangenen Jahr zu dem katastrophalen Unfall gekommen war.

Ove Karl Berthelsen, grönländischer Minister für Industrie und Mineralressourcen, hat trotzdem keine Zweifel, erstmals solche Tiefseebohrungen vor Grönland zuzulassen: Man fühle sich sicher, nachdem sich Cairn Energy im vergangenen Jahr an alle Sicherheitsvorschriften gehalten habe und die damaligen Bohrungen planmäßig verlaufen seien. Im Sommer 2010 hatten die ersten Ölbohrungen vor Westgrönland stattgefunden, damals allerdings in einer Tiefe von weniger als 500 Meter. Auf Öl war man da allerdings nicht gestoßen.

Vor Grönland soll aufgrund der Sicherheitsbestimmungen gearbeitet werden, die im norwegischen Teil der Nordsee und der Barentssee gelten. Diese, so die grönländische Regierung, seien deutlich sicherer als die Standards, die im Golf von Mexiko gegolten hätten. "Sicherheit" bedeutet dabei konkret, dass diese Standards laut offiziellen Zahlen der norwegischen Ölaufsichtsbehörde es nicht verhindern können, dass es im Nordseesektor jährlich im Durchschnitt zwischen 10 und 15 Lecks gibt, bei denen Öl und Gas ins Meer austreten.

Folgen eines Ölaustritts in arktischen Gewässern

Die Folgen eines Ölaustritts in arktischen Gewässern wären allerdings wesentlich schwerwiegender als in der Nordsee oder in anderen wärmeren Meeresgebieten. In kaltem Wasser läuft der Verdunstungsprozess langsamer ab, entlang den weithin unzugänglichen grönländischen Küsten fehlt es zudem an der Infrastruktur für die Bekämpfung einer Ölpest, und weil das fragliche Meeresgebiet ein halbes Jahr eisbedeckt ist, wäre ein Ölaustritt im Winterhalbjahr überhaupt nicht zu bekämpfen. Das Öl könnte sich infolgedessen mit dem Eis über weite Flächen verteilen.

"Lasst Öl und Gas im Boden", fordern Umweltschutzorganisationen und Vertretungen der indigenen Arktisvölker deshalb auch in einem Aufruf an das am Donnerstag im grönländischen Nuuk stattgefundene diesjährige Außenministertreffen des "Arktischen Rats", einem Zusammenschluss der acht Arktisanrainerstaaten. Die Offshore-Bohrungen in der Arktis seien "mit nicht akzeptablen Risiken verbunden", sagt Aase Refsnes, Arktisexperte des norwegischen Naturschutzverbundes. Das fragile Ökosystem, das die Lebensgrundlage der indigenen Völker bilde, werde mit jeder weiteren Bohraktivität aufs Neue bedroht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Z
    Zafolo

    Wenn jemand seine ehrliche Meinung äüßert wär ich ja der letzte der was dagegen hat.

    Wenn aber jemand Depeepwater Horizon mit einem Fingerhut im Wannsee vergleicht, dann kann ich nur an gezielte Verharmlosung denken.

     

    Die hat im Netz Konjunktor, man schaue sich nur mal den Wikipedia Artkel zur Katastrophe von Tschernobyl an, zur Kernenergie oder zur Grünen Gentechnik. Da wird schöngeredet und -gelöscht dass die Balken krachen. Astroturfing nennt man das, diese Aktivitäten werden direkt von der Atomlobby finanziert. Eine der strippenziehenden PR Agenturen, die Firma Burson-Marsteller ist genau die welcher Facebook gerade sein PR Desaster verdankt.

     

    Bei Wikipedia und auf den Seiten des BUND findet man mehr dazu.

  • NB
    Nachum B

    @Tom Winter: Sorry, über was Sie da mit einem Fingerhut im Wannsee vergleichen, war die größte Ölkatastrophe der USA ! Die Schäden sind bislang weder behoben noch abschätzbar. Die Unterwasser-Tierwelt ist immens von der verölung betroffen.

    Als Fingerhut voll -sonstwas- würde ich da nur Ihre Einschätzung ansehen.

  • TW
    Tom Winter

    Die Sache mit Deepwater Horizon war wirklich kein besonders dramatisches Ereignis. Wenn man die Menge des entwichenen Öls ins Verhältnis setzt war es in etwa so, als gäbe man maximal einen halben Fingerhut in den Wannsee - also nix Dramatisches. Erschreckend natürlich die Folgen an den Stellen, an denen Öl konzentriert sichtbar wird, aber für das Ökosystem insgesamt unbedeutend. Die eingesetzten Chemikalien sind wahrscheinlich bedenklicher, aber angesichts der schnellen Verdünnung auch nicht schlimm.

  • NV
    Nicht verwundert

    Bemerkenswert ist vor allem: "Man fühle sich sicher, nachdem sich Cairn Energy im vergangenen Jahr an alle Sicherheitsvorschriften gehalten habe und die damaligen Bohrungen planmäßig verlaufen seien. Im Sommer 2010 hatten die ersten Ölbohrungen vor Westgrönland stattgefunden, damals allerdings in einer Tiefe von weniger als 500 Meter."

    Das ist ungefähr so, wie wenn man beim Russischen Roulette nach wiederholtem freien Rotierenlassen der Trommel so oft abzieht, wie die Trommel an Patronen aufnimmt, und dann sagt, jetzt sei man sicher, dass keine Patrone drin sei. Sie können es also ruhig selbst probieren.

  • W
    wespe

    Es ist doch der Wahnsinn! Wir zwingen diesen Planeten noch in die Knie. Wäre ja gelacht :-( ++ Umweltkatastrophen wie Tsunamis und AKW-GAUs reichen wohl nicht aus, um endlich mal sensibler mit der Umwelt umzugehen. Von "Sicherheit" ist mal wieder die Rede. Das kennen wir doch schon. Gilt ja auch für AKWs. Wenn man jetzt die Sicherheit noch mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen kombiniert, fühlt man sich immer auf der "sicheren Seite". Wenn die Natur, sprich: das Ökosystem, sich anschließend nicht an die menschlichen phantastischen Überlegungen hält, ist das Gejammer groß. ++ Es wurde doch von anderen Fachleuten erklärt, dass wir viel weniger über das Meer und die Tiefsee wissen als über das Weltall. Aber gerade hier, vor Ort, auf der Erde werden die gefährlichsten Experimente durchgeführt. ++ Ich bin nur entsetzt.

  • T
    Toby

    Die Ölpest im Golf von Mexiko wurde nicht erfolgreich bekämpft, sondern erfolgreich unsichtbar gemacht. Die Folgen dauern an und werden erst in vielen Jahren wirklich abschätzbar sein. In arktischen Gewässern wären selbst die zweifelhaften Maßnahmen aus dem Golf von Mexiko so nicht durchführbar. Wer die Bohrung genehmigt, sagt damit, daß er bereit ist, die Möglichkeit einer Verseuchung der Region in Kauf zu nehmen und daß ihm der monetäre Gewinn diese mögliche Verseuchung wert ist. Dagegen ist Widerstand geboten!

  • V
    vic

    When will they ever learn?