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Besuch bei der Internet-Jugend in GazaDie jungen Revoluzzer aus Gaza

Die Versöhnung zwischen der Fatah und der Hamas gibt auch der rebellischen Jugend im Gazastreifen neue Spielräume. Freiheit ist für sie ein messbarer Begriff.

Berühmt wegen des Facebook-Manifests: Abu Yazan, Abu Ghassan, Samach mit Kopftuch und Rauwan. Bild: Susanne Knaul

GAZA-STADT taz | Sie sind jung, gebildet, ohne Angst, aber frustriert. Die Gründer von Gaza Youth Breaks Out (GYBO), die auf dem Weg des Internets die Blockade durchbrechen wollen und gleichzeitig gegen die Hamas rebellieren, wagen sich mehr und mehr an die Öffentlichkeit.

Mit der Versöhnung zwischen Fatah und Hamas lockere sich der strenge Griff der Polizei in Gaza, so glauben sie. "Wir sind früher immer nur einzeln zum Interview gegangen", sagt Abu Yazan, der zwar nichts gegen ein Foto hat, seinen richtigen Namen aber noch für sich behält. "Damit sie, wenn sie uns schnappen, nur einen von uns kriegen."

Diesmal sind sie zu viert gekommen, zwei 24-jährige Männer, die sich als Abu Yazan und Abu Ghassan vorstellen, und zwei Frauen: die 30-jährige Samach und die um zehn Jahre jüngere Rauwan. Abu Yazan und Samach sind bereits mehrmals verhaftet und mit Stockschlägen malträtiert worden.

"Die Polizisten hatten immer viel Spaß mit mir", sagt Abu Yazan mit bitterem Lächeln. Gegen die Stockschläge habe er nichts, nur, "wenn sie mich ins Gesicht schlagen, flippe ich aus". Günstig für Abu Yazan, dass sein Vater "ein hohes Tier bei der Hamas" ist. Der Polizist, der ihn beim letzten Mal besonders quälte, musste sich nach Intervention des Vaters bei Abu Yazan entschuldigen.

"Fuck Israel. Fuck USA"

Vor ein paar Monaten machten die jungen Palästinenser zum ersten Mal auf sich aufmerksam. "Fuck Hamas. Fuck Israel. Fuck Fatah. Fuck USA", so ihre wütende Botschaft. Das auf Facebook veröffentlichte Manifest der Gruppe erklärt, wie die Hamas, die sie in ihrem Text die "Organisation" nennen, "alles Lebende, jeden Gedanken und alle Träume tötet". Tausende Facebook-Nutzer drückten innerhalb von wenigen Tagen auf die Taste "gefällt mir", auch viele Israelis. "Wir haben sie darauf hingewiesen, dass wir auch 'Fuck Israel' meinen, denn Israel ist unser Feind", sagt Abu Yazan, "damit wurden sie etwas ruhiger."

Die jungen Leute sind erklärtermaßen gegen den Einsatz von Gewalt, dennoch müsse zuallererst die Besatzung beendet werden. "Alles andere ist sowieso nur ein Nebenprodukt der Besatzung", meint Abu Ghazan, "vor allem die Spannung innerhalb der palästinensischen Bevölkerung", die Israel stets gefördert habe. Mit Hilfe ihrer Internetseite will die Gruppe "am Diskurs über Gaza teilhaben", sagt Abu Ghazan, und "nicht länger nur darauf hoffen, dass unsere Rettung von anderen kommt".

Darüber, ob ihr Protest die innerpalästinensische Versöhnung vorangetrieben hat, wollen die Rebellen nicht spekulieren. Samach glaubt, dass "unsere Gruppe" und andere wie die Bewegung des "15. März", die in Ramallah aktiv war, "den Druck auf die Parteien erhöht haben".

Facebook blockiert die Seite

Besonders in den arabischen Staaten genießen die Studenten aus Gaza Sympathie. Dabei haben die jungen Palästinenser längst den Überblick über die Reichweite ihrer Aktion verloren. "Wir können nicht kontrollieren, wie viele Leute unser Manifest lesen", erklärt Abu Yazan, denn "Facebook hat unsere Seite gesperrt". Die Hauptinternetseite der GYBO sei ohne Angabe von Gründen blockiert worden und zeigt seither keine neuen "Gefällt mir"-Klicks an. "Wir haben uns schriftlich an die Facebook-Betreiber gewandt, aber nie eine Antwort erhalten."

Die GYBO-Gründer gehören zu den Privilegierten im Gazastreifen. Fast alle ihre Väter beziehen entweder von der Hamas oder von der Palästinensischen Autonomiebehörde ein monatliches Gehalt. Die Perspektive, dass die innerpalästinensische Versöhnung Abstriche bei den Spenden aus dem Ausland zur Folge haben könnte, sollte der Westen am Boykott gegen die Hamas festhalten, schreckt die jungen Leute wenig.

"Gebt mir Armut", ruft Rauwan wütend über die internationalen Aufbaugelder, mit denen die Palästinenser "nur kaltgestellt werden". Was die Leute in Gaza bräuchten, seien keine Nahrungsmittelspenden, "sondern Bücher", schimpft die Politologiestudentin und fordert: "Lehrt mich angeln, anstatt mir einen Fisch zu geben."

Sie selbst würde am liebsten für eine Weile ins Ausland gehen, um zu studieren und anschließend in Gaza "etwas für mein Volk und mein Land zu tun". Ägypten hat die Öffnung der Grenzen angekündigt, doch damit ist für die jungen Palästinenser die Blockade längst nicht beendet. "Ich bin nicht nur Gazaerin, sondern Palästinenserin", sagt Rauwan, die sich für Reisemöglichkeiten via Ägypten wenig interessiert. "Mein Volk lebt hier und im Westjordanland", sagt sie. Frei werde sie sich erst dann fühlen, wenn sie nach Ramallah, nach Bethlehem und Jerusalem reisen kann.

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16 Kommentare

 / 
  • S
    Stefan

    @max

    Der heutige Zustand ist das Resultat mehrerer (deiner Meinung nach wohl völkerrechtskonformen) Kriegen gegen Israel mit dem Ziel der Vernichtung Israels. Und bis heute zeigt keiner der Angreifer und Unterstützer einen echten Friedenswillen.

    Dass du jedoch alles in deiner Macht stehende tun würdest um Israel gegen die Vernichtung zu verteidigen ist ja höchst beruhigend. Leider kann Israel sich nicht wirklich auf dich verlassen.

  • M
    max

    lieber jacek,

     

    das ist so unterirdisch, was sie da ablassen, da fehlen mir beinahe die worte. diese absolute opferhaltung ist widerlich. fühlen sie sich wohl in ihrem vorgeschobenen jammertal?

    israel ist seit beginn der besatzung in erster linie täter. israel betreibt seit über 40 jahren eine völkerrechtwidrige besatzungs- und siedlungspolitik. sich hier als gehasstes armes aber dennoch stolz und wider seinen finsteren feinden nicht unterwürfiges volk zu präsentieren ist eine dreiste verdrehung der wirklichkeit.

    ich bin froh, dass die welt nicht so ist, wie sie denken und ich bin sicher viele derer, die israel extrem kritisch gegenüberstehen, würden alles in ihrer macht stehende für israel tun, wenn es wirklich vor der vernichtung stünde. so auch ich.

  • JF
    Jacek F.

    Die Seeblockade ist völkerrechtlich richtig, weil in dem Gaza-Streifen eine Regierung an die Macht gekommen ist, deren Ziel die Vernichtung des jüdischen Staates ist, das steht zumindest in den Statuten der Hamas. Die Hamas feuert Raketen auf israelische Dörfer ab, die Hamas schleust Terroristen nach Israel ein, die dann gezielt Zivilisten angreifen, wie zuletzt der Bombenangriff auf einen Schulbus. Israel hat völkerrechtlich ein Recht auf Verteidigung und das Errichten eines Seeblockade gehört dazu.

     

    Von der Blockade sind aber Schiffe ausgenommen, die Medikamente, Nahrungsmittel etc. transportieren, es werden lediglich nur Ladungen nicht durchgelassen die Waffen und Materialen zur Waffenherstellung transportieren. Es handelt sich so gesehen um keine Blockade.

     

    Bei der letzten Angriff der Terrorflotilla wurden übrigens alle Sache nach Gaza transportiert, die Nahrungsmittel verschimmelten dort aber, weil man kein Interesse an ihnen hatte, sondern an den anderen Dingen die vor allem zur Herstellung von Kazam Raketen dienen.

     

    Bald wird aber die Grenze zu Ägypten offen sein, man wird also so viel Waffen nach Gaza transportieren können wie es nur möglich ist, es werden viele israelische Zivilisten getötet, ist es das was sie und die arabischen Palästinenser wollen.

     

    Die Vernichtung des jüdischen Volkes, ich kann mir sonnst die Einseitigkeit und den Hass dem man hier in Deutschland auf uns Juden hat nicht erklären.

     

    Sollen wir uns alle umbringen damit man uns lieb hat, haben wir Juden kein Recht auf Leben?

     

    Können Sie sich vorstellen, wie es uns Juden in Israel ergeht wenn solche "Rebellen" wie oben sagen dass sie uns hassen?

    Können Sie sich vorstellen wie es ist, wenn die Hamas schwört uns zu vernichten?

    Können Sie sich vorstellen wie es ist, wen Iran eine Atombombe baut und gleichzeitig von dem Ausradieren Israels laut träumt.

     

    Wir Juden wissen es genau, dass man uns keine Träne nachweinen wird, wenn Ahmadiendschad tatsächlich eines Tages Israel auslöschen wird, die Deutschen werden dann mit den Achseln zucken und sagen: Die Juden sind selber schuld.

     

    Wir Juden werden aber den Deutschen den Gefallen nicht tun. Wir werden Leben und wir werden überleben.

  • M
    max

    liebe astel, wenn du mich schon belehren möchstest. dann erklär doch noch die seeblockade des gazastreifens durch israel. das mit der grenze zu ägypten wird ja bald kein problem mehr sein, jedenfalls zeichnet sich das ab.

  • MZ
    M. Zinke

    das Kernproblem ist doch gestreift aber nicht als solches erkannt.

    Die junge Dame sagt sinngemäß, dass es ihr nicht um Gaza (definitiv nicht "besatzt") oder das Westjordanland geht, sondern um "Ganz"-Palästina.

    Mit anderen Worten - und das wird jeder bestätigen, der sich vor Ort mit Arabern unterhalten hat - die Grenzen von 1967 sind für die Palästinenser nciht das Ziel, sondern das gesamte Land.

    Selbst wenn sämtliche jüdische Siedlungen im Westjordanland (andere gibt es gar nicht mehr!) aufgelöst würden und selbst Ost-Jerusalem den Arabern übergeben würde, wäre definitv noch keine "Ruhe".

    Das erklärte Ziel der allermeisten Palästinenser ist, dass es gar kein Israel mehr gibt!

     

    Dass das die Israelis verhindern möchten und werden, kann man ihnen wohl kaum vorwerfen.

     

    Also sichern sie ihre Grenze (auch und z.T. mit einer Mauer), damit keine Terroristen nach Israel REINkommen. Dies ist vollkommen anders als in Berlin - da wurde bekanntlich die Mauer von der DDR gebaut um zu verhindern, dass die eigene Bevölkerung der DDR in den Westen RAUSgeht.

  • M
    max

    lieber scoobidoo,

     

    1. hat die frage ob das was aus dem besetzten/abgeschnittenen gebiet abgefeuert wird nichts mit der für dieses gebiet gewählten begrifflichkeit zu tun. du kannst die besatzung richtig finden, aber das ändert nichts an ihrer existenz.

     

    2.die israelische regierung darf ihr land so lange und so hoch einmauern, wie sie will, aber nicht anderer leute land.

  • R
    Renegade

    Also als ich in Israel und Palästina war, hatte ich nicht so das Gefühl, dass Israel eingemauert ist, vielmehr doch Palästina.

     

    Und zu sagen: Israel besetzt doch nichts, ist alles in Ordnung, ist immernoch zynisch und menschenverachtend, denn selbst wenn alle Palästinenser Antisemiten wären, wären sie trotzdem Menschen und wir wollen uns ja gerade von Leuten wie Antisemiten dadurch abgrenzen, dass für uns die Menschenrechte etc. universal für alle gelten.

     

    Aber nun ja, in der deutschen "Debatte" kann man sich solche Aussagen sowieso sparen, was? Eigentlich ein Wunder, dass sich die pro-palsätinensischen und pro-israelischen Fraktionen nicht auch schon auf Straßenschlachten begegnet sind.

  • S
    Stefan

    Dann ist ja alles in Ordnung, wenn nicht nur Hamas und Fatah sondern auch die rebellische Jugend einen Hass gegen Israel hat. Traumhafte Perspektiven.

    Übrigens sollte Israel mal wieder zu weiteren Schritten zur eigenen Abschaffung gezwungen werden.

  • J
    joffe

    @scootaloo: und die "DDR" hat auch nicht mit Bombern und ganzen Armeen darauf geantwortet - um bei deinem bild zu bleiben --- und israel "mauert sich nicht ein", sondern breitet sich weiter aus und mauert eher die palästineser in ihrem eigenen land ein -- dass das manifest bei philosemiten und antimps gleichermassen nicht gut ankommt - wen interessiert es ausserhalb der tazcafeteria?

  • A
    Astel

    @max

     

    Der Gaza-Streifen hat zwei Grenzen eine mit Israel und eine mit Ägypten, die Grenze zu Israel wird abgeriegelt, weil man berechtigte Angst vor Terroristen hat, warum aber die Ägypter die Grenze zu ihren arabischen Brüdern nicht öffnen und dorthin Honig und Milch transportieren ist mir schleierhaft.

     

    Aus dem Gaza-Streifen werden nach wie vor Raketen auf israelische Zivilisten abgefeuert.

     

    Wenn man Ihre Definition der "Besatzung" nimmt, dann ist Nord-Korea von Süd-Korea auch besetzt, weil die Grenze zwischen den beiden Ländern dicht ist.

     

    Das ist das was mich an der Berichterstattung immer so maßlos ärgert, man nimmt unreflektiert Begriffe wie Besatzung in den Mund, ohne das man vorher nachgedacht hat, aber Hauptsache der Jude wird als Böse dargestellt, der Jude der ewige Sündenbock, egal was er macht. Der Antisemitismus wächst und gedeiht in Deutschland als ob nichts passieren würde.

  • L
    Langstrumpf

    @Scootaloo

     

    "es gilt im palästinensischen Raum als politisch inakzeptabel, nicht gegen Juden zu sein."

     

    sorry, aber das stimmt nun wirklich nicht (auch wenn das ihr weltbild jetzt durcheinanderwirblen sollte). für wie dämlich halten sie palästinenser? grundsätzlich wird durchaus zwischen juden und israel differenziert.

     

    literaturtipp:

    Amira Hass' Buch "Gaza. Tage und Nächte in einem besetzten Land"

     

    Kritik von Rezensentin Angela Gutzeit:

     

    "Hass, die seit 1993 im Auftrag der Zeitung Ha'aretz als Korrespondentin Gaza-Streifen berichtet und sich als einzige israelische Journalistin dort niedergelassen hat, beschreibt darin die Hintergründe für das fortgesetzte Blutvergießen in dieser Region. "Für mich", zitiert die Rezensentin die Autorin "verkörpert der Gaza-Streifen die ganze Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts. Er verkörpert den zentralen Widerspruch des Staates Israel - Demokratie für die einen, Enteignung für die anderen."

     

    quelle: http://www.perlentaucher.de/buch/13169.html

  • S
    Scootaloo

    Von Westberlin aus wurden aber auch nie Raketen in die DDR abgeschossen.

     

    Fakt ist, dass es einen weitverbreiteten Antisemitismus in der palästinensischen Bevölkerung gibt und diese nauch bereits vor der Staatsgründung Israels gab. Die zwanghafte Abgrenzung von israelischen Unterstützern die durch die Gaza Youth erfolgt, bestätigt hier vor allem eins: es gilt im palästinensischen Raum als politisch inakzeptabel, nicht gegen Juden zu sein.

     

    Solange eine solche Grundstimmung aber vorherrscht, kann ich jede israelische Regierung verstehen, die sich einmauert.

  • M
    max

    ich finde die darstellung auch irgendwas zwischen zu kurz und zu lang, weder fisch noch fleisch, aber dennoch interessant.

    und wer hier noch einmal von "es gibt keine besatzung in gaza" schwadroniert, der kann gerne die union vereinigter haarespalter gründen. man möge sich vorstellen, westberlin wäre nach der deutschen teilung rundherum von den sowjets abgeriegelt worden und alle waren die eingeführt werden, wären von der sowjetunion kontrolliert worden. ich denke der begriff der besatzung ist nahe genug an der realität um den zustand zu bezeichnen, der in gaza vorherrscht.

  • S
    Suzette

    So dieser Link müsste funktionieren (siehe Manifest, taz vom 3.1.11 http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2011%2F01%2F04%2Fa0100&cHash=5a61bb4407)

  • A
    Astel

    Die jungen Gaza "Rebellen" sagen: Die Besatzung muss beendet werden...

     

    Welche Besatzung? Der letzte Soldat der israelischen Armee hat den Gaza-Streifen im September 2005 verlassen. Wovon reden diese Menschen?

     

    Und das Statement: "Israel ist unser Feind" hört sich nach alten Wasser in neuen Schläuchen an.

  • S
    Suzette

    Danke fürs Kurzporträt der Gaza Youth. Die sind allerdings nicht so angetan von der Einigung zwischen Hamas und Fatah wie es der Text hier suggerieren möchte - von beiden Seiten halten sie nix (siehe Manifest, taz vom 3.1.11 http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/wie-laeuse-unter-den-naegeln/).

     

    Frau Knaul unterschlägt leider häufig, dass die Fatah in den Augen vieler Palästinenser von Korruption zerfressen ist und Abbas nur als rückratlose Witzfigur betrachtet wird, die für Geld ständig vor den Forderungen der USA und Israel einknickt.

     

    Warum die Facebook-Seitensperrung?

    "Israel ist unser Feind" - warum, und wie das im Detail gemeint ist... wen kratzt das schon?